50 Jahre BAföG – Ein Grund zum Feiern?

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, feiert dieses Jahr 50-jähriges Jubiläum. BaföG – der eine freut sich über das zusätzliche Geld und kann sich davon jetzt den heiß ersehnten Flachbildfernseher kaufen, die andere bekommt immer noch nicht genug, um unabhängig von ihren Eltern zu leben, mit denen sie kein gutes Verhältnis hat – so mein subjektiv unreflektierter Ersteindruck. Ist BAföG also ein Grund zum Feiern oder vor allem zum Aufregen? Wir haben mit Studierenden und einem Mitarbeiter vom BAföG-Amt gesprochen und hätten da auf jeden Fall ein paar Verbesserungsvorschläge.

Quickstart

Studentin ohne Geld

Nach der letzten Reform 2020 liegt der BAföG Höchstsatz bei 861 € im Monat. Die Bedarfssätze wurden 2019 um nochmals 5 % erhöht und auch die Einkommensfreibeträge wurden zuletzt 2021 stark angehoben. Trotzdem erhalten nur ca. 465.000 der rund 2.900.000 Studierenden in Deutschland die staatliche Förderung während ihrer Ausbildung (Statista.com). Wie viel monatliches Geld überwiesen wird, hängt hauptsächlich davon ab, wie viel die Eltern im letzten Jahr verdient haben und wieviel Geld auf dem eigenen Konto angelegt ist. Auch Lebensumstände wie Geschwister, Vorausbildung und eigene Kinder wirken sich auf den BAföG-Satz aus. Durchschnittlich bekommt ein/e deutsche/r Student:in 574 € im Monat. Am Ende der Studienlaufbahn muss dann die Hälfte des erhaltenen BAföGs, aber höchstens eine Summe von 10.010 € zurückgezahlt werden. Um weiterhin BAföG zu erhalten, darf außerdem nur in einem 450€-Job während der Studienlaufbahn gearbeitet werden, unabhängig vom ausgezahlten BAföG-Betrag.

Im Gespräch mit Studierenden

Auf meinem Laptop gibt es einen Ordner, der BAföG heißt. Drin sind einige halbherzig ausgefüllte Formulare, die ich an meine Eltern gemailt habe. Ende vom Lied: Bereits der BaföG-Rechner hat meine Hoffnungen auf zusätzliches Taschengeld erstickt. Für mich kein Weltuntergang, da ich von meiner Familie unterstützt werde und neben meinem Studium arbeiten kann. „Ich dachte halt echt, die, die kein Bafög bekommen, kommen halt aus reichem Elternhaus, aber so ist es halt überhaupt nicht“, meint auch Ines im Gespräch, sie fragt sich außerdem: „Warum ist die Grenze da so krass gesetzt?“. Ines, Lea und Julie sind drei Studentinnen, die monatlich staatliche Unterstützung bekommen. Mit Kindergeld und/ oder einem Nebenjob kommen sie alle ganz gut über die Runden. So geht es aber natürlich nicht allen Studierenden, die BAföG bekommen. Ungerechtigkeiten und Verbesserungspotential im BAföG-System sehen alle drei. Um eine Gegenposition darzustellen, haben wir mit Herrn Bayer vom BAföG-Amt gesprochen, auch wenn dieser die Wut der Studierenden in vielerlei Hinsicht verstehen kann.

Aller Antrag ist schwer...

Insgesamt ist der Weg zum Extragehalt auf dem Konto sehr steinig. „Ich fands ganz furchtbar. Ich wurde erst abgelehnt und war ganz verzweifelt, kam hier hin und hab mich arm gefühlt und hatte voll die hohe Miete. Und dann war ich bei der Beratung und der hat nur gesagt, dass ich einen Kredit aufnehmen sollte“, so Ines Empfinden bei der Beantragung von BAföG. Auch Julie hat viele Begriffe nicht verstanden und wäre ohne die Unterstützung des Steuerberaters ihres Vaters aufgeschmissen gewesen. Lea hingegen hat im Gegensatz zu den anderen BAföG digital ausprobiert, eine Neuerung, die einiges erleichtert und die auch die zuständigen Beamten wärmstens empfehlen. „Und wenn was fehlt, kann man sich sicher sein, dass sich das Amt meldet“, so Lea.

