Wer kennt das nicht? Einsam und sozial isoliert sitzt du vor deinem Laptop, das Zimmer ist blitzblank geputzt und dein Kopf ist leer. Nun gibt es kein Entkommen mehr – die Arbeit ruft, aber irgendwie kannst du dich einfach nicht konzentrieren. Für dieses Problem gibt es eine Lösung: Coworking. Der gemietete Arbeitsplatz lockt mit einem entspannten Arbeitsklima, vielseitigen Arbeitskollegen und wahlweise sogar mit einer Kaffeeflat. presstige hat sich für euch unter das Volk der Coworker gemischt, um herauszufinden, was hinter diesem Trend steckt.
Von Sarah Scherer & Anja Zimmerer – Fotos: Moritz Köppendörfer
„Jetzt reiß dich mal zusammen, wir haben Gäste!“ – Mit einem Lächeln ermahnt Uli Hab, Leiter des Coworking Space „max 30.1“ in Augsburg, einen Arbeiter, der fröhlich vor sich hin pfeift und mit einem gelangweilten „Jaja“ antwortet. Der raue Umgangston ist Alltag in der Maxstraße 37, doch keinesfalls ernsthaft gemeint. Man kennt sich hier inzwischen, schließlich arbeitet man Tag für Tag bei- und gelegentlich auch miteinander. Freiberufler, Kreative oder kleine Startups, die unabhängig oder in verschiedenen Firmen und Projekten agieren, haben sich ihren Arbeitsplatz in dem großen, offenen Büro eingerichtet und können auf diese Weise voneinander profitieren. Über den großen Teich rüber geschwappt, landete das Konzept des Coworkings erstmals in Berlin, im sogenannten Betahaus. Inzwischen gibt es in ganz Deutschland circa 40 solcher Coworking Spaces, weltweit 820 – Tendenz steigend. Da fragt man sich zu Recht:
Arbeitest du noch oder lebst du schon?
Weiße Wände, schlichter Teppichboden und der Geruch von Kaffee steigt einem in die Nase, wenn man die Räumlichkeiten des „max 30.1“ betritt. Keine Trennwände, sondern freie Räume, es herrscht Offenheit. Auf rund 300 Quadratmetern steht Tisch an Tisch. Circa 40 Arbeitsplätze ermöglichen es, über den ganzen Raum miteinander zu kommunizieren – jeweils ausgestattet mit Internetzugang, Schreibtisch und Stuhl. Der Normaltarif für solch einen Arbeitsplatz liegt bei 79 Euro im Monat. Freunde des grünen Daumens können sich auch eine Grünpflanze adoptieren, diese ist dann natürlich im Tarif inbegriffen. Angefangen vom Büroschlüssel für Workaholics bis hin zur Kaffeeflat für Koffeinjunkies – alles Verhandlungssache. Die unterschiedlichen Tarife können individuell an den jeweiligen Nutzer angepasst werden. Vereinzelt sitzen Menschen unterschiedlichster Nationalitäten vor ihren Computern und arbeiten in lockerer Atmosphäre. Vom Studenten über den Wertpapier Trader bis hin zum Pastor ist hier alles vertreten. Als Rückzugsmöglichkeit steht ein Besprechungsraum oder ein Zimmer mit Lounge-Feeling zur Verfügung.
Die gemieteten Kollegen
Gemäß des Coworking-Konzeptes wird in der Maxstraße Wissen untereinander ausgetauscht. Jungunternehmer Gero, 25 Jahre, fragt auch mal in privaten Dingen seine gemieteten Kollegen um Rat. Dabei werden beispielsweise Waschtipps oder das Annähen von Knöpfen miteinander bequatscht. Gero hat an der Uni Augsburg seinen Abschluss im Bereich Economics gemacht und vertreibt heute seit fast einem Jahr im Coworking Space Bioprodukte über das Internet. „Das Coworking Space bietet mir als sogenanntes Startup Unternehmen die Möglichkeit schnell zu wachsen. Von einem Tisch pro Mitarbeiter kann ich problemlos auf zehn Tische wachsen und die Mitarbeiter auch wieder reduzieren.“ Diese Flexibilität sei bei Neugründungen von großer Bedeutung und könne entscheiden, ob sich letztendlich Erfolg oder Misserfolg einstellt. Tritt ersteres ein, kann die Suche nach den eigenen vier Wänden beginnen.
Auch Physik-Student Christoph, 22 Jahre, nutzt das Angebot in der Maxstraße. Innerhalb eines Monats kann er an 12 beliebigen Tagen an seinem flexiblen Schreibtisch vorbeischauen und bezahlt dafür knapp 50 Euro – Studenten erhalten 50% Rabatt. Doch wieso lohnt es sich für einen Studenten dieses Angebot zu nutzen? Christoph befindet sich im sechsten Semester und schreibt momentan an seiner Bachelorarbeit. Durch seinen Nebenjob in einer Onlineredaktion lernte er das Coworking als mögliche Arbeitsform kennen. Sein Antrieb zu coworken: „Daheim bekomme ich meinen Kopf nur schwer frei und lasse mich leicht durch andere Dinge ablenken. Hier im Space habe ich einen Tapetenwechsel und meinen festen Arbeitsplatz, dadurch kann ich mich besser konzentrieren.“
Der Spaßfaktor
„Es wird ein heißer Sommer. Deswegen überlegen wir, ob wir uns Wasserpistolen im Büro anschaffen“, witzelt Hab. Der Spaßfaktor soll auch beim Coworking nicht zu kurz kommen. Es geht eben nicht nur um das „Worken“ – das „Co“ spielt mindestens eine genauso wichtige Rolle. Gemeinschaft, Austausch, die familiäre Atmosphäre, gerade das macht diesen neuen Trend für viele Leute so attraktiv. Im Internet hat sich schon eine ganze Coworker-Fangemeinschaft gebildet, sowohl in den sozialen Netzwerken als auch über spezielle Info-Magazine. „Bei dem ganzen Spaß gibt es aber auch eindeutig einen Nachteil am Coworken“, schmunzelt Hab und zeigt auf die leeren Bierflaschen und Weingläser im Space. „Nämlich der dicke Kopf nach der Party.“
Weitere Informationen zum Coworking Space in Augsburg gibt es unter: www.max30-1.de