Frauenfußball wird immer populärer – nicht zuletzt aufgrund der Weltmeisterschaft der Frauen, die dieses Jahr in Deutschland stattfindet. Im Gegensatz zur steigenden Zahl an Spielerinnen, sind Frauen als Schiedsrichterinnen auf dem Platz noch immer eine Seltenheit. presstige hat sich auf die Suche gemacht und zwei engagierte Mädels gefunden, die den Männern auf dem Feld den Marsch blasen.
Von Julia Kling & Sabine Porchia
Alessa (24) und Marietta (23), beide hauptberuflich Politik- und Lehramts-Studentinnen an der Uni Augsburg, lassen nebenberuflich die Männer und Frauen nach ihrer Pfeife tanzen. Sie sind Spitzenschiedsrichterinnen im Bezirk Schwaben. Bevor beide zu Pfeife und Fahne griffen, waren sie aktiv als Vereinsspielerinnen tätig. Inzwischen sorgt Alessa seit zehn, Marietta seit vier Jahren für Ruhe und Ordnung in den höchsten bayerischen und bundesweiten Ligen. Alessa ist als Assistentin in der Frauenbundesliga und als Schiedsrichterin im Team zusammen mit Marietta in der Frauenregionalliga sowie in der Männer-Bezirksoberliga im Einsatz. Dabei sind weibliche Schiedsrichterinnen in den oberen Ligen eher die Ausnahme.
Als Frau auch die Männerzeiten schaffen
Der Weg dorthin verlangt viel Einsatz und Disziplin: Wöchentliches Konditionstraining und diverse Fortbildungen sind ebenso Teil des Schiedsrichteralltags wie Spiele am Wochenende. Unter der Saison müssen beide samstags und sonntags jeweils ein Spiel pfeifen und einmal an der Linie stehen. Dabei reichen die Einsatzorte von Schwaben bis nach Hamburg.
Neben den verschiedenen Leistungslehrgängen und Qualifikationstests beim DFB und dem Bayerischen Fussballverband gehören auch Fortbildungen im Bezirk Schwaben zum Pflichtprogramm. Speziell für weibliche Schiedsrichterinnen ist in Schwaben das Frauen-Förder-Zentrum geschaffen worden, wo junge Schiedsrichterinnen an höhere Aufgaben herangeführt werden. Fitness und Kondition müssen an die eines Fußballspielers heranreichen; sie werden mehrmals im Jahr bei verschiedenen Leistungstests überprüft. Dabei gibt es für beide Geschlechter unterschiedliche Anforderungen, „es kommt aber gut an, wenn man beim Sprint als Frau auch die Männerzeiten schafft“, so Alessa. Auch bei den Spielen selbst muss Fitness und Leistung stimmen. In so genannten Beobachtungsspielen werden den Schiedsrichterinnen Noten nach bestimmten Kriterien verteilt, die die Qualität der Schiedsrichterleistung widerspiegeln. Bei schlechter Benotung wird am Ende der Saison „abgerechnet“: Wie bei den Mannschaften, so gibt es auch bei den Schiedsrichtern Tabellenplätze, auf der am Ende der Saison Auf- und Absteiger feststehen. Die meisten bleiben jedoch in ihrer Liga, wie die Mannschaften auch.
Vom „Ermahnen“ bis zum weiblichen Charme
Obwohl die Frauen eher selten das Zepter in der Hand halten, sind die Reaktionen meist positiv. Wenn Beleidigungen vom Spielfeldrand kommen, dann meistens von Zuschauerinnen. „Vielleicht steckt Eifersucht oder Neid dahinter, weil wir mit 22 Männern auf dem Platz stehen“, mutmaßen Alessa und Marietta. Hitzige Situationen lassen sich auf verschiedene Weisen klären: Die Bandbreite reicht von Ansprechen und Ermahnung der Spieler bis zum Kartezeigen. Wenn alles nichts hilft, bleiben noch die Waffen einer Frau – denn weiblicher Charme hat bisher noch jede Rudelbildung in Luft aufgelöst.
Die richtige Entscheidung macht einen guten Schiri aus, doch Nervosität gehört selbst bei einem Profi noch dazu. „Aber mit jedem Spiel wird man sicherer“, meint Marietta.
Persönlichkeitsbildung und der besondere „Kick“
In der Regel sollten beide jedes Wochenende verfügbar sein, ihre Freistellungen müssen sie vier Wochen im Voraus angeben. Da bleibt nicht viel Zeit für Urlaub und Freunde.
Doch für Alessa und Marietta überwiegen die Vorteile: „Es bringt viel für die Persönlichkeit und macht sich nicht schlecht im Lebenslauf“. Sicheres Auftreten, Durchsetzungsvermögen, schnelles Entscheiden, Team- und Kritikfähigkeit sind nur einige Eigenschaften, die durch das „Schiedsrichtern“ geschult werden. „Dass wir in einem Gespann für eine Sache einstehen, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und den Teamgeist.“ Alessa und Marietta nehmen den hohen Zeitaufwand gerne in Kauf, denn die Freude am Pfeifen und der besondere „Kick“ sind es wert, wenn sie nach einem Spiel den Platz verlassen und Lob für ihre Leistungen bekommen.
Dass dabei oft nur ein Taschengeld übrig bleibt, ist für beide nebensächlich. „Wegen dem Geld machen wir das nicht; für uns steht der Spaß im Vordergrund.“