Ganz egal in welcher Stadt

Egal in welcher Stadt studiert wird, der BAföG-Höchstsatz bleibt gleich. Dass die Mieten von München und Wuppertal beispielsweise nicht vergleichbar sind, braucht an dieser Stelle wohl keine Erwähnung. „Es gibt ja auch verschiedene Ämter in jeder Stadt, da versteh ich nicht, warum man das nicht einfach gerechter machen kann“, meint Ines. Außerdem habe sie die Wahl ihres Studienortes auch vom Mietpreisspiegel abhängig gemacht, so die 28-jährige. Julie sieht das Problem vor allem bei dem komplexen Thema der insgesamt zu hohen Mietpreise.

Der BAföG-Experte Herr Bayer sieht das Problem der stadtabhängigen Mietpreise ein, merkt jedoch an, dass die Einteilung in Ballungsräume auch dazu führen könne, dass Student:innen in kleineren Städten dann einfach noch weniger BAföG bekommen. Das Ganze anzupassen könnte demnach auch nach hinten losgehen.

Fürs Arbeiten bestraft

Bezieher:innen von BAföG dürfen monatlich nur höchstens 450 € hinzu verdienen, unabhängig vom ausgezahlten Geld. Auch Lea, die bisher sehr positiv vom BAföG gesprochen hat, kommt beim Thema Nebenjob an ihre Verständnisgrenzen. „Wenn man dann zu viel verdient und über die Freibeträge drüber kommt, dann bekommt man wieder weniger BAföG, was für mich nicht so viel Sinn macht“, sagt Lea. „Ich kenne jemanden, der nur 20€ im Monat bekommt und dann halt trotzdem nicht mehr verdienen darf. Es müsste so berechnet werden, dass man so viel verdienen darf, dass es so hoch wie der BaföG-Satz ist“, erklärt auch Ines.

Den Rest müssten im Idealfall die Eltern ausgleichen, so die Begründung des Zuständigen vom BAföG – Amt. Die Berechnung erfolgt demnach so, dass Erziehungsberechtigte die finanziellen Mittel haben sollten, ihr Kind mit dem fehlenden Geld auszuhelfen. Dass dies nicht immer der Fall ist, weiß auch Herr Bayer. Es müsse jedoch irgendwelche Vorgaben geben.

Ein weiterer Aspekt ist, dass ein Nebenjob einfach nicht in jedem Studiengang machbar ist, da manche Student:innen die ganze Woche mit Vorlesungen, Seminaren oder Projekten beschäftigt sind. Auf die Frage, ob der Studiengang zukünftig bei der Beantragung von BaföG berücksichtigt werden sollte, sind sich jedoch alle einig: Nein. Zu groß wäre der Aufwand Professor:innen etc. um eine realistische Einschätzung des wöchentlichen Workloads zu bitten.

Dem schließt sich auch Herr Bayer an, welcher vor allem den Verwaltungsaufwand für zu groß hält.

Verschuldet ins Berufsleben

Klar ist, die Hälfte des Geldes muss zurückgezahlt werden, hier gibt es zwei Teams und Strategien. Diejenigen, die jetzt schon Geld zur Seite legen können und die, die hoffen in ihrem späteren Job problemlos den Kredit abzahlen zu können. „Mich stresst das total, dass ich später ins Berufsleben mit Schulden starten werde, deshalb versuche ich von meinem BaföG ca. die Hälfte wegzulegen“, gibt Ines zu. Das Problem sei aber, dass man auch nicht zu viel sparen dürfe, da sonst der nächste Antrag durch zu viel Geld auf dem Konto nicht genehmigt wird. Lea geht die Sache da anders an: „Ich glaube, dass ich später mal einen Job mit geregeltem Einkommen habe, der dann ganz gut abdecken kann, was ich zurückzahlen muss. Und man hat ja auch die Möglichkeit, das auf Raten abzuzahlen, deshalb mach ich mir da jetzt nicht so die Gedanken darüber.“

Durch die Reform 2019 gilt laut BAföG-Recht: „Wer 77 Monatsraten getilgt hat, ist künftig endgültig schuldenfrei, ganz gleich, wie hoch das Darlehen ursprünglich war. In der Regel ist die Rückzahlung des Darlehensanteils beim BAföG nach spätestens 6,5 Jahren abgeschlossen.“

Fleiß wird nicht belohnt

Momentan dürfen höchstens 8200€ auf dem Konto eines/r BAföG-Empfänger:in sein. Gerecht? Lea ist zwiegespalten und sieht zum einen ein, dass der Staat nicht die unterstützen muss, die schon genug Geld haben, andererseits sei es aber auch unfair, da diese Menschen sich das Geld möglicherweise ja auch im Voraus hart erarbeiten mussten. Vor allem Julie, die in ihrer Jugend schon viel gearbeitet und gespart hat, regt sich auf: „Ich werde anders behandelt als jemand, der nicht gearbeitet oder gejobbt hat und deshalb nichts hat.“ Ines merkt vor allem an, dass bei den Eltern nur der Kontostand zählt und Kapital wie Grundstücke nicht miteinbezogen werden.

