Ein angenehm frischer Duft des alten Papiers sitzt in den engen, karg beleuchteten Gängen zwischen den hohen Regalen voll mit Büchern. Es staubt ein bisschen als mich meine Neugier dazu bringt eines der Karl May Bücher ganz oben aus dem Regal zu ziehen.
„Eine feine Sache, diese Bücher, oder? Sammelst du auch?“, nur schwerfällig kann ich meine Aufmerksamkeit vom fein golden verzierten Buch losreißen und blicke in begeisterte Augen voll Freude und Enthusiasmus. „Ich, ähh nein–“, stottert es aus mir heraus. Ein älterer Herr, Peter heißt er, fachsimpelt vor sich hin, über Winnetou und Old Shatterhand. Die Zeit vergeht. Ich kann seinem Redefluss nur schwer folgen, aber seine Begeisterung für die alten Bücher bringt mich dazu einen Band mitzunehmen. Mit „Der Schatz im Silbersee“ im Rucksack schaue ich noch ein paar Kleiderständer durch und finde eine schöne Chino-Hose sowie ein dazu passendes sommerliches Markenhemd. Die Feststellung, dass ich heute für die schönen Sachen wieder nur vier Euro gezahlt habe, lässt mein Schnäppchenherz höherschlagen.
Die Hallen des Sozialkaufhauses Contact, welches seit 2008 ein paar Stationen hinter der Uni in direkter Nachbarschaft zu Aldi, Lidl und Co. sechs Tage die Woche für 8-9 Stunden seine Tore für jedermann geöffnet hat, weckten in den letzten Jahren mehr und mehr das Interesse der Studenten*innen. Vor allem die Köpfe junger Leute lugen zwischen den dicht behängten Kleiderstangen hervor und auch Martin, welcher seit 5 Jahren hier arbeitet und heute an der Kasse sitzt, sagt mir, dass zunehmend mehr junge Leute einkaufen. Aber generell würden die Zahlen der Besucher*innen stetig steigen. Auch heute sind die Schlangen an den Kassen lang, mit Sicherheitsabstand noch länger.
Nachhaltige Kaufkultur ist das Stichwort. Der Handel mit Second-Hand Ware boomt. Die Sozialkaufhäuser und karitativen Fairkauf-Geschäfte sprießen überall aus dem Boden. Deutschlandweit gibt es ungefähr 500-600 Sozialkaufhäuser. Mancher Orts wird von einem regelrechtem Ansturm auf die sozialen Läden berichtet und auch Im Tal 8 herrscht ein reges Treiben, während ich auf einem der Stühle am Eingang sitze und begeistert in meinem Abenteuerroman schmökere. Der große Parkplatz ist gut gefüllt, die Blechlawinen gleißen in der strengen Nachmittagssonne, am anderen Ende des Gebäudes schlittern die Einkaufswägen im Minutentakt über den Asphalt zur Warenannahme. Kartons voll mit Büchern, Kleidung, CDs, DVDs, Schallplatten verschwinden im Lager. Möbel wandern aus Transportern in die Hallen.
Ich komme ins Gespräch mit Theo, er studiert Germanistik und kommt ungefähr zweimal die Woche hierher. Theo erzählt mir, er sammle alte Videospiele und habe hier schon so manchen alten Spieleklassiker bekommen. Stolz zeigt er mir seine Ausbeute von heute, einmal „The Legend of Zelda“ und „FIFA 98“ für den Nintendo 64. Manche Spiele würden im Internet hoch gehandelt, aber ihm gehe es eher um die Nostalgie als um den teureren Weiterverkauf. Doch manchmal packe ihn auch das schlechte Gewissen, wenn er hier in diesem Kaufhaus billig einkaufe, obwohl er es doch nicht so nötig habe.
Sind wir Studenten*innen hilfsbedürftig oder in schwierigen Lebenslagen? Bei einem Großteil ist es wahrscheinlich andersherum, er durchlebt gerade die beste Phase seines Lebens. Sind diese Bedenken und Gewissensbisse beim Einkauf hier dann gerechtfertigt? In gewisser Weise nicht.
Bei einem Blick in die Statistiken fällt auf, dass zum Beispiel täglich etwa 500 Kilo an Kleidungsspenden oder 150 Kilo an Elektroutensilien hineinkommen, aber nur knapp die Hälfte davon geht wieder über den Ladentisch. Das schlechte Gewissen braucht es also durchaus nicht. Gerade dadurch, dass sich das Contact nicht über Spenden, sondern ausschließlich durch den Verkauf von Gebrauchtwaren finanziert, ist es umso besser je mehr Leute dort einkaufen und dadurch den Verein unterstützen, welcher 1999 gegründet wurde. Außerdem würden, ganz pragmatisch gesehen, nach ein paar Tagen auch die Lager überfüllt sein.
So helfen wir natürlich nicht nur dem Sozialkaufhaus und erhalten auch die billigen Preise, sondern wir fördern auch eine Sozialinstitution dieser Stadt, welche als Arbeitgeber Menschen in schwierigen Situationen durch die Kraft der Gemeinschaft und mit einer familiären Arbeitsatmosphäre die Chance gibt ihre eigene Lebenssituation zu stabilisieren. Außerdem werden damit auch Partnervereine, wie die Rumänienhilfe, Heimatstern, die Brücke und der SKM Augsburg unterstützt, mit welchen das Contact eng zusammenarbeitet.
Nicht zuletzt stellt das Contact auch einen Begegnungsort für alle Menschen dar. So kommt man hier leichter in Kontakt mit Menschen, welche außergewöhnliche oder auch die gleichen Interessen haben, als in der Uni oder sonst wo.
Hmm, Ich muss gleich mal wieder meinen alten Nintendo DS hervorkramen. Hoffentlich ist er noch da?