WWW im Duell um den OB-Posten: Im Gespräch mit Martina Wild (Grüne)

„Next Stop, University“. Die Haltestelle ist menschenleer an diesem Freitagmorgen, als Martina Wild, die OB-Kandidatin der Grünen, aus der Tram steigt. Ihr Blick schweift suchend an uns vorbei. Wir kommen auf sie zu. „Nehmt ihr schon auf?“ fragt sie mit einem Augenzwinkern – sie habe schon viel erlebt in diesem Wahlkampf. „So gut sind wir nicht ausgestattet“, erklären wir lachend und laufen den Innenhof entlang zur alten Cafeteria. Erst dort beginnen unsere Handys zu lauschen – und wir mit den Fragen.

Presstige (PR): Das Thema Wohnen ist natürlich auch für uns Student*innen interessant. Deswegen die konkrete Frage: Bezahlbarer Wohnraum, was sind da ihre Vorhaben? 

Martina Wild (MW): Das Wohnen ist natürlich eines der wichtigen Themen, das nicht nur die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger sowie die Studierenden betrifft, sondern auch soziale Einrichtungen in dieser Stadt immer mehr betrifft.  Mittlerweile zieht die Preisspirale bei den Mietwohnungen, aber auch beim Eigentum dermaßen an, dass sich das Thema zu einer sozialen Frage entwickelt hat, welche nicht mehr nur die sozial schwächeren Schichten betrifft, sondern nun auch den Mittelstand. Deswegen haben die Grünen eine grüne Wohnoffensive entwickelt. Mit dieser soll geförderter Wohnraum geschaffen, die Mietpreisbindung auf 40 Jahre verlängert werden und eine adäquate Förderung von Genossenschaften und Baugemeinschaften in dieser Stadt stattfinden. Dies soll natürlich auch der Erhaltung von Milieus dienen sowie der Zweckentfremdung entgegenwirken. 

Auch beim Thema städtische Böden macht sich eine Preisspirale bemerkbar und daher sollte hier im Sinne des Gemeinwohls agiert werden. Hier wollen die Grünen zukünftig eine Bodenbevorratungspolitik betreiben und Grundstücke in Erbpacht geben. Für ein grünes, klimagerechtes und nachhaltiges Bauen in Zeiten des Klimawandels, sollen Energiestandards eingeführt und Fassaden und Dächer begrünt werden. 

Allerdings wenn man in Haunstetten sieht, wo im Gewerbegebiet mit riesigen Parkflächen, potenzielle Baufläche versiegelt wird, müsste auch hier umgedacht und integrativer gebaut werden. Wenn in Zukunft dann auch höher gebaut wird, muss hier natürlich auch mit Sinn und Sachverstand vorgegangen werden. Aber es müssen dabei auch Grünstrukturen in Form von Parks etc. geschaffen werden, sonst werden damit natürlich die sozialen Brennpunkte von morgen geschaffen. 

PR: Das nächste Thema wäre die Mobilität. Da steht ja gerade eine mögliche Ausweitung des Geltungsbereichs des Semestertickets zur Diskussion. Wäre da auch eine Ausweitung bis München, Kempten, Ulm oder Ingolstadt möglich? 

MW: Der Standpunkt der Grünen zum Nahverkehr beläuft sich auf die Vorfahrt für den ÖPNV und, dass dieser in Zukunft auch über die Stadtgrenzen hinausgeht, vor allem die Straßenbahnen. Die Linie 3 nach Königsbrunn wird nach 40 Jahren endlich realisiert und auch die Linie 5 nach Neusäß soll ausgebaut werden. Auch nach Gersthofen und Friedberg sollen die Straßenbahnen verlängert werden. 

