Ersti sein: Ein Eierlauf von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen

Eine typische Abart des studentischen Verhaltens hat bisher leider nur geringe Beachtung gefunden: Das „Ersti-Sein“. Nun neigt sich das Semester dem Ende zu und es wird Zeit für ein Resümee der vergangenen Wochen. Zeit also, um sich einmal Gedanken zu machen: Wie sollte sich ein Augsburger Student im ersten Semester verhalten? Alles dazu und was ein Probe-Abo der F.A.Z. damit zu tun hat, erfahrt ihr heute in unserer Kolumne „Student sein“.

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Text: Rebecca Naunheimer, Illustration: Marina Schröppel

Wir alle haben einmal klein angefangen. Genauer gesagt: als Ersti. Und ich möchte fast meinen, diese Zeit ist die wohl prägendste in unserer Studienlaufbahn – jedenfalls was das Student-Sein im größeren Kontext angeht. Wie ein Kind in der Früherziehung macht ein Augsburger Ersti zuweilen einige prägende und wahrlich auch traumatische Erfahrungen. Es macht sich ein Verhalten bemerkbar, das im Fachjargon wohl unter dem Begriff „Trial and Error“ zu fassen ist und einem sportlichen Wettkampf gleicht, der einem Eierlauf in Anmut und Ausführung in nichts nachsteht. Von der „AH“, der Alten Herren-Riege im Sportverein „Universität“, werden die Neuzugänge dabei wissend belächelt oder dissend belacht.

Erstis im sportlichen Wettkampf

Der Wettkampf wird in vier Disziplinen ausgetragen, die jeweils mit einer Bestnote zu absolvieren sind: Campus, Mensa, Bibliothek und Nachtleben. Der erste Wettkampf-Schauplatz ist der Augsburger Campus, genauer der Korridor zwischen den Gebäuden A, C, L und M. Zu beachten ist dabei, den verschiedenen Verlockungen am Rande des Weges NICHT zu widerstehen. Ein jeder Ersti der Augsburger Schule sollte mindestens ein Probe-Abo der F.A.Z. oder der Süddeutschen Zeitung besessen haben. Denke ich an mein erstes Semester zurück, so habe ich diese Aufgabe wohl erfolgreich gemeistert: Ich verkaufte meine Seele an den Höchstbietenden, den Mann der F.A.Z. mit dem Leibnitz „Pick-up“. Die volle Punktzahl in dieser Disziplin erreicht jedoch nur, wer sein Abo kostenpflichtig mindestens einen Monat weiterführt.

Disziplin zwei: Die Mensa

Der zweite Programmpunkt im Wettkampf um den Titel „Ersti der Uni Augsburg“ ist das Essen in der Mensa. Hierbei sollte der Sportler vor allem eines zeigen: Überforderung. Dass das immens anmutende Angebot eigentlich nur trügt, sollte erst zum zweiten Semester realisiert werden. Extra Punkte gibt es in dieser Disziplin für: wiederholte Versuche mit Bargeld zu bezahlen und das ungeduldige Warten darauf, dass die Mitarbeiter der Mensa den eigenen Salat auf die Waage stellen.

Disziplin drei: Die Bibliothek

Das „Mensieren“ erfolgreich absolviert, sollte der erste Gang in die Universitätsbibliothek getätigt werden. Hierbei gilt es unbedingt darauf zu achten, möglichst viel Krach zu schlagen. Wie mir erfolgreiche Absolventen dieser Disziplin unlängst berichteten, eignen sich dazu insbesondere das eigenverantwortliche Ausleihen von Präsenzbestand, schamfreies Reden zwischen den Regalen, lautes Hantieren mit metallischen Stifteboxen und das Mitführen von Mänteln oder Laptoptaschen. Wer dagegen zwei Euro für den Spint im Eingangsbereich mit sich zu führt, gilt als disqualifiziert.

Disziplin vier: Das Nachtleben

Hat der Ersti bisher alle Disziplinen gut absolviert, sollte er sich dem Augsburger Nachtleben widmen. Dabei ist es unerlässlich, die Partyplanung vom Freikarten-Angebot auf dem Campus abhängig zu machen. Im Yum Club oder im Touch Club sollte jeder gute Augsburger Student aus diesem Grund schon einmal gewesen sein. Sonderpunkte gibt es in dieser Disziplin für das restlose Aufbrauchen aller Gutscheine, den Verlust der Jacke an der Garderobe, eine positiv ausfallende Bilanz des Abends und das Wiederkehren am Folgewochenende. Keine Wertung!

Und warum nun muss ein Erstsemester diesen Wettkampf bestreiten? Mit einem Wort: Sozialisation. Damit der Uni-Alltag geregelt vonstattengehen kann, muss der Ersti Grenzerfahrungen machen. Wie gesagt: Trial and Error. Den Eierlauf von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen hat der Ersti dann gemeistert, wenn die letzten Zeitungsabos storniert, die letzten Salate gewogen, die letzten Gespräche in der Bib geführt und die letzte Freikarte für den Yum Club aufgebraucht sind. Und nur dann kann der Ersti in die altkluge Gesetztheit der höheren Semester übergehen. Wie diese zu beschreiben ist, möchte ich gerne anhand eines Beispiels verdeutlichen: Feueralarm in der Mensa. Die Sirene dröhnt. Keine Regung.

Und was denkt ihr? Was macht einen Ersti zu einem Ersti?

Alle Folgen der Kolumne “Student sein” von Rebecca Naunheimer kann man hier nachlesen.

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