Wenn man sich für Sport und gesunde Ernährung interessiert, ist es wie so oft auf sozialen Medien: Kaum liked man vereinzelte Videos zu diesen Themen, wird man von der eigenen For-You-Page mit weiterem Input rund um diese Bereiche überschwemmt. Dabei wird relativ schnell ersichtlich: Hier herrscht kein Konsens. Plötzlich findet sich der Verbraucher mitten in einem Wirrwarr aus Tipps und No-Gos wieder. Jedes Produkt wurde bereits als gesund oder ungesund abgestempelt, wodurch sich inzwischen die Frage stellt: Sind Haferflocken eigentlich gesund oder nicht?
Die Fitness-Bubble: Protein, Kalorien und Supplements
Eine Seite der Ernährungswelt auf sozialen Medien ist die Fitness-Bubble. Hier bewerben MoreNutrition-Gründer Christian Wolf und Co. ihre eigenen Produkte wie Proteinpulver, Zero-Kalorien-Soßen oder Sirups, die man überall mit hinnehmen kann. Die Athleten von ESN und MoreNutrition – den beiden populärsten deutschen Unternehmen rund um Fitnessprodukte – präsentieren ihren Lebensstil: möglichst 1,5–2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht, Supplementierung von Kreatin für stärkeren Fortschritt, je nach aktuellem Ziel Kaloriendefizit oder -überschuss und körniger Frischkäse als Wundermittel.
Hierbei kann man zwischen veganen und karnivoren Athleten unterscheiden, zwischen denen durchaus Spannungen existieren. In der breiten Mitte gilt dabei im Großen und Ganzen: Beides funktioniert, sofern man auf seine Proteine und Nährstoffe achtet. Es wird teilweise suggeriert, dass man auf eine Vielzahl von Produkten angewiesen sei, um sich gesund zu ernähren – was selbstverständlich nicht der Fall ist. Auch wenn regelmäßig betont wird, dass beispielsweise weder Kalorien gezählt noch Zero-Sirups mit in Restaurants genommen werden müssen, sondern nur der Lifestyle von Personen geteilt wird, sind dies zum Teil keine gesunden Vorbilder – insbesondere für eine junge Zielgruppe. Vor allem, weil die hier gezeigte Ernährung oft – ungekennzeichnet – in erster Linie auf sportliche Performance ausgerichtet ist.
Die Darmgesundheits-Community: Fermentieren statt Supplementieren
Das komplette Gegenteil dazu ist die Community, in der Darmgesundheit und ganzheitlich gesunde Ernährung im Vordergrund stehen. Das Erfolgsrezept hier: möglichst unverarbeitet, zuckerfrei, glutenfrei und fermentiert. Proteinpulver, kalorienfreie Süßungsmittel oder nicht fermentierte Haferflocken gelten hier als ungesund, was regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit Fitness-Athleten führt. Stattdessen: Datteln oder Bananen zum Süßen von Snacks, Limonaden werden mit Kefir selbst hergestellt, und eine große Bandbreite an Gemüsesorten wird fermentiert.
Gegenbewegung: Intuitives Essen ohne Regeln
Eine weitere, erneut konträre Sparte sind Influencer, die für eine gesunde Ernährung und einen gesunden Umgang mit Nahrungsmitteln „Iss so viel du willst, von was du willst“ propagieren. Kein Verzicht ist das Motto. Hier werden die zuvor genannten Konzepte kritisiert, da dadurch ein ungesunder Bezug zu Essen entstehen könne. Ein extremes Beispiel ist die Influencerin veganweilsguttut, die mit ihrer exzessiven Ernährung stark polarisiert und für „Rage Baiting“ in der Kritik steht. Ihr wird vorgeworfen, mit extremer Ernährung bewusst negative Aufmerksamkeit erzeugen zu wollen – was, sollte das der Plan sein, durchaus funktioniert. Wobei man auch hier hinterfragen kann, inwiefern völliger Verzicht auf Einschätzung und ausschließlich intuitives Essen wirklich der richtige Weg ist.
Zwischen den Extremen: Verunsicherung und Orientierungslosigkeit
Selbstverständlich kann hier nicht jede Bubble und jeder Grauton einzelner Influencer abgebildet werden. Doch das Gesamtbild, das zweifellos entsteht, ist bedenklich: Viele Nahrungsmittel-Checks, in denen unterschiedlichste Lebensmittel als ungesund abgestempelt werden. Zurück bleiben verunsicherte Verbraucher, die potenziell in dargestellte Extrembilder rutschen. Letztendlich ist Ernährung ambivalent: Es gibt viele Wege, die funktionieren können – und am Ende muss jede Person ihren eigenen finden. Es sei hier festzuhalten, dass es abgesehen von den hier genannten Modellen unzählige weitere negative Beispiele gibt, wie die „Carnivore-Diät“, die ausschließlich tierische Produkte empfiehlt, oder das bereits in einem Artikel besprochene „Skinny Tok“, welches auf höchst problematische Weise das Abnehmen um jeden Preis in den Mittelpunkt stellt. In diesem Kontext ist ein besserer Schutz der Verbraucher, insbesondere junger Nutzer, dringend erforderlich. Zum eigenen Schutz kann man problematische CreatorInnen auch blockieren.
Haferflocken jedenfalls sind reich an Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Proteinen – und damit definitiv kein ungesundes Lebensmittel. Lediglich zu viele Ballaststoffe können den Darm überfordern. Beim nächsten Ernährungs-Check auf Social Media also vielleicht lieber weiterscrollen – und sich in Sachen Ernährung besser nicht auf Instagram, TikTok & Co. verlassen. Lieber regelmäßig Blutbilder beim Arzt machen lassen – und sich ausprobieren!