Franziska Wörz ist 20 Jahre alt, gebürtige Augsburgerin und studiert in der schönen Fuggerstadt Mathematik im Bachelor-Studiengang. Neben ihrem Hobby Schwimmen und ihrem Engagement bei Foodsharing Augsburg ist die Studentin auch noch das jüngste Mitglied des Augsburger Stadtrates. Hier engagiert sie sich unter anderem im Finanz-, Bildungs- und Sportausschuss sowie im Büro für kommunale Prävention. Politik, Freizeit und Studium müssen dabei gut getaktet organisiert sein. Bei presstige gibt sie ihr Interview-Debüt.
Der Stadtrat
Der Stadtrat Augsburg stellt das höchste städtische Gremium dar, welches die Bürger*innen wählen können. Hier werden Grundsatzentscheidungen für die städtische Entwicklung getroffen sowie Richtlinien für die selbstständige Verwaltung festgelegt.
Im Stadtrat liegt das Durchschnittsalter bei 48 Jahren, 23 von 60 Stadträt*innen sind weiblich. Mit 57 Prozent hat die Grünen Fraktion den höchsten Frauenanteil. 33 Rät*innen sind neu in das Gremium eingezogen, davon neun allein aus der Partei der Grünen. Franziska Wörz ist eine von ihnen.
Franziska Wörz im Gespräch
Hallo Franziska! Schön, dass wir uns heute treffen können. Du bist mit 20 Jahren die jüngste Augsburger Stadträtin. Ist dein Alter im Zusammenhang mit deinem politischen Engagement ein häufiges Thema?
Franziska: Ich habe nicht das Gefühl, dass das wichtig ist. Gerade in meiner Tätigkeit als Stadträtin wird nicht nach meinem Alter gefragt. Das wird auch nicht negativ konnotiert. Andere junge Politiker*innen stört es vielleicht, nach ihrem Alter gefragt zu werden. Vor allem, wenn sie oft darauf angesprochen werden. Das ist bei mir aber nicht der Fall. Vielleicht sehe ich schon so alt aus (lacht).
Wie zuversichtlich hast du deiner Wahl in den Stadtrat entgegengeblickt?
Franziska: Bei uns Grünen ist alles sehr basisdemokratisch geregelt. Da wurden in einer Aufstellungsversammlung die Listenkandidaten gewählt und ich bin auf Platz sieben gelandet. Ich hatte dann auch das Gefühl, dass das hinhauen könnte und war relativ zuversichtlich.
Generell ist es als junge Studierende eher so, dass man runtergewählt wird. Wenn die Wähler lesen, dass die Kandidatin studiert, hat sie ja noch nie gearbeitet und scheinbar weniger Lebenserfahrung. Durch den guten Listenplatz habe ich aber mit meiner Wahl gerechnet. Wir konnten als grüne Partei auch mit 14 Plätzen in den Stadtrat einziehen. Ich musste auf Platz sieben also kein knappes Rennen erwarten. Bei der Aufstellungsversammlung war ich tatsächlich aufgeregter.
Die Wähler der Grünen sind oft jung.
Franziska: Das stimmt. Das ist auf allen Ebenen zu sehen. Bei der Bundestagswahl oder bei den U-18-Wahlen wählen junge Menschen eher grün oder links.
Franziska Wörz in drei Worten ist…
Franziska: …sehr ehrgeizig und zielstrebig. Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, möchte ich das auch erreichen. Empathisch bin ich hoffentlich auch. Ich kann mich generell gut in Leute hereinversetzen. Diese Fähigkeit will ich nicht verlieren. Ehrlicherweise bin ich auch ziemlich verpeilt. Manchmal bin ich doch ein kleiner Schussel.
Woher kommt deine politische Begeisterung?
Franziska: Ich war schon als kleines Kind politisch interessiert. Früher habe ich oft mit meinem Papa die Tagesschau gesehen und mich immer aufgeregt. Da waren „alte Menschen“, die Sachen entschieden haben, die ich als Kind nicht nachvollziehen konnte. In der Schule fand ich Sozialkunde sehr spannend und hatte da viel Spaß dran. Später habe ich mich bei der Grünen Jugend engagiert.
Warum wolltest du dich im Stadtrat engagieren?
Franziska: Den Schritt, für den Stadtrat zu kandidieren, bin ich wegen zwei Gründen gegangen: Erstens wegen der Klimakrise, weil die wirklich jetzt passiert. Da wollte ich selbst etwas machen. In meiner Schulzeit habe ich außerdem ehrenamtlich in einem Flüchtlingsheim gearbeitet. Da habe ich die Lebensrealität dieser Menschen mitbekommen und diesen Rechtsruck, den wir in Europa haben. Das fand ich furchtbar.
Warum hast du dich für die Partei Bündnis 90/Die Grünen entschieden?
Franziska: Das war genau wegen den beiden Punkten Klimakrise und Rechtsruck in der Gesellschaft. Ich konnte mich am besten mit den Grünen identifizeren und bin dann beigetreten. Tatsächlich relativ spät. Ich war lange bei der Grünen Jugend, bei der Partei bin ich seit circa zwei Jahren Mitglied. In der Stadt Augsburg sind wir jetzt knapp 400 grüne Mitglieder.
