Titel können auch reduzierend sein

Im Café mit der Autorin Alke Stachler

Text: Max Klein – Foto: privat
Text: Max Klein – Foto: privat

Die Augsburgerin Alke Stachler verfasst lyrische Texte, die der Autorin ebenso wie ihrem Leser einen Raum zur Entfaltung bieten. Auch in ihrem neuesten Werk dünner ort ist es ihr gelungen, den Eindrücken ihrer Umwelt, ihren Erfahrungen und ihrer Identität einen eigenen Ausdruck zu verleihen – in Texten, die ein sensibles Gerüst aus ihrer Person und bedeutungskräftigen Worten darstellen und zugleich eine Möglichkeit bieten, den eigenen Vorstellungen einen Moment einzuräumen. Wir haben die Lyrikerin getroffen und sprachen mit ihr über das Verhältnis zwischen Lyrik und Kunst, ihren Schreibprozess, ihren Arbeitsalltag und die gegangenen Schritte zu heutigen Veröffentlichungen.

presstige: Denkt man an Autoren, haben die meisten wohl zuerst Geschichtenschreiber im Sinn. Wie kamst du zur Lyrik?

Alke Stachler: Wenn ich so zurückdenke, waren meine ersten Schreibversuche kurze Geschichten im Grundschulalter. Lyrik und lyrische Texten bekamen für mich erst mit dem Studienbeginn eine immer zentralere Bedeutung. Das lag wohl vor allem daran, dass ich erstmals auf richtig gute Lyrik gestoßen bin. Gedichte, die mich ansprachen, eine Art von Ausdruck mit der ich in der Schule noch nicht in Berührung kam. Seitdem schrieb ich fast ausschließlich lyrische Texte. Ich versuche mich zwar immer wieder mal an prosaartigen Formen, aber da fällt es mir schwer, meine Sprache zu finden.

Die Loslösung von Formen ist in der gegenwärtigen Lyrik häufig zu sehen, bei dir z. B. dadurch, dass du weder Reime noch Titel verwendest, hat das bestimmte Gründe?

Gerade Reime und gereimte Gedichten finde ich, wegen ihrer starken Betonung auf den Endreim schwierig. Wenn ich versuche mit Reimen zu arbeiten, erhält er zu viel Aufmerksamkeit und dem einzelnen Wort wird etwas an Bedeutung genommen. Ohne Reime schenke ich jedem Wort dieselbe Achtung. Was die Titel angeht: Auch hier habe ich gewisse Schwierigkeiten. Titel nehmen viel vorweg, interpretieren und können auch reduzierend sein. Ich möchte meine Texte offen halten und dem Leser so wenig wie möglich vorgeben. Gerade in der Malerei findet man häufig titellose Bilder, die dem Betrachter einen offenen Raum für Gedanken bieten. Dasselbe wünsche ich mir für meine Texte.

2014 bist du die Preisträgerin der Literaturstiftung Bayerns geworden, du liest häufiger in Salzburg und vor Kurzem erschien dein Buch dünner Ort. Erfolg mit lyrischen Texten ist bei Weitem nicht selbstverständlich. Wie kam es zu deinen Erfolgen? Welche Schritte musstest du gehen?

Während meines Studium publizierte ich hin und wieder in einer Literaturzeitschrift der Uni oder im kleinen Rahmen, bis ich dann anfing, Texte zu verschicken. Ich recherchierte nach Literaturportalen und Zeitschriften, gerade von diesen Plattformen gibt es im deutschsprachigen Raum einige. Ich verschickte also meine Texte und versuchte mich, von Absagen nicht entmutigen zu lassen, denn die kommen auf jeden Fall.

Absagen sind auch heute noch Bestandteil deiner Arbeit?

Man muss zu Absagen zwangsläufig eine einigermaßen realistische Einstellung gewinnen und sich davon nicht zu sehr verunsichern lassen. Sie gehören einfach dazu und haben oft gar nicht direkt etwas mit den Texten zu tun. Manchmal liegt es einfach daran, dass die betreffende Zeitschrift ein bestimmtes Konzept, eine bestimmte Ästhetik verfolgt, in die man nicht ganz passt, oder, ganz banal, es hat Platzgründe! Oder aber, es hat doch mit den Texten zu tun, sie gefallen den Redakteuren nicht, und das ist ja auch deren gutes Recht! Absagen sofort löschen und trotzdem weitermachen, das ist das wichtigste!

Kritik tut also weh?

In jedem Text, den ich schreibe, steckt etwas von mir, meine Zeit, meine Energie, meine Sicht auf die Welt, Dinge, die mich beschäftigen, Dinge, die ich sagen will. Da tun negative Reaktionen immer weh, und darum fällt es mir auch schwer, Absagen nicht persönlich zu nehmen. Trotzdem, gerade bei Absagen ist es wichtig, sie abzuhaken und nach vorn zu schauen. Bei negativer Kritik ist es wieder anders, da kommt es drauf an, ob sie trotzdem produktiv und respektvoll geäußert wird und eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den Texten vorangegangen ist, dann schätze ich sie, auch wenn sie weh tut.

Kreativität ist nicht ganz einfach zu fassen und erst recht nicht in einem geregelten Acht-Stunden Tag. Wie sieht dein „Schreiballtag“ im Wesentlichen aus?

Mein Arbeitstag verläuft ganz unterschiedlich. Manchmal überarbeite ich Texte vom Vortag oder entwickele aus diesen Ideen Neue. In den letzten Monaten arbeitete ich meistens auf eine bestimmte Veröffentlichung hin, aber auch nebenher entsteht immer wieder mal ein Text. Ich versuche mich an verschiedenen Methoden: Ich öffne eine Datei und beginne wahllos zu assoziieren, schreibe ungefiltert meine Gedanken auf oder versuche Szenen aus Träumen zu verarbeiten. Druckreif ist das bei weitem nicht, aber es hilft, die gedanklichen Schleusen zu öffnen und die Hemmungen abzubauen. Ob das Ergebnis gut oder brauchbar ist, ist erstmal nebensächlich.


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