Mit einem Bier gewappnet, starte ich in die Augsburger Clubszene. Meine Mission: Tausche dich durch die Nacht. Von billig zu teuer. Von klein zu groß. Dieser Selbstversuch erzählt von harten Geschäften, lockeren Angeboten, einem halben Strip Club-Dollar und davon, dass Alkohol auch keine Lösung ist.
Bier gegen Lippenstift
Mein Versuch beginnt am Samstag, den 10. Januar 2015, in der Augsburger Maximilianstraße. Der gut durchdachte Startgegenstand: eine wohltemperierte Flasche Augustiner. Neben dem Hotel „Steigenberger Drei Mohren“ treffe ich auf meine ersten Tauschpartner, eine Gruppe Mädels. Sie sehen durstig aus. Und reich. Also frage ich, ob sie gerne etwas gegen mein Bier tauschen wollen. Zu meiner Überraschung erhalte ich den ersten Gegenstand des Abends, einen Lippenstift. Angeblicher Wert: 35 Euro.
„Was denkst du, was ich am Ende des Abends mit nach Hause nehmen könnte?“, erbitte ich von der netten Besitzerin noch eine Prognose. Sie sagt: „Ein Männershirt.“ „Darauf habe ich auch spekuliert“, gestehe ich ihr. Dass wir damit beide falsch liegen, soll sich im Laufe der Nacht noch zeigen. Zuvor eine kurze Lagebesprechung: Auf Basis einer komplizierten Berechnung zur Maximierung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Tauschkontaktes entscheide ich, den Versuch in der Augsburger Maha Bar weiterzuführen.
Lippenstift gegen Bier
Dort erstickt die anfängliche Euphorie über den Lippenstift schnell in den muffigen Katakomben und der bitteren Erkenntnis, einen methodischen Fehler begangen zu haben. Mit dem geschlechtsspezifischen Gegenstand habe ich die Gruppe meiner potenziellen Tauschpartner mal eben um die Hälfte dezimiert. Verdammt.
Wie ein gruseliger alter Mann auf Aufreißer-Tour geiere ich also um die Frauen auf der Tanzfläche herum. Als ich die Ersten anspreche, ihnen vom Schneid und Wert des Lippenstifts berichte, blitze ich ab. Sie hätten überhaupt nichts zum Tauschen dabei, sagen sie. Damit macht sich der zweite methodische Fehler bemerkbar: Wenn sich schon in den Handtaschen der Mädels nichts für mich finden lässt, wie enttäuschend mag es dann in den Hosen der Jungs aussehen?
Schwerpunkt: Geld
Das Studentenleben dreht sich häufiger darum, als uns manchmal lieb ist: Geld. Ganz egal, ob wir es brauchen, um es in Bier zu investieren, den Kühlschrank zu füllen oder es für unsere kleinen Träume zurückzulegen. Darum widmet die presstige-Redaktion dem Geld einen Schwerpunkt. Alle bisher erschienenen Beiträge sind hier gesammelt.
Aber ich lasse nicht locker, frage weiter. Versuche möglichst sympathisch zu wirken, nicht gruselig. Also lache ich. Ich lache über jeden Witz, jeden Spruch, der mir begegnet. Hier und da klingt mein Lachen schrill und hysterisch. Vielleicht bringen meine Bemühungen auch deshalb keine Ergebnisse. Immer noch halte ich den verdammten Lippenstift in der Hand.
Aus Verzweiflung treffe ich eine folgenschwere Entscheidung: Ich gehe zur Bar. Nicht, was ihr jetzt denkt – wobei Saufen durchaus eine nette Idee gewesen wäre. Nein, ich habe entschieden, die Logik des Versuchs zu brechen und zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Dazu pirsche ich mich an eine sympathisch aussehende Blondine heran und frage: „Würdest du mir ein Bier kaufen, wenn ich dir diesen Lippenstift schenke?“ Mit dem Schneid einer Verkäuferin im Teleshopping mache ich mit meiner Hand eine fragwürdige Präsentationsbewegung und halte ihr den Lippenstift erwartungsvoll entgegen. Sie begutachtet ihn, wirkt nicht abgeneigt. Beinahe interessiert. Beiläufig erwähne ich, dass er einmal 35 Euro gekostet hat. Sie willigt ein. Im nächsten Moment halte ich wieder ein Bier in der Hand.
Mit meinem Bier streife ich erneut durch den Club, erwartungsvoll und optimistisch. Berechnend spreche ich zwei Jungs an – ich halte sie für sehr männlich und bier-affin, da tätowiert und gepierct. Sie lehnen ab. „Wir haben nichts zum Tauschen“, sagen sie. Aber ich versuche es erneut, und setze einen Blick auf, von dem ich denke, dass er ziemlich süß aussieht. So irgendwie. Jetzt bietet mir einer der Jungs seinen Kollegen an: „Du kannst ihn haben!“ Ich fühle mich geschmeichelt, lasse jedoch durchblicken, dass ich verzichte. Ich halte ihn für schlecht eintauschbar. In meinem Augenwinkel sehe ich, dass er, das Tauschobjekt, darüber erleichtert ist. Er wirkte zuletzt ängstlich und ablehnend. Als ich weggehe, frage ich mich, ob er dachte, ich hätte K.-o.-Tropfen in das Bier gemischt. Außerdem überdenke ich meinen süßen Blick.
Mit frischer Miene versuche ich es erneut bei einem dynamischen Männer-Gespann. Diesmal läuft es ein bisschen besser. Und auch komischer. Es folgt die vielleicht verstörendste Konversation des Abends und die Erkenntnis, dass Alkohol eben auch keine Lösung ist. All das lest ihr morgen in Teil 2 des Selbstversuchs.