“Wir wollen wirklich sozial sein”

Seit sich Ebay Ende der 1990er-Jahre in Deutschland etablierte, floriert die Secondhand-Branche ohne Ende. Gebrauchtes gilt als chic und wird oft als Vintage angepriesen. Wir sprachen mit Roswitha Kugelmann, der Leiterin des Sozialkaufhauses Contact in Haunstetten.

Presstige: Wie darf man sich das Konzept hinter dem Sozialkaufhaus Contact vorstellen? 

Roswitha Kugelmann: Es gibt generell verschiedene Sozialkaufhäuser. Bei manchen darf man zum Beispiel nur gegen Berechtigungsausweis einkaufen kann,  das hat steuerrechtliche Gründe. Wir aber sind ein offenes Kaufhaus, bei uns ist jeder willkommen. Wenn wir nur an Bedürftige verkaufen würden, könnten wir die Größe nicht finanzieren. Dadurch wäre auch die Auswahl kleiner. Für mich ist es sehr wichtig, dass jeder bei uns einkaufen kann – auch ohne Berechtigungsausweis. Denn für einen kleinen Geldbeutel muss man sich nicht auch noch ausweisen. Den haben eben nicht nur Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger, sondern auch beispielsweise Rentner oder Studenten.

Die 59-Jährige Roswitha Kugelmann leitet das Sozialkaufhaus Contact.
Die 59-Jährige Roswitha Kugelmann leitet das Sozialkaufhaus Contact.

Was für ein Leitgedanke steckt dahinter?

Uns ist wirklich wichtig, dass wir ein Sozialkaufhaus sein können, das sozial ist. Und dass wir die Preise so niedrig wie möglich halten können, damit viele günstig einkaufen können. Gleichzeitig wollen wir trotzdem ganz vielen Leuten eine Beschäftigung geben.Wir helfen also einerseits den Menschen, die hier Arbeit, aber auch Anschluss finden. Und andererseits den Leuten, die etwas abzugeben haben, sodass es nicht in der Mülltonne landet. Das ist uns wichtig, dass wir nicht nur soziale Arbeit leisten, sondern dass wir auch etwas für die Umwelt tun.

Wie viele Menschen arbeiten bei Ihnen?

Wir haben momentan sechzig Personen festangestellt, daneben gibt es circa sechzig Freiwillige. Teilweise beteiligen sich auch Praktikanten oder Studenten, die über das Do-it-Programm zu uns kommen. Für uns ist es schön, dass unsere Mitarbeiter das nicht nur als irgendeinen Job ansehen, sondern mit Herzblut dahinterstehen. Weil sie eben merken, dass man so viel erreichen, viel vorm Wegwerfen bewahren und vielen Leuten helfen kann.

Wie ist das, wenn ich größere Ware wie Möbel habe, die ich gerne abgeben möchte, aber nicht selbst vorbeibringen kann?

Man ruft einfach an und macht einen Termin aus. Einer unserer drei Transporter kommt dann vorbei und holt die Sachen ab. In der Regel sind wir zwei Wochen im Voraus ausgebucht, die Transporter fahren wirklich pausenlos. Wenn man etwas abgeben will, dann sollten das aber schon Sachen sein, die noch gut zu gebrauchen sind. Für Sperrmüll ist die Stadt Augsburg zuständig.

Das Sozialkaufhaus Contact ist ein Bestandteil des Contact e.V., den es bereits seit 1999 gibt. Anfangen haben die Initiatoren mit einem kleinen Laden in Alt-Haunstetten, die heutige Fläche misst 4000 Quadratmeter. Neben vier verschiedenen Ausstellungsflächen gibt es auch ein kleines Café, eine Hochbeetanlage und ein paar kleine Wohnwägen, in denen Deutschunterricht gegeben wird und eine Strickrunde stattfindet.

Adresse: Im Tal 8, 86179 Augsburg (Linie 3, Richtung Haunstetten West, Haltestelle Hofackerstraße)
Öffnungszeiten: Mo-Fr: 10-19 Uhr, Sa: 8-18 Uhr
Weitere Infos: www.contact-in-augsburg.de oder auf Facebook

Gibt es denn Dinge, die besonders gut laufen? Oder welche, die eher Ladenhüter sind?

Das Erstaunliche ist, das eigentlich alles gut läuft. Manches geht gleich wieder raus, manches liegt halt ein bisschen länger hier, bis es jemand entdeckt. Bei der Kleidung legen wir jeden Tag ein paar hundert Stücke nach, die dann auch wieder verkauft werden. Und bei den Büchern gibt es alle drei bis vier Monate eine Sonderaktion, wo jedes Buch nur zehn Cent kostet. Es gibt so gut wie nichts, was wir letztendlich wegwerfen müssten. Wenn wir wirklich zu viel Ware haben, spenden wir die nach Rumänien.

Was haben Sie für die Zukunft geplant?

Gerade planen wir ein ganzes Contact-Dorf. Das soll wirklich eine größere Sache werden: Wir wollen ein soziales Ökodorf schaffen. Es gibt ja viele Lebensgemeinschaften, wie WGs, so ähnlich soll das auch funktionieren. Aber auch, dass man sich ein Stück weit selbst versorgt, eigene Lebensmittel anpflanzt usw. Wir haben dafür mit zwei Studenten aus dem letzten Do-it-Programm ein Konzept erstellt und sind gerade dabei, das auszuarbeiten.

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