Nö zum Kö

Die Weichen für den Umbau des Königsplatzes werden erst nach einem weiteren Planungsverfahren gestellt

Wer Augsburg kennt, kennt den Königsplatz. Mehr als 100.000 Menschen tummeln sich täglich am „Kö“, wie der belebteste Platz von den Bürgern genannt wird. Scheint viel – ist viel. Wer zu den Stoßzeiten unterwegs ist, weiß: Der Kö platzt aus allen Nähten. Ein Umbau unter dem Titel „Mobilitätsdrehscheibe“ sollte das alltägliche Chaos für Busse, Bahnen und die vielen Umsteigenden schon bald beheben und dazu auch den Bahnhof mit berücksichtigen. Doch alles kam anders als von der Regenbogen-Koalition im Rathaus geplant. Am Sonntag, den 25. November 2007 haben sich die Augsburger entschieden: Der Umbau wird vorerst vertagt. Es wird eine neue umfassende Planung geben. Wie diese im Einzelnen ablaufen wird, ist noch vollkommen offen. Zunächst einmal bleiben die bereits vorhandenen Planungen für den Umbau in der Schublade – die Stadt hat einen Baustopp verhängt. Man steht wieder dort, wo man vor Jahren war: am Anfang. Ziemlich genau 30 Jahre hat Opa Kö, so wie wir ihn heute kennen, auf dem Buckel. Allein seit 1990 hat die Zahl der Fahrgäste um ein Viertel zugenommen und voraussichtlich wird sie auch in Zukunft weiter steigen.

Von Viktoria Wagensommer; Illustration: Simon Rabenstein; Fotos: Jan Koenen

(K)ein großer Wurf

Das ursprünglich geplante Gesamprojekt „Mobilitätsdrehscheibe“ besteht aus fünf Modulen: Umbau des Königsplatzes, Neubau der Straßenbahnlinien 5 und 6, Verlängerung der Straßenbahnlinie 1 und ein umfangreicher Umbau des Hauptbahnhofes mit Untertunnelung. Durch den Bürgerentscheid ist zunächst einmal das erste Modul betroffen. Ob und wann die Umsetzung des Gesamtprojektes erfolgt, ist derzeit unsicher. Als die „Mobilitätsdrehscheibe“ im April 2006 vorgestellt wurde, sah die Welt für die Augsburger Politiker allerdings noch ganz anders aus: Oberbürgermeister Paul Wengert sparte nicht mit Vorschusslorbeeren und bezeichnete das Projekt als einen „großen Wurf“. Für das 200-Millionen-Euro-Vorhaben hatten der Bund und der Freistaat Bayern Zuschüsse in Höhe von 156 Millionen Euro zugesichert.

Unter den beim Realisierungswettbewerb eingereichten Kö-Modellen entschied sich die Expertenjury Mitte November 2007 einstimmig für den Entwurf eines Berliner Architekten-Duos. Ihre Version hätte viel Glas, einen komplett überdachten Pavillon als „Sevicecenter“ und sogar einen neuen Namen für den Kö vorgesehen: „Königsplatz Bellevue“. Ob sie es geschafft hätten, den topfebenen Königsplatz in einen Aussichtspunkt, wie es ihn in Berlin oder Zürich gibt, zu verwandeln, werden die Augsburger jetzt wohl nie erfahren.

Der dritte Bürgerentscheid in der Geschichte Augsburgs

Denn schon lange bevor dieses Modell prämiert wurde, meldeten sich die Kritiker zu Wort: Die CSU sammelte Unterschriften für einen Bürgerentscheid, um die von der Stadtregierung (SPD, Die Grünen, FBU und ödp) befürwortete Planung der Stadtwerke nochmals aufzurollen. 53,2 Prozent der stimmberechtigten Augsburger machten ihr Kreuz am 25. November für die Neuplanung. Damit setzten sich die Kritiker beim Plebiszit durch. Die CSU hat nun die Möglichkeit, den von ihnen angekündigten „besseren Kö“ zu entwickeln.

Die SPD befürchtet hingegen, dass die versprochenen Fördermittel auf dem Spiel stehen, da es durch den erneuten Realisierungswettbewerb zu Verzögerungen kommt. Wengert rechnet mit mindestens zwei bis drei Jahren. Die CSU will dagegen in einem dreiviertel Jahr die neuen Pläne unter Dach und Fach haben. Sie versicherte den Augsburgern auf einem Wahlplakat zudem zuversichtlich: „156 Mio. gibt’s auch beim besseren Kö“. „Warum sollten die Fördermittel gestrichen werden? Nur weil es die SPD gerne hätte? Warum sollte es für etwas Besseres kein Geld geben?“, fragt sich der CSU-Fraktionsvorsitzende Hermann Weber. Den Geldgebern von Bund und Freistaat müsse, so Weber, lediglich klar gemacht werden, dass der bisherige Plan keinen Zuspruch bei den Bürgern gefunden habe und dass deshalb unter deren Einbeziehung neu geplant werden müsse.

Ein 70-er Jahre-Tunnel?

Der neue Wettbewerb werde sich vom ersten vor allem dadurch unterscheiden, dass nicht nur der öffentliche Personennahverkehr, sondern auch Fußgänger, Autofahrer und Fahrradfahrer bei der Planung mitbedacht werden, kündigt der CSU-Politiker an. „Damit Fußgänger, um zum Königsplatz zu gelangen, keine dreispurigen Straßen mehr überqueren müssen, wäre ein Autotunnel unter dem Kö sinnvoll. Es muss aber keinen Tunnel geben – es wäre auch möglich, eine der Straßenbahnlinien nicht über den Königsplatz zu führen, damit es dort weniger eng wird“, spekuliert Weber. Diesbezüglich würde es für das Planungsverfahren keine Vorgaben geben und auch die Kosten für den Kö-Umbau seien noch völlig offen. Dass renommierte Architekten der LMU München den Tunnel für eine „Stadtplanung aus den 70-ern“ halten, lässt die CSU kalt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Schneider kritisiert, dass die CSU vor dem Bürgerentscheid kein Gegenkonzept vorgelegt hätte: „Die Nörglerfront, die es in dieser Stadt immer gibt, hat sich zusammengefunden, ist sich aber nicht darüber im Klaren, was sie will, sondern nur über das, was sie nicht will. Mit ’Nein-Sagern’ kann man schlecht Politik machen“.

Ja-Nein-Verwechslung

Seiner Meinung nach, habe der Erfolg des Plebiszits auch an der komplizierten Fragestellung gelegen, die die Gegner zum „Ja“-Ankreuzen zwang. Wie leicht die Frage des Bürgerentscheids falsch verstanden werden kann, zeigt das Beispiel eines 66-jährigen Rentners aus Haunstetten: Er gestand im August der Polizei, 69 Unterschriften für das Zustandekommen des Bürgerentscheids gefälscht zu haben. Bei der Vernehmung des Mannes zeigte sich, dass er die umständliche Fragestellung des Bürgerbegehrens nicht verstanden hatte. Er befürwortete den schnellen Kö-Umbau und hätte eigentlich gar keine Unterschriften sammeln dürfen.

Woran es auch immer lag, der Bau wird nun nicht im Frühjahr 2008 beginnen, sondern, laut CSU, voraussichtlich erst ein Jahr später. Die SPD rechnet hingegen mit einem Baubeginn in weiter Ferne. Der Wahlkampf für die Kommunalwahl im März hat erst richtig begonnen.

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