Sozialkaufhaus Contact: Ein Ort der Begegnungen

Second Hand wird immer beliebter – das zeigen Konzepte wie Kleiderkreisel oder Facebook-Gruppen wie der Augsburger Mädchenflohmarkt zu Genüge. Dass es dabei nicht nur um billig Einkaufen geht, macht das Sozialkaufhaus Contact in Haunstetten deutlich.

Text: Petra Maier, Fotos: Petra Maier & Natalia Sander
Text: Petra Maier, Fotos: Petra Maier & Natalia Sander

Von außen erweckt das Areal einen eher unscheinbaren Eindruck. Das Gebäude erinnert an eine Art große Lagerhalle – was es gewissermaßen auch ist. Dass drinnen eine Fundgrube für Schätze aus nahezu allen Dekaden des letzten Jahrhunderts wartet, bleibt von außen unersichtlich. Neben der schwarzen Eingangstür befinden sich mehrere metallene Regale, die über und über mit Blumentöpfen voll sind. Irgendjemand hat sie nach Farben sortiert. Mich überkommt ein wenig das Gefühl, in einem Gartencenter zu sein.

Als ich die quietschende Türe öffne und ins Innere des Sozialkaufhauses trete, ändert sich dieser Anschein aber schlagartig. Meine Augen wissen ob der vielen Eindrücke nicht so recht, wohin sie wandern sollen: Auf der linken Seite der großen Fläche türmen sich in silbern schimmernden Regalen stapelweise Handtücher, Bettwäsche, Schuhe, Mützen und Schals. Weiter hinten begegnen mir Kleiderständer, die Mäntel, Blusen und Pullover aus vergangenen Jahrzehnten tragen; darunter Jeanshosen mit Schlag aus den Siebzigern, ein braunkariertes Sakko aus Tweed und eine rosa Kinder-Jogginghose. Ich frage mich, wem diese Sachen wohl alle einmal gehört haben.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Haushaltsecke. Dort gibt es jegliche Art von Geschirr, die man für die erste Studentenbude gebrauchen kann: Von Plastiksieben über Tassen aus handbemaltem Porzellan und großen Teflonpfannen ist alles dabei. Die Regale stehen alle sehr eng beieinander, sodass ich aufpassen muss, mit meiner Handtasche nicht aus Versehen ein Regal abzuräumen. Es riecht hier etwas nach altem Keller. Ein paar Schritte weiter riecht es gleich ganz anders – nach Büchern. Auch hier ist nicht viel Platz zwischen den Regalen. Ich komme mir vor wie in einem Labyrinth. Zwar sind die Bücher nach Genre geordnet, doch stehen die Regale so verwinkelt, dass es mir anfangs schwerfällt, den Überblick zu bewahren.

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Täglich sechs Tonnen Neuware

Die Masse an Ware überfordert mich. Sechs Tonnen Neuware kommen täglich rein, erzählt Roswitha Kugelmann, die Mitbegründerin des Sozialkaufhauses (hier ein Interview). Einerseits holen drei Transporter nach Absprache Möbel aus Privathaushalten ab, anderseits bringen viele Leute die Dinge, die sie nicht mehr brauchen, selbst hierher. Darunter ist so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann: Kleidung, Geschirr, Spielzeug, Fahrräder, Elektroartikel und vieles mehr. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, meint Roswitha Kugelmann. „Und wenn wir es heute nicht haben, dann kriegen wir es morgen.“

In vier großen Verkaufshallen wird die Ware – nachdem sie ausgiebig sortiert und teilweise in einer kleinen Werkstatt aufgearbeitet wurde – zum Verkauf angeboten. Seit vier Jahren befindet sich das Sozialkaufhaus auf diesem Gelände. Angefangen haben die Initiatoren mit einem kleinen Laden in Alt-Haunstetten, danach ging es weiter mit einem größeren Geschäft in der Friedberger Straße – nicht zu vergleichen mit der heutigen Fläche von 4000 Quadratmetern. Das Schönste an den größeren Räumlichkeiten ist für Roswitha Kugelmann, dass sie mehr Leute beschäftigen kann.

Ungefähr 120 Personen arbeiten hier – teilweise sind sie festangestellt, teilweise beteiligen sie sich auf freiwilliger Basis an dem Konzept. Die meisten von ihnen wären für den ersten Arbeitsmarkt nicht mehr fit genug, erklärt sie. Obwohl die Preise so niedrig wie möglich gehalten werden, sollen viele Menschen hier arbeiten können. Noch wichtiger findet es Roswitha Kugelmann aber, dass die Angestellten auch Anschluss finden: So gibt es mittags für alle Mitarbeiter ein warmes Essen, das in einer winzigen Küche zubereitet wird. Die Lebensmittel dafür werden von einer Bäckerei in der Umgebung und einem Discounter gespendet.

Ausgabe 26: MachtDieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 26 unseres gedruckten Magazins.

Der Name ist Programm

Für die 59-Jährige ist es außerdem wichtig, dass jeder hier einkaufen kann – auch ohne Berechtigungsausweis, wie es in anderen Sozialkaufhäusern gefordert wird. Denn für einen kleinen Geldbeutel sollte man sich nicht auch noch ausweisen müssen, findet Roswitha Kugelmann. Durch die große Menge an Ware entsteht einerseits ein unglaubliches Einkaufsparadies – man findet hier wahrscheinlich aus jeder Epoche des 20. Jahrhunderts etwas – andererseits wird aber auch der Umwelt geholfen: Vieles, was sonst auf dem Müll landen würde, kann so noch einen neuen Besitzer glücklich machen.

In erster Linie ist das Sozialkaufhaus aber ein Ort der Begegnungen: In einem kleinen Café können sich die Kunden bei kostenlosem Kaffee, Tee und Gebäck etwas stärken und ins Gespräch kommen. Daneben wird regelmäßig Deutschunterricht für Ausländer angeboten und es gibt eine Strickrunde, der man sich unverbindlich anschließen kann. Daher wurde auch der Name Contact gewählt: Die Leute sollen hier die Möglichkeit haben, mit Anderen in Kontakt zu kommen, mit denen sie sonst vielleicht nichts zu tun hätten. Der Begriff kommt aus dem Französischen, bedeutet so viel wie „Berührung“ und steht für neue Begegnungen und ungewohnte Situationen, an die man sich langsam herantastet – immer darauf bedacht, Anderen zu helfen.

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Sozialkaufhaus Contact

Im Tal 8
86179 Augsburg
Tramlinie 3 Richtung Haunstetten West, Haltestelle Hofackerstraße
Öffnungszeiten: Mo. – Fr.: 10 – 19 Uhr, Sa.: 8 – 18 Uhr
Mehr Infos erhaltet ihr unter: http://www.contact-in-augsburg.de

 

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