Göggingen ist mehr als nur ein ruhiges Pflaster
Unter Augsburgern ist Göggingen als beschauliche Familiengegend bekannt: Ruhige Lage, Natur satt und Punkt neun klappen sich die Bürgersteige hoch. Also nichts für feierlustige Studenten mit einem ausgeprägten Nachtleben? presstige ist dem auf den Grund gegangen und hat sich für euch in diesem Augsburger Stadtteil einmal umgesehen.
Von Sabrina Gebhardt – Fotos: Christian Oliar
Sengend strahlt die Mittagssonne vom Himmel. Stolz schiebt eine junge Mutter ihren Kinderwagen durch den Gögginger Park. Ein Hund überholt sie und hechelt seinem fahrradfahrenden Herrchen hinterher. Auf der Grünfläche liefern sich Kinder – wohl die Fußballhelden von morgen – ein rasantes Spiel. Dribbling hier, ein Kunststück dort und schon ist der Ball im gegnerischen Tor versenkt. Der Jubel ist groß. Cool bleiben dagegen die Jugendlichen, die sich auf dem dahinter liegenden Basketballplatz an Korblegern und lässigen Hip-Hop-Moves zu lautstarker Musik aus dem Ghettoblaster versuchen.
Doch von all dem lässt sich die junge Studentin nicht stören: Konzentriert in ihre Unterlagen vertieft sitzt sie auf einer Decke im Gras und verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen.
Eine Stadt in der Stadt
Biegt man vom Klausenberg in die Bürgermeister-Aurnhammer-Straße ein, so bietet sich einem ein ganz anderes Bild: eine eigenständige Stadt in der Stadt. Das Angebot an Geschäften an der Gögginger Verkehrsader ist breit gefächert, so dass man den Stadtteil zum Einkaufen eigentlich nicht verlassen müsste: Ob neue Schuhe, ein passendes Sport-Outfit oder eine schicke Brille – hier ist nahezu alles zu finden. Auch kulinarische Genüsse kommen angesichts der zahlreichen Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, Restaurants und Eisdielen nicht zu kurz. Und wer es etwas ökologischer mag, kann im Bio-Laden vorbeischauen.
Balsam für die Seele
Eine Straße weiter, versteckt hinter einem Säulengang und inmitten eines weitläufigen Parks, thront eine gelbe Burg. Lebt dort wohl Dornröschen, die sehnsüchtig ihren Märchenprinz erwartet? Oder doch eher der Retter selbst, jederzeit bereit, sich auf seinen weißen Schimmel zu schwingen und loszureiten? Leider nein. Der burgähnliche Bau entpuppt sich als Gartensaal der Hessing-Klinik. Johann Friedrich von Hessing errichtete 1887 die „Neue Heilanstalt“ in Göggingen. Der Gründer selbst war gelernter Schreiner und Orthopäde, hatte also nie eine medizinische Fakultät besucht. Er vertrat allerdings die Ansicht, dass ein Mensch neben der medizinischen Behandlung auch seelisch genesen muss, um ganz gesund zu werden. Aus diesem Grund ließ Hessing zusätzlich zur Burg und der St. Johanniskirche auch das Gögginger Kurhaus am Klausenberg mit dem kunstvoll ausgestatteten Parktheater bauen. Zahlreiche Veranstaltungen wie Theaterabende, Konzerte, Ausstellungen oder Lesungen locken fast jeden Abend Kultur-Begeisterte in den glamourös gestalteten Ballsaal. Der Vorteil für Studenten: Sie müssen nur die Hälfte des Eintrittspreises bezahlen.
Heiß begehrt: Das Gögginger Wohnheim
Augsburger Studenten denken beim Stichwort „Göggingen“ jedoch zuerst an das heiß begehrte Studentenwohnheim. Die Wartelisten sind lang. „Praktisch ist, dass das Studentenwohnheim in der Nähe der Uni liegt“, erzählt Hüseyin Bal. Der 27-jährige Jurastudent wohnt nun schon seit drei Semestern im Gögginger Wohnheim und ist begeistert. Dafür nimmt er auch gern den weiten Weg in die Innenstadt in Kauf. „Ich fühle mich hier wohl. Im Mittelbau gibt es einen Vergnügungsraum, der viel genutzt wird“, meint er. Dort steht der gemeinsame Fernseher. Nebenan in der Küche gibt es jeden Mittwochabend Selbstgekochtes der Wohnheimtutoren zu genießen. Besonders beliebt ist allerdings das sogenannte „Bierstüble“ im Keller des B-Gebäudes. Hier wird jeden Mittwoch gefeiert, unter der Woche auch gerne einmal mit Motto-Partys wie Bad-Taste oder Geschlechtertausch. Nicht umsonst ist das Gögginger Wohnheim als das „Party-Wohnheim“ Augsburgs bekannt.
Mehr als nur Party
Doch Göggingen hat mehr als nur studentische Partylaune zu bieten. „Die Gegend ist sehr ruhig und alles andere als ein Ghetto“, erzählt Hüseyin. „Man findet hier viele verschiedene Nationen. Das finde ich schön.“ Ein Beispiel dafür ist Julia Fait. Die 22-Jährige studiert Lehramt, ist gebürtige Italienerin und verbringt im Rahmen des Erasmus-Programms ein Jahr in Augsburg. Über das Studentenwerk fand sie einen Platz im Gögginger Wohnheim. „Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf“, erzählt Julia. „Darum gefällt mir, dass es fast direkt vor meiner Haustür Wiesen und Felder gibt.“ Und wenn die Sonne vom Himmel lacht, schnappt sich die Studentin für den Weg in die Innenstadt einfach ihr Fahrrad. Zu ausgiebigen Sparziergängen zwischen Seminaren, Vorlesungen und Lerneinheiten laden auch das Gögginger Wäldchen und die Wertachauen zwischen Innigen und Göggingen ein.
Pünktlich zum Wintersemester gibt es nun ein zweites Gögginger Wohnheim an der Bürgermeister-Miehle-Straße. Die rund 100 Plätze sollen die Wohnheimplatz-Situation entschärfen. Gleichzeitig reagiert das Studentenwerk so auf den Andrang des doppelten Abiturjahrgangs 2011.
Action und Sportgeist
Feierstimmung herrscht auch in der neu gebauten Impuls Arena. Seit Juni 2009 können dort über 30.000 begeisterte FCA-Fans ihre Mannschaft hautnah erleben. Die Bewährungsprobe hat das Augsburger Stadion bereits bestanden: Nur vier Monate nach der Eröffnung war der Nachfolger des alten Rosenau-Stadions beim Länderspiel der Frauen gegen die australische Nationalmannschaft erstmals ausverkauft.
Nachdem die Herausforderung der U20-Weltmeisterschaft der Frauen diesen Sommer erfolgreich gemeistert wurde, lockt nächstes Jahr ein neuer sportlicher Höhepunkt: Die Impuls Arena wurde zu einem der neun Austragungsorte der Fußballweltmeisterschaft der Frauen 2011 gekürt. Und vielleicht gelingt den deutschen Frauen ja das, was ihre männlichen Kollegen schon geschafft haben: zum dritten Mal den Weltmeistertitel zu holen. 2003 und 2007 hat es ja bereits geklappt.