Wenn sich Weltstars wie Ashton Kutcher, Victoria Beckham oder Will Smith einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf schütten lassen und dies in aller Öffentlichkeit teilen, kann es sich nur um einen PR-Gag oder um den neusten Internettrend handeln.
2014 war das Jahr der Herausforderungen in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co.. Zuerst gab es die umstrittene Biernominierung Anfang letzten Jahres, bei welcher jeder nominierte innerhalb von 24 Stunden einen halben Liter Bier „auf ex“ austrinken, oder dem Herausforderer bei Nichtbestehen einen Kasten Bier spendieren musste. Dann folgte die Ice Bucket Challenge. Diese hatte allerdings einen ernsteren Hintergrund: Die Krankheit ALS.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Muskelschwund erkranken jährlich zwei bis drei von 100.000 Personen an der Nervenkrankheit Amyotrophie Lateralsklerose (kurz ALS). Die Heilungschancen dieser Krankheit, welche das motorische Nervensystem und somit die Atmung, die Schluck-, Kau-, und Sprachmuskulatur sowie weitere Körperpartien schrittweise bis zum Stillstand lähmt, sind gleich null. Eine Therapie, die zur Heilung verhilft, wurde trotz langjähriger Forschung bisher noch nicht gefunden. Ob die Krankheit vererbbar ist, bleibt unter Experten umstritten.
Somit sollte es später Ziel der Ice Bucket Challenge werden, in Forschungsverbänden neue Mitglieder zu akquirieren und Spenden zu sammeln, um der Medizinwissenschaft die fehlende finanzielle Unterstützung zu ermöglichen. Vermutlich aus einer vorausgehenden Internet-Aktion mit kaltem Wasser resultierend, wurde die Ice Bucket Challenge durch eine Live-Ausstrahlung der „Golf Channel Morning Show“ bekannt. Dort ließ sich der Gefilmte einen Eimer mit Eiswasser über den Körper schütten, um so auf die Nervenkrankheit ALS hinzuweisen. Kurz darauf absolvierte der Golfer Chris Kennedy die Herausforderung und nominierte online Familienmitglieder, es ihm gleich zu tun. Der ehemalige US-Baseball-Star Peter Frates – selbst ALS-Erkrankter und Mitglied der Stiftung „A Life Story Foundation“ – wandelte die ursprüngliche Aktion daraufhin in eine Spendenkampagne für die „ALS Association“ um und nominierte Sportkollegen. Viral verbreitete sich die Ice Bucket Challenge binnen weniger Tage über alle sozialen Netzwerke.
Durch die hohe Präsenz von Weltstars und Prominenten aus allen Ländern erreichte die Kampagne schnell hohe Bekanntheit: Allein der „ALS Association Washington“ wurden bis Juli 2014 94,3 Millionen US-Dollar gespendet. Jeder Fernsehsender berichtete über den großen Erfolg der Spendenaktion und interviewte ALS-Kranke, die sich zumeist sehr darüber freuten, dass der schweren Krankheit endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Doch wie viel Ernsthaftigkeit steckt hinter veröffentlichten Videos wie dem von Helene Fischer, die sich im sexy Bauchfrei-Outfit das „Eis“-Wasser über den Körper schüttete und dabei kindlich in die Kamera quiekte?
Oder Charly Sheen, der zwar spendete, sich im Video aber demonstrativ haufenweise Geldscheine über den Kopf warf? Wie groß ist die Spendenbereitschaft bei Teenagern, die ihre peinlichen Videos allein mit dem Ziel von Aufmerksamkeit und Ansehen online stellen? Wie viel Verständnis können Stars wirklich für die Betroffenen und deren Angehörige aufbringen, ohne auch nur ein bisschen auf gute PR aus zu sein? Wie fühlen sich Erkrankte und Angehörige, wenn Nachrichten von ersten Todesfällen bei der Ice Bucket Challenge durch die Medien gehen, weil die Videos immer härter, gefährlicher und spektakulärer werden müssen? Ist der heutigen Gesellschaft bewusst, welche Auswirkungen ein Post in einem sozialen Netzwerk haben kann, wenn man sich mit den Gesetzen der Medien nicht auskennt?
Mein Opa starb an ALS. Trotz des immensen Spendenaufkommens in Millionenhöhe – ich bin dankbar für jeden Cent der für die ALS-Forschung gesammelt wurde – kam für ihn jede Hilfe zu spät. Ich selbst habe kein Video veröffentlicht und ich habe auch nicht über jedes Video lachen können. Ich frage mich bis heute, was er zu diesem Hype und dem Wandel der heutigen, mediatisierten Gesellschaft gesagt hätte.
Schwerpunkt: Geld
Das Studentenleben dreht sich häufiger darum, als uns manchmal lieb ist: Geld. Ganz egal, ob wir es brauchen, um es in Bier zu investieren, den Kühlschrank zu füllen oder es für unsere kleinen Träume zurückzulegen. Darum widmet die presstige-Redaktion dem Geld einen Schwerpunkt. Alle bisher erschienenen Beiträge sind hier gesammelt.