Wir schreiben den 04.11.2020. Ein Jahr neigt sich so langsam dem Ende, das so manchen aus den Bahnen geworfen hat. Ein Jahr das Verzweiflung gebracht hat, Angst, Verluste. Damit kam aber auch Mut, Krisenmanagement und Gemeinschaftsgeist. Eins lässt sich jedenfalls feststellen: 2020 hat bisher für viel Trubel gesorgt. Und auf fast kein Land trifft das so sehr zu wie auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Da waren die verheerenden Brände im Sommer in Kalifornien, die dafür gesorgt haben, dass San Francisco mit einem mystischen orangenen Rauch umhüllt war. Dann die schwersten Unruhen seit Jahrzehnten im Zuge der BlackLivesMatter-Proteste, nach dem gewaltsamen Mord an George Floyd am 25. Mai und natürlich die Corona-Pandemie, die uns alle bis heute fest im Griff hat. Als wäre das nicht schon genug Aufregung, bringt 2020 auch noch eine historische Wahl mit sich: und zwar die des Präsidenten für die nächsten vier Jahre.
04.11.2020. Der Tag an dem sich entscheidet, wer das weltweit wichtigste politische Amt bekleiden wird. Wenn Ihr diesen Artikel liest, sind die ersten Wahlergebnisse wahrscheinlich schon bekannt gegeben worden. Ich sitze hingegen gerade noch grübelnd am Schreibtisch und frage mich, was die nächsten Jahre auf Amerika und die Welt zukommen wird. Es geht um Joseph Biden oder Donald Trump. Es geht um Populist oder Demokrat. Es geht um Werte und Haltungen versus Hetze und Spaltungen. Doch womit werben die beiden Anwärter auf das Amt und wie haben sie in den letzten Wochen taktiert und formuliert? Wir blicken gemeinsam auf einen lauten, polarisierenden Wahlkampf zurück.
Die Wahl im Laufe des Jahres
19.08.2020 Parteitag der Demokraten an dem die Delegierten Joe Biden zum Präsidentschaftskandidaten wählen. Kamala Harris soll seine Vizekandidatin werden
27.08.2020 Parteitag der Republikaner. Donald Trump hält seine Rede zur zweiten Kandidatur direkt vor dem Weißen Haus
29.09.2020 An diesem Tag findet das erste TV-Duell statt, welches aufgrund des chaotischen Ablaufes in die Schlagzeilen kommt
07.10.2020 Das TV-Duell zwischen den Vizes Kamala Harris und Mike Pence
15.10.2020 Donald Trump infiziert sich mit Corona, weswegen das zweite TV-Duell vorerst abgesagt wird und stattdessen beide Kandidaten separat in TV-Interviews befragt werden
22.10.2020 Das dritte TV-Duell findet nun doch statt. Es gibt neue Regeln, welche für einen ruhigeren und zivilisierteren Ablauf sorgen
Weitere wichtige Daten: 03.11.2020 – Wahltag; 14.12.2020 – Wahl der Wahlleute; 06.01.2021 – Auszählung der Stimmzettel; 20.01.2021- Amtseinführung
BIDEN – Demokratie, Klimaschutz und Reformen
Der Herausforderer des Präsidenten, Joseph Biden, gibt sich eher programmatisch, im Sinne der vergangenen Obama-Regierung. Nicht überraschend, schließlich war er deren Teil, als Vizepräsident. Biden ist damit eindeutig weniger progressiv als manch andere in der Demokratischen Partei. Die dominierenden Themen in seinem Wahlkampf sind das Krisenmanagement in der Corona-Pandemie, Gesundheit und Wirtschaft (Arbeitsmarktpolitik), Polizeigewalt und struktureller Rassismus, der Umgang mit Medien und Wissenschaft sowie die Klimakrise.