Info:
Die Grüne Jugend nimmt Mitglieder auf, die beim Eintritt in die Jugendorganisation höchstens 27 Jahre alt sind. Wer in die Jugend eintritt, wird nicht automatisch Parteimitglied bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Andersherum wird jeder, der jünger als 28 ist und der Partei beitritt, automatisch Mitglied bei der grünen Jugendorganisation.
Wie sieht dein Zeitmanagement zwischen Studium, Politik und Freizeit aus?
Franziska: Das werde ich tatsächlich ziemlich oft gefragt. Jetzt im Stadtrat habe ich schon mehr mit Politik zu tun als früher. Ich habe mich aber, wie vermutlich alle im Stadtrat, schon vorher politisch engagiert. Deswegen ist es jetzt von der Stundenzahl nicht viel mehr geworden. Politik und Freizeit überschneiden sich auch teilweise. Ich habe bei der Grünen Jugend Freunde kennengelernt. Da ist Politik nie ganz weg. In der Uni bin ich auch im studentischen Konvent.
Wir hatten in der Uni jetzt auch ein Online-Semester. Da konnte ich meine Vorlesungen gut nachhören, wenn ich einen politischen Termin hatte. Ich bin gespannt, wie ich das hinbekomme, wenn es wieder Präsenzveranstaltungen gibt. Man muss ein gutes Zeitmanagement haben, aber es ist machbar. Ich habe einen Kalender, den ich auf jeden Fall brauche (lacht).
Unterliegt ihr im Stadtrat einen informellen Fraktionszwang?
Franziska: Einen Fraktionszwang gibt es so nicht. In unserer ersten Fraktionssitzung haben wir aber festgelegt, dass wir innerhalb der Fraktion immer versuchen wollen, einen Konsens zu erreichen. Wir wollen so lange über die Themen reden und Lösungen finden, bis alle mitgehen können. Es sind nicht immer alle sehr glücklich, aber jeder soll die Beschlüsse mit seinem Gewissen vereinbaren können und wollen. Dieses Konsensprinzip finde ich gut, auch wenn es sehr zeitaufwändig ist. Dafür sind wir alle gleichberechtigt und debattieren zusammen.
Sollen gerade junge Menschen in die Politik?
Franziska: Meiner Ansicht nach sollte jedes Parlament – egal ob im Bund, Land oder Stadt – die komplette Bevölkerung widerspiegeln. Da muss auch das Alter eine Rolle spielen. Es sollte immer ein Querschnitt der Gesellschaft vertreten sein. Momentan ist es eher nicht so. Die Politik ist oft männlich dominiert. Im Augsburger Stadtrat haben wir einen Frauenanteil, der höher ist als jemals zuvor. Das ist eine gute Entwicklung. Es sollten aber nicht nur Akademiker*innen im Stadtrat sitzen. Da kann ich mich als Studentin natürlich nicht herausnehmen. Ich finde es aber sehr wichtig, dass Leute ohne akademische Ausbildung oder mit Migrationshintergrund in der Politik vertreten sind.
Wie können sich junge Menschen einbringen?
Franziska: Für junge Leute gibt es viele Wege, sich politisch zu engagieren. Fridays for Future, das Gleichstellungsreferat oder das Umweltreferat an der Uni. Es muss nicht immer eine Partei oder ein Parlament sein, in dem man sich engagiert.
Vor dem Rathaus campieren und demonstrieren Aktivisten im Klimacamp. Wie stehst du dazu?
Franziska: Entstanden ist das Camp ja aufgrund des beschlossenen Kohleausstieggesetzes der GROKO auf Bundesebene. Jetzt dürfen bis 2038 Kohlekraftwerke weiterlaufen. Eine Eindämmung des Temperaturanstieges um 1,5 Grad ist so schlichtweg nicht mehr möglich. Da wird mir manchmal gesagt, dass ich die nächste Bundestagswahl abwarten soll, bei denen die Grünen vielleicht in der Regierung beteiligt werden. Aber die Weichen, die jetzt gestellt werden, wirken dieses Jahr noch fort. Es ist auch kompliziert diese dann wieder zu ändern.
Mit dem Klimacamp werden jetzt alle Stadträte in Augsburg mit diesem Thema konfrontiert, nicht nur die Mitglieder des Umweltausschusses. Auch das Thema Fahrradstadt ist wieder präsenter. Da ist auch schon vieles in die Wege geleitet worden. Vieles sieht man jetzt noch nicht, aber da wird noch einiges passieren.
Meine persönliche Meinung über das Klimacamp ist sehr positiv. Das sind junge Leute, die erkannt haben, was Sache ist und sich engagieren. Die haben Lust und Motivation, mit Politiker*innen ins Gespräch zu kommen und ihre Meinung darzustellen. Es gibt viele Workshops, bei denen auch Politiker*innen der verschiedenen Fraktionen teilgenommen haben. Das Camp ist eine tolle Informationsplattform. Ich stehe hinter dem Klimacamp.
Vielen Dank für deine Zeit und das interessante Gespräch!