Ach du Schreck! – Geschenke auf den letzten Drücker

Noch knapp eine Woche bis Heiligabend. Die Landschaft ist weiß bepudert, die Häuser und Wohnungen glitzern von Lichterketten und die Geschenke liegen gut verpackt im Vorrat, damit sie niemand sieht. Oder aber sie sieht niemand, weil keine da sind. Schuldgefühl und Panik kriechen mit jeder Stunde und jedem Tag weiter nach oben, bis sie schließlich im Kopf angelangt sind; zumindest bei denjenigen, die noch nicht einmal einen Plan haben, welchen Verwandten und welchen Freunden sie welches Geschenk geben wollen. Die Uhr tickt…

Text: Kai Weeber – Bild: Pixabay – Illustration: Julia Brandl

„Kein Problem! Ich besorge einfach Gutscheine!“

Gratulation für diesen äußerst innovativen Vorschlag. Laut einer Befragung der FOM Hochschule 2018 verschenken 51 Prozent der Deutschen an Weihnachten gerne Gutscheine. Natürlich sind auch andere Güter wie Drogerieartikel oder Bücher recht beliebt, nichtsdestotrotz bleibt der Gutschein das triviale Geschenk schlechthin. Zugegeben, wenn man wenig Zeit und wenig Kreativität besitzt, ist das eine gute Lösung. Die beschenkte Person nimmt einem selbst die Wahl eines passenden Geschenks ab und erspart einem zugleich den Kampf auf Leben und Tod in den Kaufhäusern kurz vor Weihnachten. Die Krönung all dessen ist vermutlich der Amazon-Gutschein. Wer seine Nächsten so schlecht kennt, dass man nicht einmal weiß, ob sich jemand für Bücher, Kino oder Musik interessiert, der greift ganz bequem auf das unendliche Sortiment des Internet-Monopolisten zurück. Für alle, die sich nun persönlich angegriffen fühlen: Auch ich habe schon Gutscheine verschenkt. Gerade bei Verwandten, die scheinbar weder Hobbies noch Interessen haben, bleiben häufig nicht viele Alternativen. Nichtsdestotrotz kann es dazu verleiten, sich wenig Gedanken darum zu machen, dass das Geschenk auch wirklich persönlich ist und zeigt, dass man den anderen kennt und wertschätzt.

„Na schön, wenn Kaufen anscheinend so unpersönlich ist, dann stelle ich selbst etwas her!“

Schon besser. Jetzt kommt es darauf an, wo die eigenen Fähigkeiten liegen. Wer handwerklich geschickt ist, bastelt ein paar schöne Staubfänger, wer gut backen kann, zaubert ein paar leckere Plätzchen, die nach Weihnachten genauso liegen bleiben wie der Rest des Schokoladenweihnachtsmannes. Scherz beiseite, es gibt natürlich auch viele nützliche Geschenkideen, denen man seine ganz persönliche Note mitgeben kann. Wer auf pinterest nach „DIY Weihnachtsgeschenke“ sucht, wird schier erschlagen von der Flut an Ideen, die sich über einem ergießt. Auch zwei meiner Kolleginnen haben sich in dieser Adventszeit an Rezepten für Plätzchen und Punsch probiert, den Artikel darüber könnt ihr hier lesen. Ob sich hingegen viele darüber freuen, wenn man Ihnen eine Kerze schenkt, die rundherum mit Zimtstangen beklebt ist, sei dahingestellt. Um gute Ideen für Geschenke zu finden, die auch noch zur Tante oder zum besten Freund passen, braucht man wiederum eines – Zeit.

„Nichts ist recht.“

Darüber kann man tatsächlich nachdenken, und zwar im doppelten Sinne. Der Handelsverband Deutschland prognostiziert für das Weihnachtsgeschäft 2018 einen Gesamtumsatz von über 100 Milliarden Euro; eine Person gibt im Weihnachtsgeschäft 2018 voraussichtlich 472 Euro im Durchschnitt aus. Dieser Durchschnitt bezieht sich natürlich auf die Gesamtbevölkerung, dementsprechend liegen Schüler und Studenten bei Weitem unter dem Durchschnitt. Trotzdem kann man sich angesichts dieses unvorstellbaren Geldwerts fragen, wo genau der Zweck darin liegt, so viel auszugeben. So liegt der Schritt nahe, von „Nichts ist recht“ zu „Nichts schenken ist recht“ zu kommen. Doch dafür ist es jetzt vermutlich zu spät; der Vorschlag, sich dieses Jahr an Weihnachten nichts zu schenken, klingt zwei Tage vor Weihnachten eher nach einer Ausrede als nach einer Vereinbarung. Einziger Ausweg: sich mit schwarzem Antikapitalismus-Pulli unter den Baum setzen und sagen: „Ich unterstütze dieses System nicht! Kein Geld den Monopolkapitalisten!“ Wobei, wenn man mit diesen 100 Milliarden Euro gemeinnützige Zwecke unterstützen würde, wäre das wahrscheinlich ein größerer Gewinn als eine weitere Charge an Amazon-Gutscheinen. Die Idee ist tatsächlich interessant: Statt einem Geschenkgutschein verschenkt man einen Gutschein für eine Spende an die SOS-Kinderdörfer oder die Igelhilfe. Es gibt Leute, denen ich es zutrauen würde, dass sie sich darüber freuen – und dann gibt es auch wieder welche, denen ich das nicht zutrauen würde. Aber ausgefallen ist diese Geschenkidee allemal.

„Was soll ich jetzt nun machen?!“

Ruhe bewahren. Schreibe alle Freunde und Verwandte auf einen Zettel, denen du etwas schenken möchtest. Sammle zu jeder Person Stichworte, wofür sie sich interessiert und was sie in ihrer Freizeit macht. Dann lege den Zettel zur Seite und beschäftige dich den restlichen Nachmittag mit etwas völlig Anderem. Die besten Ideen kommen, wenn man nicht nach ihnen sucht – das ist kein kitschiger Kalenderspruch, sondern nennt sich „Inkubation“ und ist tatsächlich eine gute Vorgehensweise, um Einfälle zu bekommen. Und wenn dir wirklich nichts mehr einfällt, was du deinem Onkel oder deiner Oma schenken willst, dann schenke Zeit. Wann hast du zuletzt mit Ihnen einen ganzen Nachmittag verbracht? Zeit ist knapp und ein Geschenk, das zeigen kann, wie viel dir jemand wert ist. Am besten in Form eines Zeitgutscheins.

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