In Bezug auf die Wirtschaft will Biden mit der Regierung eine zentrale Rolle spielen und Veränderungen in Gang setzen, während Trump hingegen auf die Mechanismen und den Einfluss des freien Marktes setzt. Außerdem strebt Biden an, die damalige Gesundheitsreform von Barack Obama fortzuführen und sogar zu erweitern. Er möchte eine öffentliche Krankenversicherung anbieten, die so genannte “public option”, bei der die Bürger frei wählen sollen, ob sie dieser öffentlichen Krankenkasse beitreten möchten oder in einer privaten bleiben wollen. Des Weiteren fordert Biden einen Ausbau des Sozialhilfebereichs, um so die wachsende Armut in Amerika zu bekämpfen. Er ist allerdings gegen eine massive Umverteilung des Einkommens und spezialisiert sich eher darauf, die Mittelschicht des Landes zu stärken.
Was den Klimawandel betrifft, ist Biden durchaus ambitionierter, als es die Regierung unter Obama war.
Sein Klimaplan sieht unter anderem eine vollständige Umstellung auf regenerative Energien, eine radikale Reduzierung der Treibhausgasemissionen und den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs vor. Und Biden schlägt, im Gegensatz zu seinem Mitstreiter, ein Verbot von vollautomatischen Waffen vor, sowie einen background-check beim Kauf von Waffen. Zu guter Letzt möchte er die unter Trump begonnene Abschiebung illegaler EinwanderInnen stoppen und als Folge der BlackLivesMatter-Bewegung eine grundlegende Reform des Strafrechtssystems anstoßen.
Eines der dominierenden Wahlkampfthemen war allerdings auch der momentan amtierende Präsident: Donald Trump. Biden stellte sich als gegensätzlich zu ihm dar. Er sprach Trump die charakterlichen sowie professionellen Eigenschaften, die man als Präsident benötigt, ab. Sein Slogan „Die besten Tage liegen noch vor uns“ steht symbolisch für seine Strategie, Trumps Führungsqualifikationen und die Bilanz seiner bisherigen Regierungszeit schlecht zu reden. Gleichzeitig präsentiert er sich als diplomatischer, erfahrener Politiker. Als Gegenbild zum unberechenbaren Trump. Inwiefern er es schaffen kann, dies umzusetzen und das Land nach den vergangenen Protesten und Krisen zusammen- und voranzubringen, wird sich zeigen – sollte er denn gewählt werden.
TRUMP – Mit Polarisierung ans Ziel?
Trump hat zwar kein richtiges Wahlprogramm vorgelegt, aus seinen Reden lässt sich aber schließen, dass er an seinen bisherigen politischen Kurs anknüpfen möchte. Das bedeutet weiteres Arbeiten an dem Projekt „Mauerbau“, striktes Vorgehen gegen illegale Einwanderung, eine Ausweitung der Produktion von klimaschädlichen, fossilen Brennstoffen und einen Rückzug Amerikas aus internationalen Bündnissen und der Verantwortung bei ausländischen Konflikten.
Die Wirtschaft ist eines der Wahlkampfthemen, das Trump besonders wichtig erscheint. Ganz nach dem altbekannten Motto „Make America Great Again“ gibt er sich als Wirtschaftsretter. Seine Politik sieht dabei Steuersenkungen und wenig staatliche Regulierungen vor. Wenn es um Pläne für die Gesundheitsversorgung geht, dann liegt Biden in Umfragen vorne. Trumps Plan „Obamacare“ vor dem Obersten Gerichtshof zu Fall zu bringen, scheint bei den BürgerInnen nicht gut anzukommen. Eine große Rolle spielte in diesem Wahlkampf für Trump auch der Supreme Court (Oberster Gerichtshof). Für Trump ist dieser ein Machtmittel, um konservative Werte voran zu treiben. So präsentierte er bereits vor vier Jahren eine Liste mit einigen RichterInnen, die er nominieren würde. Nach dem Tod der weltweit wertgeschätzten Richterin Ruth Bader Ginsburg nutze er diese Chance direkt und nominierte die streng konservative Juristin Amy Coney Barrett. Sie ist beispielsweise gegen ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und würde wahrscheinlich auch in Bezug auf das Wahlrecht oder die Regierungspolitik pro Trump stimmen. Die derzeitige Mehrheit im Supreme Court ist somit konservativ gestimmt.
