Brothers lost in multiculturalism

Christopher Große und Michael Sentef finden Multi-Kulti voll supi

Im Anfang erklang SEIN Wort: Schreibt mir diesmal eine Multi-Kulti-Glosse. Mit ganz viel Multi und noch mehr Kulti. Wir: I beg your pardon? Questa è una affare che al giorno d’oggi esiste solamente grazie a se stessa … поня́тия не име́ю! Multi-Kulti, da stehen wir doch drauf, weil overrated und overestimated seit jeher unsere Lieblingswörter sind und so und weil der eine Schwabe in Kalifornien ist und der andere Berliner [Preuße; Anm. der Redaktion] in Bayern und so! [Die Marseillaise trällernd ab.]

 

Von Christopher Große & Michael Sentef

Voilà, die multikulturellste Glosse der Welt, in der es um nichts als Diversity, Integration und bunt geht.

Der eine von uns (MS) fand Kultur in ihren zahllosen Facetten schon immer sensationell spannend und so, weswegen es ihn auch ins kulturell (kulti) so vielseitige (multi) Kalifornien gezogen hat. Nun gut, hier sind schon spärliche Knasttoiletten in Alcatraz als Kulturhistorie zu bezeichnen, in die seinerzeit Al Capone sein gangsterliches Geschäft und so verrichtete. Aber wen der wilde Ritt durch die Straßen von San Francisco und Umgebung nicht nur schlaglochbedingt mannigfaltig durchrüttelt, der sieht hier das Potpourri aus Beatpoeten, italienischen Möchtegernen, mexikanischen Hilfsarbeitern, vollverkifften Späthippies, schwulen Castro-Legenden in Eulenmütze und Flip Flops (und sonst nichts) … sowie echt amerikanischen Amerikanern (in Atherton) und echt asiatischen Asiaten (nicht nur in Chinatown). Atherton ist schon an sich ein Multi-Kulti-Viertel erster Güte, was nicht nur an den durchschnittlich 4 Millionen Dollar teuren Anwesen mit toskanisch-griechisch-orientalischen Villen liegt, sondern auch daran, dass jeden Morgen zahllose (multi) deutsche (!) Autos mit Athertonmamis und Athertonkids hinaus Richtung Schule gondeln und zahllose mexikanische (kulti) Hilfsarbeiter mit ihren Pickups hineinfahren, um die facettenreichen Pflanzenkulturen zu begärtnern und so. Und so fragt sich der eine von uns angesichts dieser wilden Mischung, warum sich das Nebeneinander trotz aller Unterschiede immer auch als Miteinander anfühlt (nicht nur weil einem so mancher asiatische Autofahrer aufgrund einer etwas eigenwilligen Interpretation der Verkehrsregeln gerne recht nahe kommt).

Der andere von uns (CG) fand Kultur in ihren mannigfachen Ausprägungen schon immer klasse (Fußballkultur, Kaffeekultur, Arschgeweihe) und ist sowas von unverbesserlich multi-kulti, weil Absolvent Ethik der TextKULTUREN und so. Er kann sich überdies erinnern, dass damals (dunkle Zeiten, in denen alles besser war) die Schilder an der Müllstation im Hof schon immer zweisprachig waren, deutsch und türkisch. Damit alles schön seine (deutsche) Ordnung hat. Und damit niemand aus Versehen aus West-Berlin über die Mauer in den Osten hüpft, waren auch die Schilder an den Sektorengrenzen zweisprachig – deutsch und türkisch. Das fand der andere von uns extrem Multi-Kulti und so. Und Karneval der Kulturen fand er auch schon immer riesig. Und Kreuzberg an sich natürlich auch. Und Berlin war damals irgendwie auch bunter, vor allem die Kotze im Hausflur (eigentlich ist in der Erinnerung alles grauer, aber das zählt nicht, weil Kindheit und goldene Erinnerung und so). Dafür fand er es während seiner Zeit in einer sozialen Unternehmensgruppe weniger riesig, als er feststellen musste, wie viele eigentlich saukluge junge Menschen mit Migrationshintergrund eigentlich sauplanlos ihr Leben verdaddeln, nur, weil die Gesellschaft eigentlich keinen Bock auf sie hat und so. Und einige von denen dann eigentlich auch keinen Bock mehr auf die Gesellschaft haben und so. Multi-Kulti ist fabelhaft, dachte sich der andere so, wenn’s klappt mit gleichen Chancen für selbstbestimmtes Leben und so. Sonst wird’s kacke. Revanchefoul und Leidkultur und so. Der andere selbst fühlt sich im Übrigen in regelmäßigen Abständen als Ausländer im eigenen (?) Land, weil fremde Menschen ihn immer so komisch anschauen, wenn er ansatzlos in eine muntere Konversation mit ihnen einsteigt – oder nur ungefragt das Alltagsgeschehen kommentiert (häufig ganz ohne Gebrauch von Kraftausdrücken und so).

Wir riefen IHN an: Oh Herr, comme nous étions?

— ER: Ya basta! Das ist ja eine interkulturelle Zumutung.

— Wir:  可惜. Wir dachten wir seien der Endzweck der Natur – und so!

— ER: Das ist ja das ganze Drama. Kulturloses Gesindel!

— Wir: Ich weiß nicht was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin, ein Märchen aus uralten Zeiten …

[Lustig trällernd ab.]

Schreibe einen Kommentar