Ein Mini-Experiment
Ich sitze im Schneidersitz mit geschlossenen Augen auf dem Teppich in meinem WG-Zimmer und versuche mich auf die leise Frauenstimme aus einem YouTube-Video zu konzentrieren, während nebenan die Waschmaschine versucht, ins All zu starten und die Bauarbeiter unten vor dem Haus die Säge herzzerreißend kreischen lassen. So startet mein Mini-Experiment „Sieben Tage Meditation“.
Meditation. Mit diesem Begriff verband ich automatisch das Klischee eines farbenfroh gekleideten Hippies, der mit geschlossenen Augen im Schneidersitz auf der Erde sitzt und laut „Ooooommm“ vor sich hin nuschelt. Dass ich das selbst mal machen würde, hätte ich eigentlich nicht gedacht. „Das ist mir viel zu langweilig, rumzusitzen und nichts zu tun“, war meine bisherige Einstellung dazu. Zuviel Stress und daraus resultierende andauernde Kopfschmerzen brachten mich dann doch dazu, zu recherchieren. Natürlich hatte ich vorher schon einmal was über Meditation gehört, es aber eher mit einer Art religiöser Praktik verbunden, als mit einer Entspannungsmethode.
Und nun sitze ich hier an Tag 1 meiner Challenge. Ich soll mir einen Wald vorstellen. Ich gebe mir alle Mühe, die „leise zwitschernden Vögel“ und das „Rauschen der Bäume“ zu hören, allerdings gelingt mir das nicht unbedingt gut, was möglicherweise auch an der Geräuschkulisse liegt. Nach vier Minuten mentalem Waldspaziergang habe ich meine erste kleine Meditation hinter mir und öffne die Augen. Erstes Fazit: Vielleicht sind 7 Tage doch zu lang.
In Anbetracht der ersten weniger erfolgreichen Meditation, erscheint mir das Thema der heutigen Meditation „Du schaffst das!“ sehr passend. Die Waschmaschine hat heute Ruhetag und auf der Baustelle wird glücklicherweise mal nicht gesägt. Mit der Konzentration klappt es auch schon besser. Dafür komme ich mir schon ein bisschen dämlich vor, als ich mich selbst laut sagen höre: „Ich schaffe das!“ und „Ich bin ein toller Mensch mit ganz vielen Talenten!“ Nach ganzen ambitionierten 16 Minuten endet die Meditation, aber eigentlich kam es mir gar nicht so lange vor.
Am nächsten Morgen muss ich zugeben, dass ich mich auf meine Viertelstunde Meditation schon freue. Auf dem Programm steht eine Mantra-Meditation aus einem Podcast für mehr Gelassenheit. Während der Meditation soll ich immer wieder den Satz „Auch das geht vorbei.“ wiederholen, tief ein- und mit einem Seufzer ausatmen. Ich bin froh, dass meine Mitbewohner im Urlaub sind, denn diese Geräuschkulisse ist nicht gerade jugendfrei. Nach elf Minuten Seufzerei ist es vorbei, und ich öffne die Augen. Auch, wenn ich diese Meditation bestimmt nicht noch einmal mache, habe ich irgendwie das Gefühl, dass es mir diesmal schon viel leichter gefallen ist.
An Tag 4 habe ich meinen Wecker verschlafen und die Meditation, die sonst immer morgens geplant war, muss leider auf abends verschoben werden. Nun ist der Wecker für morgen gestellt, die Zähne sind geputzt und ich sitze im Schlafanzug auf dem Bett, bereit für meine Einschlaf-Meditation. Eine ruhige Frauenstimme nimmt mich mit auf „eine Reise durch meinen Körper“. Ich höre bewusst auf meinen Atem, versuche meine Gedanken ruhig zu stellen und mich zu konzentrieren. Die Meditation zeigt Wirkung und ich schaffe es gerade noch, unter die Decke zu schlüpfen und mein Handy und das Licht auszumachen, bevor ich auch schon wegdämmere. Das hat doch besser geklappt als gedacht.
Am nächsten Tag nehme ich mir die Zeit für eine 17 Minuten lange Meditation. Für die richtige Stimmung habe ich mir eine Kerze angezündet und sitze vorschriftsmäßig in Yogi-Position auf dem Boden. Ich drücke auf Play und schließe die Augen. Die ruhige Frauenstimme ist zwar sehr angenehm, aber heute ist einfach nichts zu machen. Meine Gedanken schweifen ständig ab, zu der leckeren Lasagne von vorhin, zu meinem nächsten Arbeitstag, und so weiter und sofort. Nach 17 Minuten Konzentrationskampf öffne ich die Augen, nachdem sich die Stimme aus dem Podcast verabschiedet hat und bin frustriert. Das hat schon mal besser geklappt.
Ganz nach dem Motto „Never change a winnig team“, kehre ich an Tag 6 zu einer Einschlaf-Meditation zurück. Diesmal ist es eine Meditation mit einer Männerstimme, die mich 10 Minuten lang in den Schlaf reden soll. An die ersten fünf Minuten kann ich mich auch noch erinnern, dann muss ich wohl eingeschlafen sein. So langsam finde ich wirklich Gefallen an diesen Einschlaf-Meditationen.
An Tag 7 und damit am letzten Tag meiner kleinen Challenge bin ich motiviert, noch einmal was Neues zu versuchen und probiere eine Visualisierungs-Meditation aus. Sie soll „die Sonne in mein Herz lassen“ und für gute Laune und innere Wärme sorgen. Klingt gut. Los geht’s. 10 Minuten lang stelle ich mir vor, wie mein Herz mit jedem Schlag goldenes Licht in meinen Körper pumpt. Ich bin konzentriert, nicht mal die Bauarbeiter schaffen es heute, mich zu stören. Nach der Meditation öffne ich die Augen und fühle mich zwar nicht erleuchtet, aber doch ziemlich entspannt.
Obwohl ich dem Thema Meditation anfangs sehr skeptisch gegenüberstand und eigentlich dachte, dass das nur was für Mönche oder Esoteriker ist, muss ich sagen, dass mich diese paar Minuten „Kopf-Abschalten“ am Tag doch sehr entspannt haben. Ich werde es auf jeden Fall weiter versuchen, wenn vielleicht auch nicht täglich.
Fazit: Meditation ist für mich auf jeden Fall kein Humbug (mehr)! Als „mindblowing“ würde ich es aber auch nicht unbedingt beschreiben. Es braucht schon ein bisschen Zeit, bis man sich darauf einlassen kann. Aber wenn man die Hemmungen einmal überwunden hat, lohnt es sich.
Kopfschmerzen hatte ich jedenfalls die ganze Woche nicht. Ob das Zufall ist?