Augsburg ist die Geburtsstätte des Kultgetränks „Spezi“. Doch was hat es mit dem Streit zwischen Riegele und Paulaner auf sich und welche Spezi schmeckt den Augsburger:innen denn eigentlich am besten?
Ein idyllischer Sommertag in Augsburg, der Hauptstadt Schwabens, geht zu Ende. Die Vögel zwitschern. Der Himmel legt einen orangefarbenen Schimmer über die Altbaugebäude der Stadt. Am Rathausplatz versammeln sich Jung und Alt, um die bis in die Nacht anhaltende Wärme auszukosten. Wie das für uns Augsburger:innen so üblich ist, setzen wir uns auf den Boden des Platzes, auf dem sich gerade abends viele Sitzgruppen bilden. Nach viel Gelächter und dem typischen Stadt- und Vorlesungstratsch kriegen wir Durst. Also auf zum City-Rewe um die Ecke!
Wir sind uns einig, dass wir uns alle unser nicht-alkoholisches Lieblingskultgetränk Spezi holen werden, um uns den Abend zu versüßen. Doch zu welchem Spezi greift man jetzt? Die große Auswahl von Cola-Orangenlimonaden an der Kühltheke kann einem durchaus mal den Kopf verdrehen. Wie immer entscheidet sich mein in Augsburg aufgewachsener Kumpel Kirill für das Original: Die regionale Spezi der Familienbrauerei Riegele: „Bro, Riegele Spezi ist DAS Getränk. Riegele ist für mich hundertprozentig auf Platz Eins unter allen Spezis.“ Jani aus unserer Freundesgruppe widerspricht seiner Auswahl. Sie entgegnet: „Paulaner Spezi ist ja mal sooo viel besser!“
Egal ob zum Lernen, zum Feierabend, für unterwegs oder daheim: es gibt keine Lebenslage, in der die Cola-Orangen-Mixtur nicht passen würden. Nicht nur wegen dem Geschmack habe ich so eine Faszination an dem Getränk gefunden. Gerade die außergewöhnliche Geschichte von Spezi bis heute, sowie die Einbettung des Getränks in die aktuelle urbane Kultur von Deutschland fesseln mich und meine Geschmacksknospen einfach an diesem nostalgischen und unwiderstehlichen Wohlgeschmack.
Wie entstand das Kultgetränk "Spezi"?
Um mehr über die Ursprünge des Spezis zu erfahren, habe ich mit dem aktuellen Geschäftsführer von Riegele, Sebastian Priller, gesprochen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg brachte das Brauhaus Riegele in Augsburg ein Bier namens Spezi auf den Markt. 1956 wurde der Begriff erstmals geschützt und mit dem Slogan „Ein Spezi muss dabei sein“ beworben. In den Augsburger Gasthöfen trafen sich zudem regelmäßig Stammtische, bei denen oft das Bier mit dem Namen „Spezi“ getrunken wurde. Der Braumeister dieses Bieres ist Sebastian Riegele.
Einige Gäste bevorzugen jedoch Limonade, welche auf Dauer aber etwas langweilig wirkt. Riegele bemerkte, dass Gastwirte zunehmend Cola mit Orangenlimonade mischen. Diese Mischungen schmeckten jedoch immer unterschiedlich, das Mischen war aufwendig und es blieben oft Reste, die schal wurden. Da hatte Riegele eine zündende Idee: Er entschloss sich, ein fertiges Getränk aus Cola und Orangenlimonade anzubieten und nannte es ebenfalls „Spezi“. Damit war Riegele eine der ersten Brauereien, die auch nicht-alkoholische Getränke herstellte.
Sebastian Priller erläutert: „Plötzlich ist der Name vom Spezi-Bier übergeschwappt auf das heute bekannte Spezi und auch bei uns im Haus haben wir alle nur noch von Spezi gesprochen. Und so ist der Markenname Spezi letzten Endes entstanden. Heute glaubt man ja, dass das ganz normal ist, dass man zu jedem Cola Gemisch „Spezi“ sagt, aber es ist eben keine Gattung, sondern es ist ein Markenname, der aus genau dieser Zeit stammt.“ Doch ein Sturm bahnt sich an…
Der Streit um den Namen "Spezi"
Im Interview mit dem Lifestyle-Magazin GQ Germany erklärt der Deutschrapper RIN, was er unter „Spezi“ versteht: „Für den wirklichen kleinen Kleinstadt-Vibe braucht ihr natürlich eine „Paulaner Spezi“. So, wenn man älter wird, wächst man aus sehr vielen Süßgetränken raus, aber die „Paulaner Spezi“ ist nichtsdestotrotz fest in meinem Leben eingebaut. Das soll kein Geheimtipp mehr sein. Das ist das beste Erfrischungs-Süßgetränk, was es für mich gibt.“ Wie kam es dazu, dass gerade bei vielen jungen Menschen die „Paulaner Spezi“ als der Standard unter den Cola-Mix-Getränken wahrgenommen wird?
