Aufgewacht! Ein etwas anderer Leitartikel

Am 21. März ist der astronomische Frühlingsanfang. Meine Mitbewohnerin findet, der Frühling ist wundervoll: blauer Himmel, bunte Blumen, Sonnenschein. Also darf ich keine deprimierenden Dinge schreiben. Und sie in meinem Leitartikel auf gar keinen Fall an den Winter erinnern. Na dann…

Von Wiebke Henke; Fotos: Sebastian Baumeister

Heute Morgen bin ich aufgewacht, weil der Postbote geklingelt hat. So etwas passiert regelmäßig, wenn der eigene Klingelknopf der unterste ist. Und wenn man so lange schläft, wie ich heute. Meinen Wecker hatte ich nämlich vorsorglich ausgeschaltet.

Ursprünglich hatte ich vor, etwas über schlechte Zeiteinteilung zu schreiben. Und darüber, dass man deshalb auch in seinem Kalender mal einen radikalen Frühjahrsputz durchführen sollte. Dummer Weise habe ich in dieser ersten Artikelversion aber den Winter etwas zu häufig erwähnt. Und das fanden alle, die den Artikel gelesen haben, nicht gerade gut. Lerne: Im Frühling möchte niemand mehr an den Winter erinnert werden. Im Frühling gibt es nur noch Frühlingsgefühle, gute Laune und Sonnenstrahlen. Und die richtige Zeiteinteilung. Denn leider hat uns Mutter Natur keinen inneren Wecker eingebaut, der uns signalisiert, wann der Winterschlaf vorüber ist und wir so richtig durchstarten müssen.

Die Sache mit den Vorsätzen

Ich hatte mir ja zu Jahresbeginn vorgenommen, Sport zu treiben. Da mir das Fitnessstudio zu teuer und es draußen einfach noch viel zu kalt zum Joggen war, konnte ich diesen wundervollen Vorsatz guten Gewissens aufschieben. Im Frühling, wenn es wärmer wird und die Sonne scheint, bin ich bestimmt motivierter, dachte ich mir. DACHTE ICH. Jetzt muss ich leider einsehen, dass dies nicht der Fall ist. Obwohl draußen die Sonne scheint, obwohl es wärmer ist und obwohl der Frühling begonnen hat, liegen meine Sportsachen weiterhin unbeachtet in der hintersten Ecke der Schublade meiner Kommode. Aufgeschoben bedeutet eben nicht aufgehoben – und morgen ist das Motivationsproblem meistens leider nicht kleiner als gestern. Das Zeitproblem in den meisten Fällen allerdings schon…

Die Sache mit den Nachtschichten

„Warum macht man eigentlich nicht schon zwei Wochen vor Abgabe ein paar Nachtschichten?“, fragt mein blasser Mitbewohner mit riesigen dunklen Augenringen. Er wird im Laufe des Tages seine Diplomarbeit abgeben. Sein Computer kompiliert gerade und verordnet ihm damit eine Zwangspause. Gar nicht gut, weil mein Mitbewohner die ganze Nacht kein Auge zugemacht hat und ihm mehr Kaffee als Blut durch die Adern fließt. Trotzdem merkt er selbst, dass seine Frage eher rhetorischer Art ist. „Na ja, hätte auch nichts gebracht“, beantwortet er sie resigniert. Meine Mitbewohnerin liest derweil ihre bereits auf Schmierpapier ausgedruckte Diplomarbeit Korrektur. Auch sie wird diese im Verlauf des Tages abgeben. Immerhin hat sie im Gegensatz zu ihm ihren offiziellen Bearbeitungszeitraum nicht  voll ausgereizt. Ihren ursprünglich geplanten Abgabetermin haben allerdings beide weit überschritten.

Die Sache mit den Abschlussarbeiten

Das ewige Leid der Abschlussarbeit: Nicht wenige unterschätzen die Zeit, die für das Einarbeiten der Korrekturen, die Formatierung und den Feinschliff benötigt wird. Gerade wenn man im Laufe seines Studiums nur wenige oder keine Hausarbeiten schreiben musste, fehlen schlichtweg die Erfahrungswerte. So sehe ich in den müden Augen meiner Mitbewohner sowie der Erfahrung aus gefühlten 1000 Hausarbeiten und meiner Bachelorarbeit eine Warnung, ausreichend Pufferzeit für meine Masterarbeit einzuplanen. Denn irgendetwas Unvorhergesehenes tritt bei einer solchen Arbeit immer ein.

Die Sache mit dem „daraus Lernen“

Doch wie das eben mit den Vorsätzen so ist: Man muss sie auch einhalten. Siehe die Sache mit dem Sport… So sollten wir also unseren inneren Wecker rechtzeitig einschalten, wenn wir den Ernst der Lage erkannt haben. Und ihn weder snoozen noch ausschalten, sobald er uns durch sein Klingeln zum Aufwachen bewegen will. Denn nur in den wenigsten Fällen können ein klingelnder Postbote, die Freunde oder die Familie den eigenen inneren Wecker ersetzen. Und selbst dann gilt: Aufstehen und durchstarten muss immer noch jeder für sich selbst.

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