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Wie das Deepnet Methkochen lehrt

Im Jahr 2008 berichtete die New York Times über die Eintrillionste Webadesse, welche mit der Suchmaschine Google verlinkt wurde. Das ist sicherlich längst überholt – jedoch ist Fakt, dass diese Zahl nur einen Bruchteil der Datenmenge des gesamten Webs darstellt. Wo befindet sich also der große Rest? Und was ist dort möglich?

Themenwoche_Deepnet_1200pxText: Nadja Hanselmann und Milan Ziwich, Illustration: Marina Schröppel

Jenseits des gecrawlten Webs, also dem Teil der duch geläufige Suchmaschinen wie Yahoo, Bing und Co durchsucht wird, befindet sich das Deep Net.

Dieser Teil des WWWs, auch hidden web genannt, birgt Finanzinformationen, Einkaufskataloge oder Bibliotheksdatenbanken, welche nur durch Anfragen oder spezielle Passwörter aus Datenbanken generiert werden. Oftmals sind die Nutzer nicht zurückverfolgbar – also idealer Nährboden für alle Aktivitäten, die im Dunkel bleiben sollen: So wird das Deepnet für den Handel mit Drogen, Waffen oder Kinderpornographie genutzt – nur um ein paar Beispiele zu nennen. Der Fantasie sind dort keine Grenzen gesetzt.

Doch wie funktioniert das Ganze?

Das übliche Netz stellt immer eine direkte Verbindung mit dem Server der jeweiligen Internetseite her. Beim Deepnet wird allerdings, um einen Rückschluss auf den ursprünglichen User zu verhindern, eine Brücke über mehrere Server geschlagen. Der Autor Clemens Setz erklärt das in der Zeit so: „Mann betritt das Internet so, als würde man einen Fluss überqueren, indem man über die Rücken verschiedener Krokodile springt. Innerhalb kurzer Zeit ändert sich die Reihe der Krokodilrücken, und der Datenstrom zwischen dir und der angewählten Seite nimmt einen neuen Riesenumweg.“

Schwerpunkt: Internet

Auch wenn wir es mit der NSA und anderen Datensammlern teilen müssen: Das Internet bleibt unser Zuhause. Wir essen und schlafen vorläufig noch analog, aber sonst findet unser Leben zunehmend im Netz statt. Darum widmet die presstige-Redaktion dem Internet einen Schwerpunkt. Alle bisher erschienenen Beiträge sind hier gesammelt.

Die Datenmengen, welche übertragen werden wenn eine Website abgerufen wird, sind durch eben diesen Umweg deutlich langsamer als im clear Web.

Sehr vereinfacht muss man sich vorstellen, dass das Deepnet über andersartige Browser funktioniert, welche private services oder hidden services anbieten. Es wird auf Internetseiten meist illegale Ware angeboten. Man sucht also, und die Ergebnisse werden dann aufgelistet wie bei einer uns bekannten Suchmaschine. Die clients finden dort Listen von Links für Geldwäsche-Services, Killerdiensten oder gestohlenen Diamanten. Ganz offen wird das alles angeboten.

Selbst die Bezahlung erfolgt völlig spurenlos durch sogenannte Bitcoins. Die Währung wurde ursprünglich konzipiert, um Sicherheit bei internationalen Geschäften zu gewährleisten. Diese Geldeinheiten werden innerhalb eines von Nutzern aufgebauten Netzwerkes verschoben und können problemlos an jeder Online-Börse in reale Währungen umgetauscht werden. Buisnessinsider veröffentlichte im Dezember 2013 eine Statistik, nach welcher die Hälfte aller Bitcoins im Deepnet von 927 Personen gehalten werden. Durch die Begrenzung dieser Bitcoins sind sie ähnlich zu verstehen wie Aktien. Diverse Staaten versuchen derzeit zusätzlich, sie zu versteuern.

