Kommentar zum Umgang mit dem Ergebnis der US-Wahlen
Keiner hätte damit gerechnet und doch wollen es viele gewusst haben: Der umstrittene Unternehmer und Republikaner Donald J. Trump ist der designierte 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Bis zuletzt wurde der Wahlkampf mit seiner demokratischen Konkurrentin Hillary Clinton mit überharten Bandagen geführt. Auch diesseits des Atlantiks hat Trumps Kampagne unter dem Slogan „Make America Great Again“ für große Aufmerksamkeit gesorgt. Viele deutsche Beobachter in der Politik und den Medien haben ihn als den Prototypen eines neuen Populismus mit nationalem Zungenschlag betrachtet, den sie auch in Europa auf dem Vormarsch sehen. Hat die Wahl in der neuen Welt also einen empfindlichen Nerv auf dem alten Kontinent getroffen
Wenn deutsche Politiker von Populismus sprechen, meinen sie damit meist eine Form der Rattenfängerei: Polternde Selfmade-Politiker reduzieren die Debatte auf scheinbar einfache Lösungen komplizierter Probleme. Tatsächlich bedienen Populisten oftmals einfache Klischees, ziehen Emotionen jederzeit den Inhalten vor und stellen viele Freiheiten in Frage, die zum Kern liberaler Demokratien gehören. Klassische Feindbilder, die auch Trump bedient hat, sind angeblich korrupte Polit-Eliten und Zuwanderer. Hierzulande macht die Alternative für Deutschland (AfD) mit Schlagwörtern wie „Altparteien“, „Lügenpresse“ oder „Islamisierung“ in dieser Richtung Schlagzeilen. Doch es gibt eine viel entscheidendere Gemeinsamkeit der neuen Populisten. Sie sind bei Wahlen oder Referenden, wie zum Beispiel dem Brexit, erschreckend erfolgreich. Entsprechend lagen auch die deutschen Reaktionen auf die US-Wahl zwischen Fassungslosigkeit und Wut. Aber können wir uns derartig einseitige Reaktionen überhaupt leisten?
Keine Krise der Demokratie, sondern der Kommunikation
Wer sich darauf beschränkt, Trumps Positionen als autoritär zu brandmarken oder seinen Erfolg mit dem üblichen Kopfschütteln über die „verrückten Amis“ abtut, begeht einen folgenschweren Fehler. Er vergisst, dass die teilweise irrationalen Thesen der Populisten ganz reale Ursachen haben. Ein Faktor für Trumps Erfolg war es, emotionales Kapital aus der wirtschaftlichen Schieflage in den USA zu schlagen. Wichtige Punkte waren dabei eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sowie Jobs, die trotz harter Arbeit gerade so das Existenzminimum sichern. Das sind Probleme, die es nicht nur in Amerika gibt und die auch anderswo viel Frust heraufbeschwören. Trump hat das Gefühl erzeugt, sich dieser Sorgen mehr anzunehmen als Hillary Clinton, die er immer wieder als Teil einer „korrupten Machtelite“ beschimpft hat. Auch in Europa fühlen sich Bürger immer wieder allein gelassen von einer Politik, deren Prozesse und Entscheidungen sie nicht mehr verstehen. Der Grund dafür ist keineswegs, dass moderne Politiker an den Interessen der Bevölkerung vorbei agieren. Vielmehr haben Veränderungsprozesse wie die Globalisierung oder die Digitalisierung dafür gesorgt, dass der Alltag und die Aufgaben der Politik immer komplexer wurden. Populismus spricht nicht zufällig vor allem die Menschen an, die sich ohnehin als Verlierer dieser Veränderungsprozesse betrachten.
Damit sind Wahlerfolge der Populisten allerdings noch lange kein Problem der Demokratie, sondern vor allem der Kommunikation. Es gilt, auch komplizierte Themen und Entscheidungen so aufzuschlüsseln, dass sie nicht nur für Experten verständlich sind. Dabei handelt es sich um den zentralen Anspruch moderner Demokratien, den sich bereits heute viele Politiker zu Herzen genommen haben. Doch leider verirrt sich die Schwarz-Weiß-Rhetorik der Populisten immer noch viel zu häufig auch in andere Lager. Wer Parteien wie die AfD dämonisiert und ihre Wähler per se in das radikale oder kriminelle Lager verpflanzt, vergibt eine Chance. Allein schon im Sinne der demokratischen Freiheiten müssen sich die Politik und auch die Medien mit mehr Mut auf einen schwierigen Spagat einlassen. Es gilt, die berechtigten Sorgen der Bürger ernst zu nehmen, ohne dem Zynismus der sogenannten „besorgten Bürger“, der eigentlichen Basis des Populismus, nach dem Mund zu reden. Ein Wähler, aus dessen Sicht nur die Entscheidung zwischen dem Regen und der Traufe bleibt, kann immer wieder Trump wählen – sei es auch nur aus Protest. Ein erster ganz wichtiger Schritt ist dabei ein größerer Abstand von der gegenwärtigen Hysterie. Wer klare Kante gegen den Populismus zeigen will, kann dies nur auf inhaltlichem Wege erreichen. Auch wenn die Provokationen groß sind, wird es die Klischees der Populisten immer stärken, sich auf ihre Kampfrhetorik einzulassen. Das betrifft nicht nur die Politik, sondern die ganze Gesellschaft. So kann sich am Ende auch der Sieg Trumps positiv auswirken. Er zeigt uns Fehler, aus denen wir lernen können.
Wie jeder andere kann ich es immer noch nicht glauben, das Trump gewonnen hat.
Gruß Anna