Dass die Grenzen für Eigenkapital bereits stark angehoben wurden, betont der Mitarbeitende, als es um den Kontostand der beantragenden Studierenden geht. Von ursprünglich ca. 2000€ auf nun über 8000€ sei hier in letzter Zeit einer der größten Durchbrüche geschafft worden. Trotzdem verstehe er die Empörung über die Kapitaleinkünfte der Eltern, die unberücksichtigt bleiben. „Früher ist das anders geregelt gewesen“, so Bayer. Zudem findet er es ungerecht, dass das Eigenkapital des/r Beantragenden ohne Hintergrundwissen miteinbezogen wird. So ist es egal, ob es sich beim eigenen Auto um ein Geschenk der Eltern zum 18. Geburtstag oder um einen hart ersparten Gebrauchtwagen handelt.

Chancengleichhheit?

Julie, Ines und Lea sind sich einig: Nur von BAföG könnten sie nicht leben. Nur zusammen mit dem Kindergeld und dem Glück einer sehr günstigen Miete kommt Julie durch das Studium. Da sie es nicht schafft, während ihres Masters in Energietechnik zu jobben, verdient sie in den Semesterferien das Geld für ihre Freizeitaktivitäten. Ines hat, um elternunabhängiges BAföG zu bekommen, eine Lücke zwischen Zivilrecht und BaföG- Recht gefunden, die wohl seine Tücken hat, weshalb das BAföG-Amt sie aber nicht mal darauf aufmerksam gemacht hat. Sie hat vor ihrem Studium eine Ausbildung gemacht und kann und will ihren Eltern nicht weiter zur Last fallen.

„Wir können mit BAföG nicht alles kompensieren“, reiht Herr Bayer sich hier ein, „Reformierungsbedarf ist auf jeden Fall notwendig. Erhöhungen sind notwendig und angebracht“. Außerdem erwähnt er, dass die FDP beispielsweise elternunabhängiges BAföG fordert. Jedoch stehe das derzeit nicht zur Debatte, genauso wenig wie bahnbrechende Reformen.

Mit 50 Jahren Chancengerechtigkeit wirbt das Bundesministerium für Bildung und Forschung anlässlich des Jubiläums. Ist Gerechtigkeit hierbei mit Gleichheit gleichzusetzen oder ist gerade die Begrifflichkeit, das Eingeständnis, dass zur vollständigen Fairness in der Bildung in Deutschland noch etwas fehlt? Lea ist sich sicher: „Da könnte sich auf jeden Fall noch etwas ändern.“ Die Altersgrenze und auch, dass das elternunabhängige BAföG so schwer zu bekommen ist, sieht sie als große Kritikpunkte. „Manche Leute rutschen einfach durch das Raster und bekommen kein BAföG, obwohl sie es nötig hätten“, kritisiert Ines. Und auch, dass ein zeitintensives Studium, in einer teuren Stadt nicht einmal mit BAföG zu bestreiten ist, zeigen einfache Berechnungen, wie beispielsweise eine Pulsreportage beweist. „Unser System ist komplett reformbedürftig, also da braucht man sich auch nichts vormachen“, schließt Ines ab.

Wir können ja trotzdem befreundet bleiben

Neben all den Kritikpunkten sind die Studentinnen aber vor allem auch froh über die Unterstützung während des Studiums, die in anderen Ländern ja alles andere als selbstverständlich ist. „In Deutschland wird durch die Abschaffung der Studienkosten und BAföG wenigstens nicht nur die Elite gefördert“, sagt Ines. Sie findet es toll, dass es BAföG gibt, Julie und Lea sehen vor allem die Entlastung der Eltern als großen Pluspunkt.

Vor allem die studierendenfreundlichen Handhabungen während der Corona-Pandemie möchte Herr Bayer positiv betonen. Der äußerst kulante Umgang mit der verlängerten Studienzeit sei für viele eine Entlastung gewesen.

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