Eine Woche mit Stofftasche und Stricknadeln
Saftig grüne Wiesen, Blumen in voller Blüte, kristallklare Bergseen – Cut. Dann Bilder von Müllbergen, blutenden Robben, Eisbärfell im Wohnzimmer. „Warum tust du mir das an?“ lese ich unter den Fotos. Diese Eindrücke schickt mir eine Freundin mit den Worten „Bilder zum Nachdenken.“ Ich denke nach. Und ich starte ein Projekt. Eine Woche umweltbewusst leben. So schwer kann das doch nicht sein. Denke ich…
Von Daniela Steffl
Montag früh, ich laufe verschlafen ins Bad. Erst einmal Zähne putzen. Mit der Zahnbürste im Mund schießt es mir durch den Kopf: Stopp, Wasser aus! Du verschwendest kostbares Nass. Puh, auf die Umwelt zu achten ist gar nicht so einfach.
Kosmetika ade
Auf dem Weg in die Bibliothek – natürlich mit dem Fahrrad – denke ich darüber nach, was es heißt, umweltbewusst zu leben. Klar, Müll trennen und das Auto stehen lassen, aber sonst? Auf dem Heimweg sage ich der Plastiktüte den Kampf an und kaufe mir als Erstes eine Stofftasche zum Einkaufen. Und auch am Abend im Bad erkenne ich, was Umweltbewusstsein noch bedeutet. Schweren Herzens verbanne ich Mascara, Make-up und Haarspray aus meinem Blickfeld und beschließe, während meines Experiments keine umweltschädlichen Kosmetika zu verwenden. Das führt dazu, dass ich vor allem nach kurzen Nächten mitleidige Blicke ernte. Ich mutiere zum Umweltzombie.
Am Morgen des zweiten Tages wache ich voller Tatendrang auf. Über Nacht kam mir die Idee, ein Kräuterbeet anzulegen. Dazu kaufe ich verschiedene Samen und Erde, die ich unter Einsatz meines Lebens auf dem Fahrrad nach Hause befördere. Gleich am Nachmittag mache ich mich stolz an die Arbeit. Es ist ein tolles Gefühl, dass bald Schnittlauch und Petersilie aus den Töpfen sprießen werden. Ich kann es kaum erwarten.
Ran an die Nadeln
Aber ich will noch mehr: Ein Schal frei von Chemikalien. Wie gut, dass mir meine Oma den Umgang mit Stricknadeln erklärt. Ich übe meine ersten Zentimeter unter den kritischen Augen meiner Lehrmeisterin, dann habe ich den Dreh raus. Zumindest fast, denn die ein oder andere Masche fällt mir sogleich von der Nadel. Aber ich gebe nicht auf. Und ob ihr es glaubt oder nicht, nach ein paar Tagen bin ich infiziert vom Strickfieber. Das geht sogar soweit, dass ich mich mit Nadeln und Wolle bewaffnet im Arztwartezimmer wiederfinde. Ich ernte irritierte Blicke, doch auch das kann mich nicht bremsen. Nach einigen Tagen hat sich aus der Wolle schon ein ganzes Stück Schal entwickelt. Gut, es sieht eher aus wie Schweizer Käse, aber ich bin zufrieden mit meinem ersten Versuch.
Tag drei meines Projekts. Ich bin erkältet. Meine Nase ist knallrot und der Taschentuchberg neben mir wächst von Minute zu Minute. So habe ich mir das mit der verringerten Müllproduktion nicht vorgestellt. Ich muss erkennen, dass es nur manchmal möglich ist, umweltbewusst zu leben. Denn waschbare Stofftaschentücher sind mir definitiv zu eklig. Mit diesen Gedanken sinke ich wieder in meine Kissen.
Abenteuer Einkauf
Mit Stofftasche und Tupperbox bewaffnet beginne ich am nächsten Tag mein Abenteuer umweltbewusstes Einkaufen. Als ich durch die Regale streife, fällt mir auf, dass im Supermarkt wirklich alles verpackt ist. Käse in Plastik, Brot in Zellophan, Gemüse unter drei Folienschichten. Willkommen im Müllparadies. Mein Blick fällt auf das offene Obst. In meiner Plastikbox könnte ich es umweltfreundlich nach Hause transportieren. Aber wenn ich die jetzt aus meiner Tasche hole, werde ich bestimmt vom nächsten Ladendetektiv als Dieb abgeführt. Also besorge ich nur das Nötigste und steuere den nächsten Bäcker an. Ich kaufe eine Nussschnecke und halte der Verkäuferin erwartungsvoll meine Brotzeitbox hin. Erst verwirrte Blicke, aber als ich der Verkäuferin von meiner Aktion erzähle, lächelt sie mich an: „Sehr vorbildlich!“
Weil ich im Supermarkt nicht wirklich umweltbewusst einkaufen konnte, trete ich erneut in die Pedale und statte dem Bioladen einen Besuch ab. Meine Mission: Obst und Gemüse aus Süddeutschland. Denn wenn ich an die zig Kilometer denke, die manche Ananas oder Banane zurücklegt, dann sehe ich mich jetzt schon in der Umwelthölle schmoren. Also gibt es statt Tomaten aus Spanien Feldsalat vom deutschen Acker und statt Sternfrucht aus der Karibik Birnen aus Bayern.
Weil ich ein Mädchen bin
Am Samstag fühle ich mich reif für einen Beauty-Tag. Ich wage mich an eine super-biologische Maske, für die ich ein Rezept im Internet entdeckt habe. Die Kommentare im Forum versprechen eine wunderbar zarte Haut. Gut, die grüne Mineralerde riecht mit Wasser angerührt muffig und modrig. Ich brauche einige Minuten Überwindungszeit, dann wage ich es. Und das Gefühl des kühlen Schlamms auf meinem Gesicht ist überraschend toll. Nach zwanzig Minuten hat die getrocknete Maske mir alle Gesichtsfältchen zusammengezogen Die Maske hält was sie verspricht. Das werde ich sicher wiederholen! Zufrieden mit der ökologischen Alternative werfe ich das künstlich hergestellte Peeling aus dem Schrank in den Müll.
Jetzt fehlt nur noch eins: Einen Baum pflanzen! Doch der zugehörige Garten fehlt. Aber ich bin mir sicher: Ich werde es schaffen. Irgendwann. Bis dahin bleibe ich hartnäckig und versuche mein Bestes. Mein Leben im Einklang mit der Natur. Denn ich hätte nicht gedacht, dass sich umweltbewusst leben so gut anfühlt. Auch wenn man dafür allzu oft mehr Geld ausgeben muss. Und wer weiß, vielleicht werde ich sogar eines Tages Vegetarier. Denn in dieser Woche konnte ich beim Anblick leckerer Fleischgerichte dann doch nicht widerstehen.