Das Spiel von Macht und Unterwerfung

Interview mit einer Domina

In Tarquinia, einer Stadt in der Mitte Italiens, befindet sich eine der ältesten Abbildungen sadomasochistischer Praktiken, die um das sechste Jahrhundert vor Christus datiert ist. Damals waren sie zeitweilig Teil religiöser Inhalte. Doch wie wird das Spiel von Macht und Unterwerfung heute gespielt? Wir trafen Herrin Silvia in ihrem SM-Studio „Domicile Dark Emotion“ in Augsburg.

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Text: Nadja Hanselmann – Foto: privat

presstige: Wie würdest du deinen Beruf beschreiben?

Silvia: Erzieherin (lacht). Ich wollte früher auch schon immer Erzieherin werden, hab auch ein Praktikum im Kindergarten gemacht. Das habe ich dann aber nicht weiterverfolgt, weil ich lieber Geld verdienen wollte, unabhängig sein vom Elternhaus.

Und wie bist du zu deinem Beruf gekommen?

Ich habe zehn Jahre als Justizangestellte gearbeitet – also ein ganz normaler Routine-Bürojob. Gegen Ende arbeitete ich nebenbei im Dominastudio. So hatte ich erste Berührungen mit Fetisch-DVDs und Magazinen. Das hat dann meine Neugier geschürt.

Also durch pure Neugier?

Genau. Ich war fasziniert von den Klamotten, hochhackigen Schuhen, Lederoutfits, Latex und Masken. Ich habe mich dann mit Videos befasst und viel gelesen, was es mit Macht und Unterwerfung auf sich hat. Ich musste feststellen, dass das genau mein Thema ist – und eigentlich mein Traumjob.

Würdest du sagen, dass es einen bestimmten Typ Mensch gibt, der in SM-Studios geht? Zum Beispiel der erfolgreiche Geschäftsmann?

Das kann ich nicht bestätigen. Diese Klischeemeinung über die Mächtigen, die einfach mal loslassen und sich fallen lassen möchten, ist falsch. Mittlerweile geht das durch alle Strukturen. Ärzte, Postboten, Studenten oder Arbeitslose, die sich mühsam den Tribut zusammengespart haben. Natürlich auch Leute, die das Sagen haben und dann Andere mal entscheiden lassen wollen, was mit ihnen geschieht.

Das heißt, dass die Leute ihre Macht abgeben und machen, was du sagst?

Ja. Ich gebe ihnen einerseits die Möglichkeit, sich fallen zu lassen und eine Atmosphäre zu genießen, die nichts mit ihrem Alltag zu tun hat. Andererseits gibt es mir die Gelegenheit, meine Neigungen auszuleben und mich selbst auszuprobieren.

Ausgabe 26: MachtDieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 26 unseres gedruckten Magazins.

Wie muss man sich eine erste Session mit einem Neuling vorstellen?

Da versuche ich mich natürlich vorsichtig ranzutasten. Es gibt immer ein Vor- und Nachgespräch, in dem sich der Gast entsprechend artikulieren kann, was er möchte. Mir sind aber die am liebsten, die sagen: „Ich bin da und Sie können mit mir machen, was Sie wollen.“ Ich frage nur, was sie nicht haben möchten, da ich mich nicht als Dienstleisterin empfinde, sondern hier bin, um meinem Gegenüber zu vermitteln: Ab jetzt passiert das, was ich will – ob dir das Spaß macht oder nicht. Meistens macht’s ihm natürlich Spaß.

Warst du auch mal in der Rolle einer Sklavin?

Nein, war ich nie. War auch nie meine Fantasie. Ich habe mich in meiner Anfangszeit mal in einem Studio vorgestellt, in dem die Besitzerin der Meinung war, man solle sich von einer Sklavin zur Domina hocharbeiten. Das war aber nicht meinen Neigungen entsprechend und man sollte immer authentisch sein. Die Gäste sind sehr feinfühlig und merken es, wenn jemand nicht mit echter Lust bei der Sache ist.

Eine Frage, die viele beim Thema SM im Kopf haben: Kommt es bei diesen Sessions zum Sex?

Jein. Also ich spreche jetzt nur für mich. Es gibt keinen Geschlechtsverkehr, keinen Oralverkehr. Es gibt Verkehr in dem Sinne, dass ich mit dem Umschnalldildo meine Sklaven penetriere. Im Rahmen von Toilettensklaven-Erziehung bestehe ich auf Sauberleck-Dienste. Das hat aber nichts mit Oralverkehr zu tun, es geht allein um die Erniedrigung. Es gibt auch Bizarrladys, die zwar dominant geneigt sind, aber gegen Ende dann doch Verkehr mit dem Sklaven haben – meistens unter erschwerten Bedingungen. Etwa gefesselt oder mit Brustklammern.

Wie erlernt ihr den Beruf der Domina?

Ich habe den Beruf so erlernt, dass ich bei Sessions einer erfahrenen Domina dabei war und Fragen gestellt habe, so wie du jetzt: Gibt es irgendwelche Risiken, auf was muss ich achten… Bei den Seminaren sind auch Ärzte und Psychologen anwesend und halten Klinikseminare am lebenden Objekt ab. Dort lernt man, wie man einen Katheter legt oder wie man nadelt. In diesem Bereich haben wir auch eine Intensivschwester mit einer fundierten Ausbildung.

Ist es schon passiert, dass ein Gast bei einer Session aufdringlich wurde?

Aufdringlich in dem Sinne nicht. Es war wahrscheinlich ein Test oder gehörte für ihn mit zum Spiel. Es war ein ziemlich großer und kräftiger Typ, der plötzlich aufstand und sagte: „Jetzt fick ich dich!“ Ich hab dann nur auf seinen Schwanz gezeigt und gemeint: „Damit?“ Hab ihn ausgelacht. Da hat er sich geschämt – obwohl er so ein Teil hatte!

Glaubst du, dass deine Gäste ihre Vorlieben vor der Außenwelt geheim halten oder offen damit umgehen?

Ich würde sagen, dass der größte Teil das geheim hält, aber es gibt mittlerweile mehr Leute, die offen damit umgehen. Zu meiner Anfangszeit wollte niemand darüber sprechen. Jetzt kommt es schon vor, dass jemand auf Empfehlung eines Freundes anruft. Es gibt auch Männer, die sich ihrer Partnerin anvertraut haben. Im besten Fall kommt die dann mal mit, um sich ein paar Sachen abzuschauen – da bin ich ganz offen. Ich gebe gerne mein Wissen weiter.

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