Die Piraten hätten die Partei der Helden werden können. Doch sie sind gescheitert. Was machen wir jetzt? Am Besten erstmal keine Parteipolitik.
Text: Christian Endt, Illustration: Marina Schröppel
Was für eine Bilanz ist aus Heldensicht nach dem Jahr 2013 zu ziehen, das ja in Deutschland vor allem ein Wahljahr war? Helden wählen keine FDP, soviel steht fest. Die wählt aber überhaupt niemand, das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Und sonst?
Das große politische Ding dieser Heldengeneration hätte ja eigentlich die Piratenpartei werden können: Jung, netzaffin, mutig und anders – das waren genügend Gründe, hatte man gedacht. Nicht genug, um in dieser Rentnerrepublik Wahlen zu gewinnen, das nicht. Da zählt analoge Beständigkeit mehr als digitale Avantgarde. Aber doch genug, um den Laden mal wieder durchzuschütteln und einer jungen Generation den Glauben, oder zumindest das Interesse, an Parteipolitik zurückzugeben.
Kolumne: Generation der Helden
Wir sind schlau, wir sind trinkfest und wir sehen gut aus. Mit dem Elan der Jugend, den Möglichkeiten des Internets und einem Bier vom Kiosk werden wir die Welt retten. Diese Kolumne ist nur der Trailer. Christian Endt schreibt sie meistens dienstags und immer im Wechsel mit “Student sein” von Rebecca Naunheimer. Beide Kolumnen werden von Marina Schröppel illustriert.
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Am Anfang ist den Piraten das auch gelungen: Mit ihrem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus 2011 und in drei weitere Landtage im Jahr darauf hat die Piratenpartei für Aufregung gesorgt. Die damaligen Geschäftsführer Marina Weisband und Johannes Ponader waren Talkshow-Dauergäste. Sie wurden herumgereicht wie ein süßes Neugeborenes, das jede Tante einmal im Arm halten möchte.
Aber ein paar Landtagsmandate machen noch keine Partei. Als es darauf ankam, sind die Piraten gescheitert: Bei der Bundestagswahl holten sie gerade einmal 2,2 Prozent. Gegenüber ihrer ersten Kandidatur 2009 (2,0 Prozent) konnten sie sich kaum verbessern. In der Altersgruppe der Helden hat die Piratenpartei zwar überdurchschnittlich viele Stimmen geholt (hier eine Statistik für Baden-Württemberg, die bundesweiten Zahlen liegen noch nicht vor). Aber insgesamt ist das Ergebnis so enttäuschend, dass dies nur eine unbedeutende Fußnote ist.
Auch aus den Talkshows sind die Piraten wieder raus. “Die Piraten sind egal”, fasste der Journalist Lenz Jacobsen die Lage in seiner Analyse nach der Bundestagswahl zusammen.
Wahlen sind auch Glückssache. Gerhard Schröders Wiederwahl gelang 2002 unter anderem deswegen, weil in Ostdeutschland kurz vorher Hochwasser war und er mit ein paar Gummistiefel-Fotos punkten konnte. Und weil man seiner rot-grünen Koalition in Sachen Umwelt grundsätzlich mehr zutraute als der Opposition. So betrachtet, hatten die Piraten bei dieser Wahl unglaubliches Glück. Seit im Juni die ersten Snowden-Enthüllungen veröffentlicht wurden, hätten die Piraten eigentlich auf einer gigantischen Erfolgswelle reiten müssen. Eigentlich. Die Welle war da, nur die Piraten haben nicht rechtzeitig ihr Brett gefunden.
Vielleicht klappt es irgendwann noch. Auch die Grünen haben für ihren Marsch durch die Institutionen erst einmal Zeit gebraucht. Aber ob ihnen die Nachrichtenlage noch mal so in die Hände spielen wird? Außerdem: Die Piraten verweigern sich weiterhin jeder Professionalisierung. Mit dem Rücktritt der Geschäftsführerin Katharina Nocun haben sie im November eine weitere Hoffnungsträgerin verloren. Sie trat zurück, weil es die Partei ablehnt, ihr Spitzenpersonal für seine Arbeit zu bezahlen. Auch Idealisten und sogar Helden müssen von irgendwas leben.
Vorsichtshalber sollte man die Piratenpartei mit einem halben Auge im Blick behalten. Die Chance, an dieser Stelle zum politischen Arm der Heldengeneration ausgerufen zu werden, haben sie jedoch vorerst vertan.
Den anderen Parteien können wir uns freilich noch viel weniger anvertrauen. Das zeigte spätestens der in der vergangenen Folge besprochene Koalitionsvertrag. Also, wie geht’s weiter?
Das Symphatische an den Piraten war ja, dass dort auch an der Spitze häufig Leute standen, die einem irgendwie normal vorkamen. Die trugen keine grauen Anzüge und sprachen normales Deutsch. Damit sind sie leider nicht weit gekommen.
In allen anderen Parteien sind selbst sehr junge Politiker meistens glatt polierte, langweilige, angepasste Karrieretypen. Oft erscheinen einem die Jungen sogar besonders angepasst, weil die seit dem Verlust des letzen Milchzahnes nichts anderes im Sinn haben als ihre Parteilaufbahn. Auch keine Lösung.
Darum, glaube ich, ist der Heldenweg ein anderer. Wir sollten zunächst die Finger von der Parteipolitik lassen. Lasst uns Unternehmen gründen, Schüler unterrichten, Lieder schreiben, Stratosphärensprünge absolvieren, eine Bierdosensammlung anlegen oder was auch immer. Lasst uns Lebenserfahrung sammeln. Und dabei möglichst unagepasst bleiben. Dann sind wir in zehn oder zwanzig Jahren soweit, das Parteiensystem zu retten. Bis dahin sollten wir die grauen Herrschaften nur genau im Blick behalten. Und natürlich regelmäßig unser Kreuz machen. Bei den Piraten oder irgendwo anders.
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