Rebellion am Mikrofon: Laut singen sie von Freiheit

Über Freiheitskämpfer mit Gitarre und Punk-Outfit in Myanmar

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Text: Tamina Andrasch – Fotos: Kultureshock

Die Punk-Kultur in Myanmar (Südostasien) rebelliert gegen die Militärdiktatur und für Meinungsfreiheit im eigenen Land. Nach dem Ende der Diktatur machen sie sich nun auch für andere sozialkritische Themen stark.

Buntgefärbte Irokesen, Lederjacken und ein wummernder Bass…Was auf den ersten Blick klingt, wie ein Konzert der Sex Pisols oder The Clash in den 80er Jahren, könnte sich auch ganz aktuell in Myanmar abspielen– auf einem Konzert der Band Kulturshock. In Rangun, der Hauptstadt der ehemaligen Militärdiktatur, erlebte die Punk-Szene in den letzten Jahren einen regelrechten Höhenflug, welcher allerdings nicht ganz freiwillig entstand.

 

Rebellen in einem traditionsreichem und zerrüttetem Land

Bis 2010 war Myanmar ein für 50 Jahre unter der Militärdiktatur isoliertes und innerlich zerrüttetes Land. Arbeitslager, Bürgerkriege, politische Gefangene und Menschenrechtsverletzungen zeichneten das internationale Bild des Landes. Diese Zustände waren der Nährboden für eine Punk-Bewegung, die zunächst vor allem gegen die herrschenden Militärs rebellierte.

Die Punks sahen sich dabei als Einzelkämpfer und standen politisch hinter der Ikone der burmesischen Opposition: Aung San Suu Kyi. Im Zentrum ihrer musikalischen Rebellion steht neben der Kritik an politischer Ungerechtigkeit, auch der Protest gegen religiöse Intoleranz. Denn Myanmar steht mit der hohen kulturellen Bedeutung seiner religiösen Tempel ganz im Zeichen des Buddhismus. Seit sich das Land mit Ende der Militärdiktatur 2010 geöffnet hat, bezieht sich ihr Protest auch auf andere Themen, wie zum Beispiel Probleme im  Bildungssystem.

 

Zwischen illegalen Konzerten und legalem Knast

Dabei waren und sind Punkrock-Bands in Myanmar alles andere als gesellschaftlich akzeptiert. Nicht nur durch ihr Äußeres grenzen sie sich ganz offensichtlich vom traditionsreichen Rest des Landes ab. Bunte, wild frisierte Irokesenfrisuren, „Fuck Capitalism“-Sticker auf den Lederjacken und Nietengürtel gehören, wie schon in den 1980ern in den USA und Großbritannien, zum täglichen Erscheinungsbild. Auftreten konnten die Außenseiter der südostasiatischen Musikkultur, zumindest während der Diktatur, nur in geheimen, heruntergekommenen Gebäuden der Stadt oder in privaten Wohnzimmern und auf improvisierten Bühnen. Noch immer gibt es sehr strenge Richtlinien für öffentliche Versammlungen und musikalische Auftritte. Legal sind diese Auftritte der rebellierenden Punks demnach auch heute meistens nicht. Für ihre politischen Äußerungen gegen die Regierung wurden schon einige der Rebellen in Haft genommen.  Auch Kultureshock-Sänger Skum saß bereits unter teils grausamen Bedingungen im Gefängnis.

Auf dem Weg in die Freiheit

Mit dem Ende der Militärdiktatur 2010 ist Myanmar einen Schritt weiter in Richtung politischer und gesellschaftlicher Freiheit gegangen. Die ehemals inhaftierte Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ist mittlerweile Parlamentsabgeordnete. Auch die Einschränkungen der Meinungsfreiheit haben sich gelockert, das Land ist offener gegenüber den Medien. Dieser Fortschritt kommt den Punk-Musikern zu Gute. Über Social-Media-Kanäle besteht jetzt die Möglichkeit zur internationalen Vernetzung – zu ihren Fans und auch anderen Bands des gleichen Genres. Dennoch ist in Myanmar immer noch nicht viel Platz für ihre Subkultur, denn auch hier liebt die Masse den Mainstream – Justin Bieber vor harter, politisch motivierter Punkmusik. Doch die Punks in Myanmar bleiben ihrer ursprünglichen Linie und ihrer selbst auferlegten Aufgabe treu. Auch jetzt noch singen und schreien sie über Ungerechtigkeiten und Intoleranz im Land der goldenen Tempel – inzwischen nicht mehr nur auf improvisierten Bühnen und Hinterhöfen.

Kleiner Tipp: Wer mehr über dieses Thema erfahren möchte: Die Dokumentation „Yangon Calling – Punk in Myanmar“ der deutschen Produzenten Alexander Dluzak und Carsten Piefke ist sehr zu empfehlen.

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