Der Studiengebührenboykott in München ist kläglich gescheitert –trotz des kämpferischen Einsatzes seiner Organisatoren. Eine kleine Geschichte über marketingbegeisterte Revoluzzer und eine desinteressierte Studentenschaft
Man kann den Jungs ja einiges vorwerfen: angestaubte 68er-Romantik zum Beispiel. Oder ein bisschen pauschale Kapitalismuskritik. Aber eines mit Sicherheit nicht: Dass sie sich nichts hätten einfallen lassen.
Von Christoph Kreileder
„Wir sind ganz unterschiedliche Leute. Vom Informatiker bis zum Fotografen“, sagt Jonas (22) Komparatistik-Student. Zusammen mit einem festen Kern von circa 20 Leuten hat er in diesem Sommersemester an der Ludwig-Maximilians-Universität gegen die Studiengebühren gekämpft. Und dabei wählten sie keine verstaubten Hippie-Methoden: Von der Internetseite „derboykott.de“ über U-Bahn-Plakate im grünen Look bis hin zu Flyern mit ironischen und aufmerksamkeitswirksamen Botschaften („Sei ein Reh. Boykottiere die Studiengebühren. Folge dem weißen Bürzel“) erstreckte sich ihre Kommunikationsstrategie. Mit dem Infostand waren sie vor der Mensa, vor der Uni, in der Studentenstadt und auf der langen Vorlesungsnacht. Am Ende hat es aber nichts geholfen.
Konto leer, Anwalt pleite
Statt dem notwendigen Boykott-Quorum von 10.000 Studenten haben sich bis zum Stichtag (22. Juni) gerade mal 163 an der Aktion beteiligt. „Das ist ein scharfes Schwert, mit dem man was erreichen kann“, hatte Jonas noch vor einigen Wochen über die Einrichtung des Treuhandkontos gesagt. Der Plan: Die Studenten sollten die Studiengebühren nicht an die Uni, sondern auf dieses Konto eines Anwalts überweisen. Bei Erreichen des Quorums hätte die LMU wohl kaum 10.000 Studenten exmatrikuliert. Im Falle des (nun eingetretenen) Scheiterns würde der Anwalt die Gebühren an die Uni überweisen. Doch zu allem Überfluss meldete dieser kurz vor dem Stichtag auch noch Konkurs an. Ein Kollege musste einspringen und das Geld an die Studentenkanzlei weiterleiten – dramatisches Ende einer Revolution ohne Anhänger.
Aufgeben? Niemals!
„Meines Erachtens führen die Studiengebühren bei Hochschulen und Dozenten zur stärkeren Wahrnehmung der Notwendigkeit, die Studienbedingungen zu verbessern. Insofern sind sie eine Chance. Man kann schlecht zusätzlich Geld verlangen, ohne etwas zu ändern.“ Dieser Einschätzung von Wolfgang Ballwieser, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der LMU, hat sich die große Mehrheit der Studenten offensichtlich angeschlossen. Wahrscheinlich ist München einfach nicht das Pflaster für den großen Aufstand. Zum Vergleich: In Hamburg boykottierten 6.078 Hochschüler die Studiengebühren. Doch Jonas plant schon für die nächsten Semester: „Für die Zukunft ist es wichtig, ein Problembewusstsein zu schaffen. Durch Aktionen wie die ‚lange Nacht‘ oder Interviews mit denjenigen, die wirkliche Nachteile durch die Studiengebühren haben – um dadurch der Floskel ‚Sozialverträglichkeit‘ und den nackten Zahlen ein Gesicht zu geben“, meint Jonas. Kapitulation klingt irgendwie anders. |