Im Bezug auf die BlackLivesMatter-Proteste zeigt sich Trump als der, der er ist: Ein Populist, der sich nicht scheut, Gewalt gegen Demonstranten anzudrohen und der schon seit seiner Amtszeit ein Problem damit hat, sich von rechten Bewegungen und rechtsextremen Gruppen zu distanzieren. Und das, obwohl das amerikanische Heimatschutzministerium rechte Gruppierungen als größte inländische Gefährdung ansieht. Trump hingegen beschuldigt ausschließlich links gesinnte BürgerInnen als eine Gefahr für das Land. Innerhalb dieses Wahlkampfes wurde dies unter anderem mit dem Satz „Stand back stand by.“ deutlich. Mit diesem Satz implizierte der Präsident rechten Gruppen, wie den „Proud Boys“, sich bereitzuhalten. Die Interpretation von „Bereithalten“ überließ er durch diese vage Formulierung den Rechtsextremisten. Einschüchterung von Wählern und die gezielte Verunsicherung gehörten somit genauso zu Trumps Wahlstrategie wie die Verbreitung von falschen Fakten.
Allgemein lässt sich feststellen, dass Trump sich im Wahlkampf auf die Diffamierung seiner politischen Gegner und die Bilanz seiner bisherigen Amtszeit konzentriert.
Die Obamas schalten sich ein
Biden war nicht nur der Vize des ehemaligen Präsidenten Obamas, sondern gilt auch als dessen Vertrauter und Freund. So ist es kein Wunder, dass sich Barack Obama im Wahlkampf auf seine Seite stellt. Unterstützend trat er beispielsweise bei einer Wahlkampfveranstaltung im umkämpften Michigan auf und bezieht ganz klar Stellung gegen Trump und dessen Umgang mit dem Corona-Virus. Nach Trumps Wahl 2016 wurden häufig Stimmen laut, die sich „die Obamas zurückwünschten“. Insofern könnte die Unterstützung des populären, ehemaligen Präsidenten Biden natürlich in die Karten spielen.
Auch die frühere First Lady Michelle Obama rief in einer bewegenden Rede am Parteitag der Demokraten via Videoübertragung dazu auf, Biden zu wählen. Donald Trump sei der falsche Präsident für das Land. Für den Job benötige man einen moralischen Kompass und die Fähigkeit zuzuhören. Sie appellierte eindringlich an die Empathie der Menschen und beschwor den ursprünglichen Charakter, die Werte des Landes. Gleichzeitig betonte sie die Wichtigkeit der Wahl angesichts der Herausforderungen, die dem Kandidaten bevorstehen.
“A president’s words have the power to move markets. They can start wars or broker peace. They can summon our better angels or awaken our worst instincts. You simply cannot fake your way through this job.”
Michelle Obama
Wie Corona die Wahl beeinflusst
So wie die Pandemie unser aller Leben verändert hat, so beeinflusst sie auch den Wahlkampf und die Wahlen an sich. Corona wurde zu einem DER Wahlthemen während Veranstaltungen von beiden Präsidentschaftskandidaten. Während Biden bereits einen Krisenplan vorgestellt hat, den er ab Januar umsetzten würde, hält sich Trump mit strikten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zurück. Das fehlende Vertrauen Trumps in die Wissenschaft wird deutlich, wenn man sich die Wahlkampfveranstaltungen der beiden genauer ansieht: Biden tritt stets mit Maske auf, Trump präsentiert sich demonstrativ ohne Maske und witzelt darüber seine Anhänger vor der Bühne zu küssen. Genau diese fehlende Ernsthaftigkeit in Bezug auf die Pandemie wird Trump von den Demokraten vorgeworfen und könnte für ihn hinsichtlich der 200.000 Todesfälle zur Falle werden. Und dann machte ausgerechnet Trump, der den Virus so lange heruntergespielt hatte, mit seiner eigenen Infektion Anfang Oktober Schlagzeilen.