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Das Onionland

 „The Onion Router“ oder kurz „Tor“ ist der übliche Browser mit dem auf das Deepnet zugegriffen wird, welcher ganz einfach und kostenlos im clear Net heruntergeladen werden kann. Im Grunde genommen ist Tor auch mit anderen Browsern (Firefox, Opera) zu vergleichen, er dient als Oberfläche um einzelne Seiten aufzurufen. Der Unterschied ist nur die Vorhergehensweise des Verbindungsaufbaus, wir erinnern uns an die Krokodilrücken. Also ist die eigentliche Idee hinter „The Onion Router“ ein Netzwerk welches vollkommen anonym genutzt werden kann. Für den Inhalt selbst sind nur die jeweiligen Internetseitenbetreiber zuständig.

Eine dieser Websites, welche im Deepnet groß war, ist Silk Road. Die Seidenstraße ist an sich eine Verkaufsplattform – nur, dass durch die Anonymität illegale Ware angeboten werden kann, und deswegen auch wird. Man stelle sich Amazon vor auf dem man die neuesten Cannabissorten suchen, und nach Gramm kaufen kann.

Im Fall von Silk Road konnte die Justiz aber Einhalt gewähren. Der Betreiber wurde vom FBI geschnappt, und die Seite gesperrt, weil er unüberlegterweise im clear Net fragte, wie er seine Website sicherer machen kann.

Doch nicht nur der Handel mit illegalen Waren ist Inhalt des Deepnet. Auch die Pornografie und die uneingeschränkte Wissensvergabe gewinnt durch die Anonymität des Tor-Netzwerks.

Mein kamfp

So werden gleich auf dem „hidden Wiki“, also ein Wikipedia des Deepnets, Links angeboten, die einen Schaudern lassen. So hat die Abteilung „Adult“ neben kommerziellen und nichtkommerziellen Pornoseiten auch die Unterabteilungen „Under Age“ und „Animal Related“.

Auf der Seite noreason findet man neben durchaus nützlichen Texten zu Wissenschaften auch Waffenpläne und Meth-Rezepte.

Dieser uneingeschränkte Wissensaustausch dient auch Whistleblowern ihr Wissen zu verbreiten, welchen im hidden Wiki eine extra Rubrik gewidmet ist.

Anonymität ist, was die User daraus machen

So stellen wir uns also die Frage, warum diese hemmungslosen unkontrollierten Datenströme, auch Tor Relays genannt, in der scheinbar so durchsichtigen virtuellen Welt möglich sind. Warum ist es möglich, dass Menschen in Deep Net Foren nach “Dolls”, also Kindern mit abgeschnitten Gliedmaßen aus Drittländern, fragen und sich über die Kosten oder Problematiken des Versands austauschen OHNE dabei direkt hinter Schloss und Riegel zu wandern?

Theoretisch wäre eine Überwachung eines jeden Knotenpunktes möglich – jedoch denken wir nur einmal an die riesigen benötigten Datenmengen und den Fluss mit den Krokodilrücken. Morgen kann der Weg zum Ziel schon ganz anders aussehen, die Anbieter wechseln, verschwinden und tauchen auf wie die Krokodile. So ist diese Überwachung praktisch jetzt noch undenkbar, und vielleicht ist diese Überwachung auch unnötig.

nochmehr dorgen

Die Kriminalität dieses Netzwerkes besteht nicht dadurch, dass Anonymität gewährleistet ist, sondern was die Nutzer aus der Anonymität machen. Gerade zu Zeiten, in denen Smartphones immer wissen an welchem Platz wir uns befinden, in denen wir selbst Online-Communities unüberlegt unser Leben preisgeben, und jeder unserer Schritte im Internet zurückverfolgbar ist, ist der Wunsch unerkannt zu bleiben nur verständlich. Die Kriminalität entstand, weil auf dieser Plattform nach Kriminalität gesucht wurde. Dies würde sich ändern, wenn die Nutzer andere Interessen verfolgen würden – Angebot folgt auf Nachfrage.

Die größte Anzahl der ungefährlichen Interessenten an einem anonymen Netz fällt aber dadurch weg, dass das Online-Streaming von Filmen und Serien durch die langsame Verbindung unmöglich ist.

Zwar handelt es sich dadurch auch um eine Art Kriminalität. Doch man könnte sich doch vorstellen, dass selbst der letzte arme, ausgebeutete Hollywoodschauspieler in Beverly Hills gefallen daran finden könnte, dass sich lieber Menschen für umsonst ihr Gesicht ansehen wollen, als Drogen kaufen.

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