In den 60er Jahren steigt die große Konkurrenzbrauerei Paulaner aus München in den Ring. Sie beginnen, ein gleichnamiges Getränk auf den Markt zu bringen. Im Jahr 1974 kommt Paulaner jedoch also auf Riegele zu und bietet 10.000 D-Mark für das freie Verwenden des Namens in Deutschland. Riegele willigt ein. Es wird eine sogenannte Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen.
Anders als bei den anderen Lizensierungen, die Riegele an Brauereien vergab, darf Paulaner durch den Vertrag nicht das Spezi Original, sondern ein eigenes Gemisch mit eigenem Design produzieren und verkaufen. Das ging einige Jahrzehnte ganz gut. Beide Spezis existierten nebeneinanderher. Nach knapp 50 Jahren meldet sich Riegele plötzlich und verkündet, sie wollen den Vertrag zu Paulaner kündigen. Grund dafür ist, dass Riegele laut eigener Angabe jedes Jahr einen sechsstelligen Betrag für die Erhaltung des Markennamens zahlt, ohne dass Paulaner sich auch nur ein bisschen beteiligt. Obendrauf hat Paulaner mit den Jahren wesentlich höhere Verkaufszahlen mit ihrer Spezi als das Original.
So kündigt Riegele ihren Koexistenzvertrag mit Paulaner, was der Münchner Brauerei überhaupt nicht gefällt. Nach fast 50 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit soll der Vertrag beendet werden? Paulaner zieht vor das Landgericht München und möchte feststellen lassen, dass die Kündigung unwirksam und der Vertrag weiterhin gültig ist. Riegele wiederum klagt auf Beteiligung von Paulaner an den Lizenzgebühren. Das Ende der Geschichte bildet die Erklärung des Landgerichts, dass die Vereinbarung von 1974 über 10.000 D-Mark im Oktober 2022 wirksam sei.
Priller erklärt: „Aus heutiger Sicht war der Lizenzvertrag mit zwei Fehlern gespickt. Dieser Lizenzvertrag hatte zum einen keine Laufzeitbeschränkung und er war zum anderen mit einem Einmalbetrag von 10.000 D-Mark belegt. Wir haben alles rund um den Markennamen „Spezi“ zu zahlen, was beispielsweise Markenverlängerung oder Markenverteidigung beinhält, und so geben wir jedes Jahr wesentlich mehr aus als die 10.000 Mark, die uns einmalig gezahlt wurden. Wir zahlen jedes Jahr ein Vielfaches. Das finden wir ungerecht. Paulaner müsste sich an den Kosten beteiligen, wie es alle anderen Lizenzpartner auch machen. Wir haben die Marke schließlich auch über 40 Jahre aufgebaut. Doch wir müssen damit leben. Wie heißt es so schön? Aufstehen, Mund abputzen, weitermachen. Und das machen wir.“
Das große Spezi-Blind-Tasting
Doch welche Spezi beziehungsweise welcher Cola-Mix schmeckt denn jetzt eigentlich am besten? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir ein Blind-Tasting an der Universität Augsburg durchgeführt. Diese waren: Riegele Spezi, Paulaner Spezi, Bazi, Mezzo-Mix und Flötzinger Cola-Mix. Die studentischen Teilnehmer:innen nannten zuerst ihren Lieblings-Cola-Mix beziehungsweise ihr Lieblingsspezi und haben anschließend versucht, die Mischgetränke allein am Geschmack richtig zuzuordnen. Danach fragte ich, welches Getränk ihnen nun blind am besten schmeckte. Das Ergebnis der spezi-ellen Befragung war mehr als spannend…
Vor dem Blind Ranking gaben die meisten Leute an, dass „Paulaner Spezi“ ihr Lieblings-Cola-Mischgetränk sei. Doch blind schmeckte der Mehrheit dann doch das Original Riegele Spezi am besten. Wie es aussieht, bleibt das Original in der Spezi-Stadt Augsburg der König des Geschmacks. Den zweiten Platz belegten gleichzeitig Paulaner und Mezzo-Mix, Bazi und Flötzinger Cola-Mix teilten sich somit den dritten Platz.
Hat euch der Spezi-Durst jetzt auch gepackt? Nach diesen aufbrausenden Meinungen und Eindrücken will ich euch fragen, wenn du das nächste Mal am Kühlregal stehst, zu welchem Spezi du greifen wirst. Habt ihr vielleicht sogar Mitleid mit Riegele wegen den bösen Paulanern und greift allein deswegen zum Original? Oder habt ihr Durst nach neuem bekommen und wollt euch erst mal ausprobieren? Das nächste Mal, wenn ihr einen erfrischenden Schluck Spezi trinkt und die Cola-Orangen-Symbiose auf eurer Zunge prickelt, denkt ihr hoffentlich an die Geschichte und die Kultur dieser ikonischen Limonade. Spätestens jetzt könnt ihr euch als Spezi-alist:innen bezeichnen.