…oder was passt besser zum Thema Körper?
„Wer ein Mädchen aufgibt, weil sie ihm zu schüchtern scheint, wird von ihr verachtet als ein Ungeheuer, das nichts von der weiblichen Natur weiß.“ – Kamasutra, Buch III, Kapitel 2
Ja, ihr habt richtig gelesen: Auch Aussagen dieser Art finden sich im Kamasutra. Anders als die Meisten von euch glauben, ist es nicht ausschließlich ein Ratgeber für anatomisch kaum machbare Verrenkungen auf der Matratze mit mehr oder weniger aussagekräftigen Namen, wie Begegnung mit einer Kuh, Die Schlangenfalle oder auch Da Horn des Einhorns.
In Wahrheit handelt davon nur ein Kapitel in einem der sieben Bücher. Die restlichen 34 haben eine ganze Menge mehr zu bieten.
Der keusche Dr. Sommer
Für die meisten Überlieferungen gilt: Nichts Genaues weiß man nicht! Man geht allerdings davon aus, dass das Kamasutra zwischen 200 und 300 n. Chr. verfasst wurde. Ein indischer Gelehrter namens Vātsyāyana soll es nach eigener Aussage in „Keuschheit und höchster Andacht“ geschrieben haben. Wie er das geschafft hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Scheinbar hat er im Kamasutra aber tatsächlich eher eine Wissenschaft gesehen, denn, sagen wir mal so, der Wälzer liest sich nicht gerade wie “50 Shades of Grey“. Nach Deutschland kam das Buch im 19. Jahrhundert, also erst ganze 1500 Jahre später. Waren wohl eher verklemmt, unsere Vorfahren.
Verse des Verlangens
Im Hinduismus gehört das „Kama“, was etwa „nach dem Angenehmen und Sinngenuss streben“ bedeutet, zu den Lebenszielen eines Menschen. Frei interpretiert könnte es vielleicht heißen: Gönnt euch mal was und habt Spaß! Und das sollte doch jeder als Ziel haben, oder? „Sutra“ dagegen bezeichnet schlichtweg eine indische Versform.
Ein Handbuch für Frauenversteher
Was aber steht in den anderen Kapiteln, wenn nicht unser Lieblingsthema? Man könnte sagen, dass der Schmöker eine Anleitung für Männer ist, wie sie am besten mit Frauen umgehen. Vātsyāyana erklärt zum Beispiel, wie Mann das Vertrauen einer Frau gewinnt, was zu tun ist, wenn die Angebetete sauer oder der Ofen aus ist. Natürlich befasst sich auch ein komplettes Buch mit „dem Liebesgenuß“ – in aufschlussreichen Kapiteln wie „Die Mannigfaltigkeit der Küsse“ oder „Die Regeln für das Beißen mit den Zähnen“.
Klingt eigentlich nach genau dem Buch, auf das die Herren der Schöpfung, die verzweifelt versuchen, Frauen zu verstehen, immer gewartet haben. Allerdings bräuchten wir dafür dringend eine überarbeitete Auflage. Im 21. Jahrhundert wären wohl die wenigsten Damen davon begeistert, wenn Männer etwas über „das Treiben der Frauen im Harem“ lernen. Auch Anforderungen wie „Der Mann soll seine Geliebte halten und gleichzeitig Vögel schießen“, sind nicht mehr ganz up-to-date.
Ausgabe 28: Körper Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 28 unseres gedruckten Magazins.