Die Corona-Pandemie ist auch der Grund dafür, dass deutlich mehr Wähler per Briefwahl abstimmen möchten. Da die Briefe zum Teil erst nach dem Wahltag ankommen werden und erst ausgezählt werden müssen, kann es hier zu Verzögerungen der Ergebnisse kommen. Dies ist entscheidend, da voraussichtlich mehr Demokraten als Republikaner per Briefwahl abstimmen werden. Es könnte also sein, dass sich erst Trump und dann später doch Biden als Gewinner herauskristallisiert. In diesem Fall ist es gut möglich, dass Trump das Ergebnis anfechten wird. Schließlich hat er schon öfters behauptet, die Briefwahl sei anfällig für Wahlbetrug und er würde sein Amt nicht widerstandslos verlassen. Im Falle eines nichteindeutigen Sieges kann es also noch spannend werden.
Angst vor Unruhen?
Die Wahlen offenbaren erneut wie gespalten Amerika zurzeit ist. Während Bidens Hochburgen eher im Nordosten und an der Westküste liegen, gewinnt Trump im Süden und im Mittleren Westen mehr Menschen für sich. Es gibt allerdings einige „SwingStates“ , in denen noch vieles offen bleibt und die die Wahl spannend machen. Gegensätzliche Meinungen lassen sich innerhalb Familien, Communities und Bundesstaaten wiederfinden. Die wachsende Ungleichheit führt zu einer extrem angespannten Situation. Viele befürchten nun, dass die Wahlentscheidung zu einer Eskalation und zu Unruhen führen wird. Laut Experten sind auch soziale Probleme die Ursache für die Unzufriedenheit und die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung. Donald Trump heizt diese Stimmung mit uneindeutigen Aussagen und Aufforderungen zur Gewalt nur an. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie das Land die Wahlen überstehen wird, bereiten sich jetzt schon Städte auf mögliche Ausschreitungen vor.
Ladenbesitzer verbarrikadieren ihre Schaufenster und der Sicherheitsapparat hat schon längst Notfallpläne ausgearbeitet.
Zu guter Letzt: Warum ist diese Wahl so wichtig?
Es war also ein Wahlkampf der von Unruhen, Polarisierung und Spaltung geprägt war. Unabhängig davon, wer das Rennen für sich entscheiden sollte, steht fest, dass viel auf dem Spiel steht. Nicht nur für Amerika, sondern auch für Deutschland, für alle. Diese Wahl entscheidet welchen Weg die Amerikaner in den nächsten Jahren einschlagen werden. Und das ist entscheidend. Wird auf Basis der Demokratie regiert? Wie geht man mit dem Corona-Virus um? Welche Einflüsse hat dies auf die amerikanische Wirtschaft? Provoziert man andere Großmächte und gefährdet somit internationale Beziehungen? Und last but not least: Wird die Klimakrise ignoriert oder angegangen? Gerade bei dieser letzten Frage werden die nächsten vier Jahre entscheidend sein. Amerika ist einer der Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels.
Wir brauchen die Amerikaner mit an Bord, wenn wir den Klimawandel effektiv bekämpfen wollen. Denn wenn es um eine intakte Erde geht, dann sitzen wir alle im gleichen Boot.
Diese Wahl, sie ist wegweisend. Dieser Tag, er ist historisch.
Quellen:
https://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/305447/zeitleiste-us-praesidentschaftswahl-2020
https://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/315226/wahlkampfthemen-der-demokraten
https://wahl.tagesschau.de/usa2020/
https://www.tagesschau.de/ausland/uswahl2020/uswahl2020-faq-themen-101.html
https://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/313504/wahlkampfthemen-der-republikaner
www.youtube.com/watch?v=8mC2EehjK9I
www.youtube.com/watch?v=Czn0nxFNy0Q
Guter Überblick über den Wahlkampf und die Bedeutung dieser Wahl