Der Nahverkehr soll mit attraktiven Preisen locken. Wir wollen das 365-Euro-Ticket einführen, welches dann bestenfalls auch auf Landesebene gilt, und einen kostenfreien öffentlichen Nahverkehr für Jugendliche bis 28. Da wären wir dann wahrscheinlich auch aus der Diskussion um das Semesterticket raus. Das sind komplizierte Strukturen auch von Landesebene her, aber da müssen wir einfach anpacken. Wir wollen ja in Zeiten des Klimawandels nachhaltige Mobilität gestalten und da ist natürlich ein großer Ankerpunkt der ÖPNV. 

PR: Das Ziel „Fahrradstadt 2020“ wurde ja doch verfehlt, woran lag das und wie soll sich das in Zukunft verbessern? 

MW: Die Ambition, Vorfahrt für den Radverkehr zu schaffen war richtig. So wurden schon in Haunstetten und bald auch in Pfersee Fahrradschnellwege geschaffen. Wir Grüne, aber auch die Bürgerinnen und Bürger – was sich ja in mehreren Bürgerinitiativen zeigt – wollen ein flächendeckendes Netz aus Fahrradwegen in unserer Stadt.

Aber wir wollen natürlich auch sichere Fahrradwege gestalten. Also vor allem an den Unfallschwerpunkten in Augsburg. Da wollen wir zum Beispiel Aufstellflächen an den großen Kreuzungen vor den Autos für die Radfahrenden schaffen. So schaffen wir besseres und sicheres Fahrradfahren in unserer Stadt, das ist unserer Perspektive. Da sollte man dann endlich auch mal die Autoparkplätze hintenanstellen. 

PR: Da wären wir auch schon beim Thema Autos raus aus der Stadt, ja oder nein? 

MW: In unserem Kommunalwahlprogramm steht, dass wir eine autofreie Innenstadt – also innerhalb der Stadtmauern – haben wollen. Das ist natürlich ein kompliziertes Vorhaben, aber wir können erste Schritte schnell einleiten, zumal auch der Wunsch aus der Bürgerschaft da ist. Es gab schon zwei Anträge aus der Bürgerversammlung für eine autofreie Maxstraße. Außerdem wollen die Bürgerinnen und Bürger doch in Ruhe Café trinken in der Altstadt und dabei nicht vom Autolärm gestört werden. So wird auch mehr Aufenthalts- und Lebensqualität geschaffen. Der Lieferverkehr lässt sich dann auch organisieren, aber jetzt müssen wir erst einmal in den gemeinsamen Dialog treten. 

PR: Sie haben auch an der Uni Augsburg studiert, Frau Wild. Uns interessiert wie ihr persönlicher Bezug zur Uni ist?

MW: Auch nach meinem Studium habe ich noch Kontakt zur und die Zusammenarbeit mit der Universität gepflegt. In Zusammenarbeit mit dem Geographie Lehrstuhl haben „die Grünen“ ein regionales Klimaschutzprogramm zur Hitzeplanung mit dem Namen „Augsburg bleibt cool“ erarbeitet, welches der Stadt als konkrete Handlungsgrundlage dienen soll. Ein Austausch wie dieser ist nötig, kann aber an einigen Stellen noch ausgebaut werden. Was an der Uni an Wissen und Kompetenz vorhanden ist, muss man vermehrt in die Stadtverwaltung mit einfließen lassen.

PR: Eine Zusammenarbeit wie jene mit dem Lehrstuhl für Geographie fördert Studierende in der Stadt Augsburg. Da ist es auch interessant zu wissen, ob in Zukunft mehr Unterstützung für Studentische Gründungen, Start-Ups, oder ähnliches zu erwarten sei, aber auch Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Stadt als Studienort auf dem Plan stehen.

