Kurzrezension von Jean-Paul Didierlaurents Romandebüt „Die Sehnsucht des Vorlesers“
Ein grauer Sonntag im Mai, am Tag darauf heller Sonnenschein, dazwischen liegt ein Buch. Regelrecht verschlungen habe ich die Geschichte des Guylain Vignolles, dessen Vorname und Nachname die unangenehme Eigenschaft hat, ihn beim Tausch der ersten Silben, zum „vilain guignol“, dem „dummen Kasper“ zu machen. Prägend für einen Jungen, der nun ein Mann mit dem Wunsch, unauffällig zu sein, geworden ist. Doch Guylain macht etwas Außergewöhnliches, ohne es zu merken und findet auf diesem Weg die Magie in etwas so Gewöhnlichem, wie einen handelsüblichen, roten USB-Stick.
Jean-Paul Didierlaurent hebt die Schönheit und Grausamkeit des Alltags hervor, indem er von gewöhnlichen Dingen erzählt, die sich unserer Achtsamkeit entziehen, sobald wir geschäftig durch den Tag hetzen. Wie mit der Zoom-Funktion einer Kamera holt er Gegenstände so nah heran bis wir ihre Rätselhaftigkeit wiederentdecken oder erklärt ganz ohne Erklärungen – bis zu einer überraschenden Wendung. Dadurch bleibt die Geschichte spannend und ist gleichzeitig leicht wie das Flattern vorüberziehender Buchseiten.
Ein Buch, das sein Versprechen einlöst und nicht nur von der Sehnsucht erzählt, sondern selbige beim Leser sogar weckt – die Sehnsucht nach dem einfachen Leben.
Der Autor selbst stammt als Mitarbeiter in einem Kundencenter eines Telekommunikationsunternehmens aus dem normalen Leben und das ist aus seinem Romandebüt herauszulesen, das 2015 innerhalb von vier Wochen in 26 Ländern seinen Weg in die Bücherregale fand. Selbst die Filmrechte sicherten sich französische Kinoproduzenten schon. Da können wir es kaum erwarten uns auch von der Leinwand verzaubern zu lassen.
Ausgabe 29: Europa
Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 29 unseres Magazins als E-Paper.
Buch:
Die Sehnsucht des Vorlesers
von Jean-Paul Didierlaurent
Erschienen 2015 im dtv Verlag
223 Seiten
14,90 EUR€
ISBN 978-3-423-26078-7