Der boykottierte Boykott

Der Boykott der Studiengebühren ist gescheitert. Beim Uni-Streik wurden Studenten vom Besuch der Lehrveranstaltungen abgehalten. Trotz kritischer Stimmen wertet die Gruppe „Contra“ ihre Aktionen als Erfolg

Mittwoch, 13. Juni 2007, vormittags: Höhepunkt der Studiengebühren- Proteste – es wird gestreikt. Manche Studenten streiken, weil sie wollen – andere, weil sie müssen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, denn die Türen sind verriegelt, Veranstaltungen werden blockiert. Wo Vorlesungen bereits begonnen haben, stürmen Studiengebühren-Gegner der Organisation Contra den Raum und lassen sich auf kein Diskussionsangebot ein: „Wir wollen hier nicht diskutieren, sondern stören!“

Von Michael Sentef

Contra – gegen was?

Doch wer oder was ist Contra? Contra entstand im Frühjahr 2007 aus einem Kreis von Studenten, der sich bereits seit längerem gegen Studiengebühren engagiert hatte. Nach eigenen Angaben hat Contra derzeit 75 Mitglieder aus allen Fakultäten. Der Kampf gegen Studiengebühren ist ihr Anliegen. „Wir wollen ein Bewusstsein für diese Lage schaffen, damit man die Tragweite der Dinge begreift, die hier passieren“, fasst Clemens Eisenmann zusammen.

Mit „den Dingen“ meint er die Liberalisierung der Hochschule, die er als Problem erkannt haben will. Mit dem Streik-Gebahren von Contra ist nicht jeder einverstanden. „Diese harten Methoden sind nicht in Ordnung“, meint Matthias Strobel, langjähriger hochschulpolitischer Referent des AStA. Die zwanghafte Aussperrung von Veranstaltungen sei kontraproduktiv gewesen: „Sobald man Leute zu etwas zwingen will, sind sie verärgert.“

Contra-Aktivist Andreas Wiebel wehrt sich gegen die Kritik am erzwungenen Uni-Streik: „Wir wollen Aufmerksamkeit erregen. Durch die verschlossenen Türen muss sich jeder Student mit dem Problem auseinander setzen.“ Nur weil die Mehrheit der Studenten Studiengebühren akzeptiere, seien diese nicht automatisch richtig, so Wiebel Ende April auf der studentischen Vollversammlung. Dort wurde der AStA mit der Organisation des Streiks und einer anschließenden Demonstration in der Augsburger Innenstadt beauftragt.

Kick it like Frankreich!

13. Juni 2007, nachmittags: Rund 2500 Demonstranten tun ihren Unmut über die Studiengebühren kund. Am Königsplatz in der Augsburger Innenstadt blockieren einige für eine halbe Stunde den Verkehr – wofür Contra wiederum Kritik von AStAReferent Strobel erntet. Als Vorbild diente Contra „Kick it like Frankreich“, ein Film über hessische Studenten, die – inspiriert von den Pariser Vorstadt-Revolten vom Frühjahr 2006 – ihre Universitäten belagerten.

„Die haben da echt krasse Sachen gemacht, zum Beispiel haben sie ein Rektorat besetzt“, ist Eisenmann begeistert. Die Filmvorführung bezeichnet er als Initialzündungfür die Planung der Proteste. In den ersten beiden Semesterwochen errichteten die Contra-Aktivisten ein Lager direkt an der Tram- Haltestelle vor der Uni. Es gab ein „Open-Mic“, Vorlesungen unter freiem Himmel wurden angeboten – kostenlos, versteht sich. „Wir wollten vor allem auf die Vollversammlung aufmerksam machen, was ja auch geklappt hat“, so Wiebel.

Lächerliche Aktionen?

Parolen per Megaphon, laute Musik direkt vor der Mensa, linke Protestler im Rudel – nicht alle Studenten sind davon begeistert. Roswitha Hierl, VWL-Studentin im zweiten Semester, findet das Ganze doch eher lächerlich: „Die sollen lieber schauen, dass unser Geld sinnvoll verwendet wird.“ Der Jura-Student Andreas Koch sieht das etwas gemäßigter, ist aber dennoch skeptisch: „Dieses Engagement ist gut und wichtig, dennoch glaube ich nicht, dass sich viele von dem Streik angesprochen fühlen.“

Auch aus Sicht des AStA sei einiges nicht optimal gelaufen, räumt Strobel ein. „Offenbar wurde Contra als AStA wahrgenommen.“ Dabei seien AStA und Contra keineswegs deckungsgleich, vielmehr müsse man unterscheiden: AStA und Contra unterstützten beide die Boykott AG, die im Auftrag der Vollversammlung gegründet worden sei, um die Zahlung der Studiengebühren zu boykottieren.

Doch gerade der Boykott der Gebühren-Gegner war ein Misserfolg. Das Prinzip war einfach: Anstatt die Gebühren direkt an die Staatsoberkasse zu überweisen, sollten die Studenten auf ein Treuhandkonto einzahlen, das von einem Anwalt verwaltet wurde.2000 Boykotteure waren das Ziel – damit hätte man eine kritische Masse von einer Million Euro erreicht, um mit der Universitätsleitung in Verhandlungen zu treten.

Gescheiterter Boykott

Dieses Ziel wurde jedoch verfehlt. Gerade einmal 455 Studenten schlossen sich dem Boykott an. „Immerhin deutlich besser als in Regensburg“, meint Eisenmann, „dort gab es nur einen einzigen Boykotteur.“ Mögliche Gründe für das Scheitern? Studentenvertreter Strobel sieht vor allem die Tatsache, dass man „Geld in fremde Hände hätte geben müssen“, als Erklärung für die geringe Boykottbeteiligung. Sicherlich sei auch die Insolvenz des ersten Boykott-Anwalts nicht hilfreich gewesen. Das zunächst zurückgehaltene Geld floss schließlich doch an die Uni, exmatrikuliert wurde niemand – aber zu Verhandlungen kam es auch nicht: Die Gebühren bleiben.

Contra macht dennoch weiter: In der letzten Vorlesungswoche des Sommersemesters zelteten die Gebührengegner fünf Tage lang am Uniweiher. Wiebel will weiterhin aufrütteln: „Wir setzen mit dem Camp ein Zeichen und zeigen, dass es Leute gibt, die sich mit der Lage nicht zufrieden geben.“

Auch der AStA wolle weiterhin gegen Studiengebühren ankämpfen, erklärt Magnus Wirth, Strobels Nachfolger im hochschulpolitischen Referat. Im Idealfall wolle man die Gebühren abschaffen, zumindest aber auf die Untergrenze von 300 Euro reduzieren. Zu Contra wolle der AStA „ein kritisch-konstruktives Verhältnis“ pflegen, verspricht Wirth. „Wir schätzen das Engagement von Contra – aber nicht unbegrenzt.“

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