Die offene Flanke der Religion

Der Wilhelminisch-Osmanische-Sufi-Treff

Der Name kommt aus der Geschichte und die Idee ist eigentlich ganz einfach: Der zum Islam konvertierte Abdul Hakim möchte mit seinem Wilhelminisch-Osmanischen Sufi-Treff in Augsburg-Oberhausen einen Ort schaffen, an dem er seine Religion mit und für Andere lebt.

Kurz nach zwölf wirkt der Wilhelminisch-Osmanische-Sufi-Treff noch vollkommen verlassen. In einer halben Stunde trifft man sich hier laut der Neuen Szene, um „miteinander den großen Traum vom Frieden zu leben“. Allein das macht mich neugierig genug, dass ich mich erst einmal im Hauseingang gegenüber niederlasse. Doch mit dem Warten kommen die Fragen: Wer trifft sich eigentlich hier und wie genau leben sie den Frieden? Jetzt bin ich nun einmal da und als ich erste Geräusche im Treff höre, fasse ich mir ein Herz.

„Möchten Sie zu uns?“ Gerade als ich die Klinke herunterdrücken möchte, spricht mich ein arabisch aussehender Herr an. Er führt freundlich lächelnd eine ältere Dame ins Gebäude und hält auch mir die Tür auf, durch die der Geruch türkischen Gebäcks ins Freie dringt.

Treff_au·en

Wann: samstags, 12:30 Uhr
Wo: Prälat-Biglmair-Straße (gegenüber Hausnr. 23), 86154 Augsburg

Keine Frage der Religion

Drinnen bittet man mich, die Schuhe auszuziehen. Der Eingangsbereich wird von einem großen Bücherregal dominiert, doch die Treffen selbst finden in einem schmalen Raum nebenan statt. Im leicht abgedunkelten Zimmer nehme ich auf dem Boden neben den wenigen Gästen Platz, die genauso früh dran sind wie ich. Auch der Gastgeber Abdul Hakim ist noch nicht anwesend. Dennoch werde ich sehr herzlich mit Gebäck und schwarzem Tee empfangen. Obwohl ich sofort im Gespräch bin, fragt niemand nach meiner Religion.

Später erklärt mir Abdul Hakim, dass genau dieser Empfang einen Kern des Sufi-Treffs widerspiegelt. Er ist vor Jahren zum Sufismus übergetreten, einer eng an der Mystik orientierten Spielart des Islam, und hat den Treff in Oberhausen vor etwas mehr als einem Jahr gegründet. „Es geht darum, einen Platz der Offenheit und Toleranz zu schaffen, an dem ein jeder über seine Sorgen sprechen kann, woher er auch kommt oder woran er glaubt“, so Hakim.

Abdul Hakim hat vor etwas mehr als einem Jahr den Sufi-Treff gegründet
Abdul Hakim hat vor etwas mehr als einem Jahr den Sufi-Treff gegründet

Kaiser Wilhelm und der Sultan

Diese Idee steckt auch hinter dem zuerst etwas verwirrenden Namen des Wilhelminisch-Osmanische-Sufi-Treffs. Er spielt auf die Freundschaft zwischen Kaiser Wilhelm dem Zweiten und dem damaligen Sultan des Osmanischen Reiches an, die ungeachtet ihrer kulturellen Herkunft auf gemeinsamen Wertvorstellungen fußte. Natürlich trifft sich der gläubige Kern der Gruppe auch für ein gemeinsames Gebet. Doch die Teilnahme am Gebet ist keinesfalls Voraussetzung, um willkommen zu sein. Deshalb gibt es auch einige regelmäßige Gäste anderen Glaubens, die genauso die Gastfreundschaft der Sufis schätzen.

In diesem Miteinander liegt für Abdul Hakim der Kern aktiven Glaubens, nicht allein in seinen äußeren Regeln. „Religion ist wie eine Gartenhacke. Der Mensch kann sie sehr zerstörerisch benutzen. Es ist kein Wunder, dass Menschen, die nur die Salafisten kennen, deshalb den Islam fürchten. Doch mit der Hacke kann ich auch einen Acker bebauen und Wunderbares für die Menschen schaffen. Darum geht es beim Sufi-Treff.“

Jeden Samstag um 12:30 Uhr findet der Wilhelminisch-Osmanische-Sufi-Treff in Oberhausen statt.
Jeden Samstag um 12:30 Uhr findet der Wilhelminisch-Osmanische-Sufi-Treff statt.
Ausgabe 26: MachtDieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 26 unseres gedruckten Magazins.

Schreibe einen Kommentar