MW: Augsburg für Studierende zur Heimat zu machen, muss Wunsch der Stadt sein. Pendlerbewegungen sind weder für ein Ankommen in der Stadt förderlich, noch stellen sie ein ideales Mobilitätsverhalten dar. Hier muss mit bezahlbarem Wohnraum entgegengewirkt werden.
Doch nicht nur Studierende sollen im Fokus stehen, auch Absolvent*innen brauchen Perspektiven, um sie mit ihren Kompetenzen in der Stadt halten zu können. Konkret heißt das, Facharbeitsplätze müssen vorhanden sein, um die Türen für Studierende von Beginn an offen zu halten.
Im Gründungsbereich ist vor allem finanzielle Unterstützung notwendig, beispielsweise in Form von Mikrokrediten in der Startphase. Doch damit ist es noch nicht getan, auch danach wird eventuell Hilfe benötigt. Wenn mehr Bedarf da ist, muss man nochmal in den Austausch gehen und nachjustieren, es kann nicht alles an Impulsen von denjenigen kommen, die gründen wollen. Im Gespräch ist auch ein kreativwirtschaftliches Gründerzentrum mit dem Standort am Gaswerk.

PR: Nicht nur die Student*innen der Stadt Augsburg haben Bedarf an Förderung. Was hat es mit dem Stichwort „grüne Bildungspolitik“ auf sich?

MW: Im Allgemeinen liegt der Fokus auf den Schulen. Fit für die Zukunft, mit Ganztags- und Betreuungsplätzen, Digitalisierung, Heterogenität und einem Sanierungspaket in Höhe von 1 Mrd. Euro. Die Sozialförderung soll Bildungs- und Sozialindexgesteuert sein. Unterschiedliche Stadtteile sind in ihrer sozialen Zusammensetzung unterschiedlich aufgestellt und benötigen somit auch unterschiedlich viel Förderung und Unterstützung. Denjenigen, die mehr benötigen, sollen auch mehr Mittel an die Hand gegeben werden. Es muss heute egal sein, ob die Mutter Ärztin oder Arbeiterin ist, die Kinder sollten im Mittelpunkt stehen, um Chancengleichheit herstellen zu können.
Krippen, Kindergärten und Schulen müssen außerdem mehr Plätze zur Verfügung stellen, so muss an der ein oder anderen Stelle neu gebaut, aber auch erweitert werden.
Wünschenswert wäre hier zudem ein strukturierteres Vorgehen, durch beispielsweise Online Anmeldeportale, jährliches Monitoring und eine jährliche Bedarfsplanung.

PR: Ein Thema war in nahezu all unseren Fragen unumgänglich – die Umwelt. „Die Grünen“ haben es sich zum Ziel gesetzt, Augsburg zur klimaneutralsten Großstadt Deutschlands zu machen. Zusammenfassend wollen wir nochmal wissen, wie das umgesetzt werden soll.

MW: Das Pariser Abkommen muss auf allen politischen Ebenen gemeinsam umgesetzt werden – so schnell wie möglich. Es ist wichtig und sinnvoller, jetzt zu agieren und Gelder in die Hand zu nehmen, als dann nach zu justieren, wenn in 10 bis 15 Jahren der Kipppunkt erreicht ist. Konkret ist da ein Augsburger Klimapfad zu erwähnen, der Maßnahmen beinhaltet, die die Klimaneutralität zum Ziel haben. Dabei ist es wichtig, in allen Sektoren Einsparziele zu definieren. 

Dies benötigt eine Verkehrswende, Energiewende, aber auch eine Ernährungswende und die Wirtschaft muss mitziehen.Sowohl öffentliche Flächen, Fassaden und Dächer ohne Solar- oder Thermieanlage, als auch Kleingärten und private Gärten müssen begrünt werden. „Urban Gardening“ ist hier eine effektive Vorgehensweise, bei der die Bürger*innen dieser Stadt bereits sehr aktiv sind. Hier braucht es ebenfalls Unterstützung, die in Form eines Fördertopfes und einer Satzung zu diesem Themengebiet bereits erarbeitet wurde. Der Solardeckel von der Bundesebene ist problematisch, deswegen wollen „die Grünen“ diesem mit der Solaroffensive vor Ort entgegensteuern.

PR: Vielen Dank für das Interview und ihre Zeit. 

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