Warum ich gerne wieder 8 wäre

Weißt Du noch damals in der 2. Klasse, als Du unbedingt vorspulen wolltest um zu sehen, wie Du später mal sein wirst, was Du machst, wie Du aussiehst, ob Du cool bist oder nicht? Jetzt habe ich eher häufiger das Gefühl zurückspulen zu wollen. In eine Zeit in der ich 8 Jahre alt war. Als ich frei, abenteuerlustig und voller Tatendrang war. Vielleicht wünschst Du Dir auch einige Dinge Deines alten Ich’s zurück? Vielleicht sollten wir alle wieder ein kleines bisschen 8 werden.

© Simone Rasper-Sandmann

Ich stehe auf und mein größtes Problem ist, dass ich erst um 11 wieder frei haben werde und ich erst dann wieder die Nachbarskinder aus dem Haus klingeln kann. Am Wochenende habe ich frei, aber so richtig frei, ich hab nichts vor und alles was mich belastet ist, dass ich den blöden Meerschweinchenstall am Samstagmorgen ausmisten muss. Ich beschwere mich, warum ich nie drei Kugeln Eis haben kann und überhaupt darf mein Bruder doch immer viel mehr als ich in seinem Alter damals.

Im Fernsehen läuft „Briefe von Felix“ und „Little Amadeus“ und wenn nach dem „Sandmann“ das KiKa-Haus erscheint denke ich wirklich, dass Sendeschluss ist. Ich trinke heiße Schokolade aus der Nuckelflasche, weil ich alles will, was mein kleiner Bruder auch bekommt. Ich putze danach wirklich gründlich meine Zähne, weil ich weiß, dass sonst mein ganzer Mund lila sein wird beim nächsten Zahnarztbesuch.

Wenn die Sonne scheint bin ich immer draußen. Ich düse mit meinem City Roller durch die Vorstadt und springe vom Dach am Klettergerüsthäuschen. Ich verfolge verdächtige Personen mit Walkie Talkies und erfinde neue Funksprüche, die außer mir und meiner besten Freundin keiner versteht. Ich komme oft zu spät von der Schule nach Hause, weil man für einen Kilometer schon auch mal eine knappe Stunde einplanen muss. Wenn es regnet freue ich mich und mache einen Regenschirm Tanz ala „Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm“.

Manchmal verkleide ich mich auch. Einfach so auch ohne Fasching. Oder ich färbe mir Strähnchen, mal rot mal blond, aber immer nur eine. Ich gründe eine Bande, die mindestens genauso cool ist wie „Die wilden Hühner“ und auch, wenn ich Jungs echt blöd finde, besuche ich sie oft auf dem Bolzplatz. Wir ärgern uns den ganzen Tag aber irgendwie wissen wir doch, dass wir uns eigentlich mögen. Ich gehe gerne zur Schule, habe immer etwas zu tun. Denn wenn mir mal langweilig ist, denke ich mir was aus. Ich baue ein Terrarium, bastle oder schreibe Tagebuch. Ich habe natürlich auch ein Diddl-Freundebuch, damit ich mich immer an meine allerbesten Freunde erinnere. Ich lese gerne und erzähle auch jedem gerne von all den Geschichten, die ich verschlungen habe. Ich grüße Menschen, die ich auf der Straße sehe einfach so, obwohl ich sie nicht kenne, das macht man so, sagt Mama.

Ich bin kreativ und voller Tatendrang, so gut wie nichts kann mich aufhalten oder aus der Bahn bringen, denn ich bin 8 Jahre und denke nicht darüber nach, was andere von mir denken, was andere von mir halten oder was ich am besten heute anziehe. Ich trage was Mama mir rauslegt, was irgendwelche Kinder von Bekannten vor mir getragen haben, weil ich so schnell wachse, dass ich eh nur ein halbes Jahr reinpasse. Ich habe praktische Schuhe, die sogar „atmen“ und der Klettverschluss ist eine Selbstverständlichkeit. Ich habe einen Helm auf, weil es ohne viel zu gefährlich wäre. Und wenn ich zum Bäcker gehe schreibe ich mir immer alles auf, damit ich auf keinen Fall vergesse, dass das Brot geschnitten sein sollte. Andere Kinder fahren Einrad, ich bin eher der Wakeboarder und auch wenn viele die Scooby Doos gerne rund knoten mag ich sie lieber eckig.

Wenn meine Familie in den Urlaub fährt, beschwere ich mich stundenlang über’s wandern und warum ich nicht im 5 Sterne Hotel in der Türkei sein kann. Doch auf dem Berg oben bin ich immer glücklich. Auf der Autofahrt höre ich Sams-Kassetten und Reisefieberlieder und wenn ich schlechte Laune habe, ärger ich einfach meinen Bruder. In den Ferien bin ich außerdem oft bei Freizeiten oder der Stadtranderholung. Dass ich niemanden dort aus der Schule kenne, ist mir egal, ich finde problemlos neue Freunde, keinen einzigen Gedanken verschwende ich in Zweifel.

Mein Leibgericht sind Spaghetti mit Ketchup und es ist mir ganz egal, dass das nicht gerade gesund ist. Im Restaurant nehme ich oft einfach die Finger um das Essen auf die Gabel zu schieben, es stört niemanden und mich auch nicht. Ich hasse duschen und das schlimmste Gefühl überhaupt ist Shampoo in den Augen zu haben. Darf ich ausnahmsweise mal baden, geh ich in das gleiche Wasser wie mein Bruder vor mir und ich denke nicht mal darüber nach.

Wenn ich schlafen gehen muss obwohl ich noch nicht müde bin, mache ich einen Aufstand, wie wenn jemand gestorben wäre. Ich brülle und strample wie verrückt. Und danach? Bin ich wirklich müde. Dann zieh ich meinen richtigen Schlafanzug an. So einen, bei dem beide Teile zusammenpassen und der zur Jahreszeit passt. Das letzte was ich mache bevor ich einschlafe ist all meinen Kuscheltieren „Gute Nacht“ zu sagen. Ich brauche keinen Wecker, weil ich darauf vertraue, dass mein Papa mich wecken wird. Und wenn nicht, auch egal, ich bin so gespannt auf den neuen Tag, dass ich wie von alleine um kurz vor 7 aus dem Bett hüpfe. Weil ich Bock habe auf alles was noch kommt und vor mir liegt…

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