oder: Die Uni und Hans-Peter – Ein Ersti in der etwas anderen ‘Eingewöhnungsphase’
Hans-Peter ist 19 Jahre alt, hat das Abitur in der Tasche und beginnt nun sein Studium an der Universität Augsburg. Er ist über alles bestens informiert und hat es nicht nötig, sich von langweiligen Tipps für Studiendebütanten berieseln zu lassen. Hans-Peter macht einfach Alles richtig.
Von Susanne Heindl – Illustration: Sebastian Baumeister
Campus-Orientierung
Seinen ersten Tag auf dem Campus verbringt Hans-Peter allein und unternimmt keinen Erkundungsgang mit seinen neu gefundenen Freunden. Denn er hat die Nummerierung und Aufteilung der Gebäude schon verinnerlicht. Zwar kommt er an der Bibliothek vorbei, aber eine Kopierkarte, die es dort zu erwerben gibt, besitzt Hans-Peter bereits. Er ist für alle Situationen topp gerüstet. Und dass sich seine Bibliotheks-Nummer, die er zum Ausleihen von wissenschaftlichem Lesestoff benötigt, auf der Rückseite des Studentenausweises befindet, ist ihm sowieso klar.
Kommilitonen des scheinbar allwissenden Studenten laden sich Podcasts von student.stories.de herunter, die ihnen angeblich zu mehr Orientierung im Studienalltag verhelfen. Außerdem hat Hans-Peter Studierende gesehen, die mit ihrem Smartphone vor QR-Codes stehen und sich so über Einrichtungen wie zum Beispiel die Bibliothek informieren. Hans-Peter ist cool, er hat auch ein Smartphone. Informationsfütterungen mit Podcasts oder QR-Codes hält er aber für unnötig.
Natürlich hat sich Hans-Peter auch in der Mensa schon orientiert und kennt den Speiseplan auswendig. Hunger hat er allerdings nie, weswegen Hans-Peter sich in der Mensa keine Karte kauft.
Termin-Management
Im Studium läuft bei Hans-Peter alles super. Bei Seminaren war er stets am ersten Termin anwesend, um sich als Teilnehmer einzutragen oder um mit einem Kommilitonen tauschen zu können.
Informationsveranstaltungen verschiedener Institutionen besucht Hans-Peter aus Prinzip nicht. Denn Hinweise, dass das Programm ERASMUS bereits jetzt eine Anmeldung für ein mögliches Auslandssemester im 3. Studienabschnitt fordert, tangieren Hans-Peter nur peripher.
Fremdsprachenkenntnisse vertiefen oder gar eine neue Sprache lernen, kommt für ihn nicht in Frage und so misst Hans-Peter den Fristen zur Sprachkursanmeldung und -Einstufung keinerlei Bedeutung bei.
Bürokratie
Wie alle neuen Studenten muss auch Hans-Peter zum Einwohnermeldeamt, um Augsburg zu seinem Erst- oder Zweitwohnsitz erklären zu lassen. Der schon fast unheimlich gut organisierte Student hat sich im Vorfeld einen Termin geben lassen und kann so die eingesparte, nervige Wartezeit auf dem Amt sinnvoll nutzen: Hans-Peter will seine neue Studienstadt als Zweitwohnsitz anmelden und kann sich jetzt bei der Stadtverwaltung um eine Befreiung der Zweitwohnsitzsteuer kümmern.
Obwohl sich Hans-Peter noch nie irgendetwas zu Schulden hat kommen lassen, will er außerdem noch abklären, ob die Haftpflichtversicherung seiner Eltern auch bei ihm greift. Schließlich ist Hans-Peter ein armer Student, der Geld sparen muss und ein Leben ohne Haftpflichtversicherung kann teuer sein.
So will er sich auch um eine finanzielle Unterstützung des Staates bemühen und einen BaföG-Antrag beim Studentenwerk einreichen. Vielleicht bekommt Hans-Peter zusätzliche Unterstützung in Form eines Stipendiums, was ihm nach ein wenig Recherche nicht mehr allzu unwahrscheinlich erscheint
Freizeit
In seinen Mußestunden macht Hans-Peter wenig. Niemals lässt er seinen exzessiven Tanzgebärden auf Semester Opening Patys (SOP) freien Lauf oder lernt Kommilitonen höheren Semesters auf Veranstaltungen der Fachschaft kennen
Auch soll es Studenten geben, die sich in ihrer Freizeit um Punkt 9.00 Uhr eines bestimmten Tages für Kurse beim Hochschulsport anmelden. Sie wissen, dass sie um 9.02 meist keine Chance mehr haben. Aber einen derartigen Stress halst sich Hans-Peter nicht auf.
Hans-Peter sieht auch keinen Sinn darin, ebay-Kleinanzeigen nach Fahrrädern zu durchforsten, denn die öffentlichen Verkehrsmittel der von Baustellen erlösten Stadt Augsburg bereiten bekanntlich keinerlei Probleme.
Ja, Hans-Peter ist ein wenig anders als seine Kommilitonen, aber eines haben sie dennoch gemeinsam: Jeder saugt den Inhalt der neusten Ausgabe von presstige förmlich auf. Die einen mehr des Informationsgehalts Willen, die anderen mehr, um sich zu amüsieren. Davon abhalten lässt sich jedenfalls keiner – völlig zu Recht.