Streetworker und ihr Beitrag zur öffentlichen Sicherheit
Politiker, Experten und Journalisten diskutieren oft hitzig über die öffentliche Sicherheit in Deutschland. Nicht selten schwingt bei der Auswertung von Statistiken und Fallbeispielen ein recht bedrohlicher Unterton mit. Doch nur selten kommen die Personen zu Wort, zu deren Alltag es gehört, das wichtige Gut der Sicherheit in Deutschland zu schützen, die Polizisten und Sozialarbeiter. Wir sprachen daher mit dem Streetworker Martin über seinen Job und die Frage, wie sicher wir uns in Augsburg fühlen können.
„Jugendliche schlagen heute sofort zu, wenn es beim Feiern Streit gibt. Außerdem machen die ganzen Flüchtlinge unsere Straßen bestimmt auch nicht sicherer.“ Dass auch in Deutschland solche Sätze längst nicht nur am Stammtisch zu hören sind, zeigt vor allem eines: Sicherheit ist immer auch Gefühlssache. Denn objektiv betrachtet, ist es hierzulande nicht sonderlich gefährlich, woran selbst die jüngste Kriminalstatistik nichts ändern kann. Dennoch zeichnet vor allem die Politik in den abendlichen Talkshows regelmäßig ein ebenso düsteres wie abstraktes Bild von der öffentlichen Sicherheit, erst recht wenn ein großer Wahlkampf naht. Wer dabei nur selten zu Wort kommt, sind jedoch Personen, deren Berufsalltag sich in jenem Spannungsfeld aus persönlicher Freiheit und öffentlicher Sicherheit abspielt. Einer davon ist Martin, der seit September 2016 für den Stadtjugendring Augsburg in der Innenstadt als Streetworker tätig ist. Dabei betreut er vor allem Jugendliche im Alter von 14–27 Jahren, die einen Großteil ihrer freien Zeit in der Öffentlichkeit verbringen – und damit in der Diskussion gerne einmal als Risikogruppe angeführt werden.
„Für meine Zielgruppe bin ich Ansprechpartner und Vertrauensperson“, so beschreibt Martin seine Tätigkeit. „Ich biete quasi eine kostenlose Beratung auf der Straße an. Dabei helfe ich aber nicht nur Jugendlichen, die keine Wohnung haben oder mit einem Drogenproblem kämpfen. Genauso oft geht es um ganz gewöhnliche Sorgen von 15-Jährigen, wie Zoff mit den Eltern oder dem Ende einer Beziehung.“ Dabei sei Streetwork in doppelter Hinsicht aufsuchende Arbeit. Einerseits gehe es darum, mögliche Zielgruppen zu erkennen und die Plätze zu finden, an denen sie sich regelmäßig treffen. Andererseits gelte es jedoch auch, sein Gegenüber auf persönlicher Ebene dort abzuholen, wo die Person steht, betont Martin: „Ich nehme die Jugendlichen so an, wie sie sind, mit allem Gepäck, das sie im übertragenen Sinne mitbringen. Mögliche Unterschiede der Hautfarbe, Herkunft, Weltanschauung oder auch politischen Gesinnung stehen da nicht im Vordergrund.“
Kontrolle ist nötig, Vertrauen ist besser.
Um seine Zielgruppe zu unterstützen, muss Martin vor allem ihr Vertrauen gewinnen. Vom ersten Kontakt ist es häufig noch ein weiter Weg dahin. Vor allem geht es darum, ein zuverlässiger und manchmal regelrecht hartnäckiger Ansprechpartner für die Jugendlichen zu sein, die häufig kaum andere Personen kennen, denen sie sich anvertrauen können. Diese Nähe könne jedoch auch eine Quelle für Vorurteile sein, so Martin: „Manchmal wird behauptet, dass manche Streetworker Straftaten decken oder sogar im Sinne der Entwicklung der Jugendlichen gutheißen. Das stimmt natürlich nicht. Wenn ich bei der Arbeit eine Straftat bemerke, spreche ich diejenigen direkt darauf an. Eine Straftat ist eine Straftat, egal von wem oder warum sie begangen wurde.“ Das Ziel, derartige Gesetzesverstöße zu vermeiden, verbindet die Arbeit von Streetworkern und Ordnungsbehörden. Daher sehe Martin seine Rolle auch nicht im Kontrast zur Polizei: „Gesetze sind Regeln, an die sich alle halten müssen. Wenn das nicht funktioniert, ist es die Aufgabe der Ordnungskräfte, die Situation möglichst gut zu regeln. Das gilt auch für die Jugendlichen, mit denen ich arbeite. Trotzdem ist es im Ernstfall auch hier meine Aufgabe, sie zu unterstützen. Denn häufig kennen sie ihre Rechte gar nicht oder haben einfach niemand anderen, der sich für ihre Position einsetzt. Dabei kann es zwar schon einmal zu einer Meinungsverschiedenheit mit der Polizei kommen, aber insgesamt haben wir einen guten Draht zu den Ordnungsbehörden. Denn im Grunde wissen wir, dass wir das gleiche Ziel haben und nur andere Ansätze oder Methoden dafür wählen.“
Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines Redaktionsworkshops, den wir im Jugendzentrum k15 durchführten. Wir danken dem gesamten Team und dem Stadtjugendring Augsburg für die freundliche Unterstützung.
Martins Antwort auf die Frage, wie sicher er das Leben in Augsburg auf Basis seiner beruflichen Erfahrungen einschätzt, fällt beruhigend aus: „Es ist sicher so, dass es auch hier soziale Probleme gibt, die an den Jugendlichen nicht spurlos vorübergehen. Manchmal kann auch Gewalt ein Ventil für persönlichen Frust sein. Aber ich bin nicht der Meinung, dass die öffentliche Sicherheit in Augsburg gefährdet ist, oder man Angst haben muss, allein durch die Stadt zu gehen. Ein junges Mädchen sollte vielleicht nicht in allen Stadtteilen unbedingt nachts allein unterwegs sein. Aber das hat weniger mit konkreter Angst als mit dem Respekt zu tun, bestimmte Risiken nicht herauf zu beschwören.“ Vielfach habe er auch erlebt, dass Situationen falsch eingeschätzt werden: „Jugendliche treten allein wegen ihres Alters oft extrovertierter auf als die klassische Mittelschicht oder ältere Leute. Daher kann eine Gruppe junger Menschen auf die Öffentlichkeit auch schnell bedrohlicher wirken, als sie eigentlich ist.“ Insgesamt erlebe er Augsburg beruflich und privat jedoch als eine sehr friedliche Stadt, was auch für die Sicherheitsdebatte selbst gelte: „Ich halte die Augsburger für relativ freidenkerisch, alternativ und liberal eingestellte Leute. Darüber bin ich sehr froh und hoffe, dass es so bleibt.“ Diese Einstellung würde sicher auch der ein oder anderen Fernsehtalkshow gut tun.