Nachhaltig vs. stylish – Augsburgs beste secondhand Shops

Es ist Herbst geworden in Augsburg. Und während sich die Blätter an den Bäumen verfärben und der Wind immer kälter wird, tauschen auch die Puppen in den Schaufenstern der Annastraße allmählich Sommerkleid und Sonnenhut gegen Strickpullover und Übergangsmantel ein. „Die neue Kollektion ist da!“, ruft es von den Werbebannern an den Fassaden der Einkaufsläden herab. Im Kopf gehe ich schnell meine Wintergarderobe durch und überlege, welche Mode-Essentials mir für die kühle Übergangszeit noch fehlen. Voller Vorfreude mich bald mit den neusten Trends der Saison eindecken zu dürfen, öffne ich Zuhause angekommen meinen Kleiderschrank. Die Ernüchterung kommt schnell. Alles voll!

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass unsere Gesellschaft ein Konsumproblem hat. Klar wissen wir, dass wir mit dem Kauf von Jeanshosen zum Preis von 20 Euro nicht den besten ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Auf dem Etikett des Oberteils für 7,50 haben wir wahrgenommen, dass es in Bangladesch hergestellt wurde. 90% Polyester, 10% Elastan. Und wenn wir ehrlich sind, ist uns auch bewusst, dass die billigen T-Shirts und Hosen bis zur nächsten Saison nicht überleben werden. Verwaschen, ausgeleiert, kaputt.

War das schon immer so?

Die Bekleidungsproduktion hat sich von 2000 bis 2014 verdoppelt. Im Jahr 2014 wurden mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke neu produziert. Kein Wunder, deutsche Verbraucher_innen kaufen im Schnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr, tragen diese allerdings nur noch halb so lang wie vor 15 Jahren. Dabei wird jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen, wer kennt das nicht? Fast Fashion lautet das Stichwort.

Kleiner Preis für uns, großer Preis für die Umwelt

Eine Baumwollblüte auf einer Baumwollplantage

Das alles sind meist keine neuen Informationen für uns. Das Wissen über die Folgen der Fast Fashion Industrie geistert wohl doch irgendwo in unseren Köpfen herum, sorgt hin und wieder für ein schlechtes Gewissen, aber ist im Endeffekt weit weg und betrifft uns nicht.

Was können wir tun?

Klar können wir uns als Student_innen keinen fair und nachhaltig produzierten Pullover für 80 Euro leisten. Aber was wäre, wenn wir einfach mal anfangen würden kleine Schritte zu machen, anstatt aus Angst vor dem Scheitern gar nicht erst anzufangen? Wer sagt denn, dass nachhaltige Mode immer nach Ökotante aussehen muss? Und was, wenn der erste Schritt zu einem bewussteren Kleiderkonsum gar nicht weit von unserer Haustüre entfernt ist?

Der einfachste Weg einen Kleider-Kollaps zu verhindern, ist unsere Kleidung länger zu tragen. Indem wir dessen Lebensdauer schon von einem auf zwei Jahre verlängern, könnten CO2-Emissionen um bis zu 24 Prozent reduziert werden. Wer seinen Kleiderschrank aber hin und wieder mal mit neuen Schätzen füllen möchte, kann auch einen anderen Weg gehen. Das Kaufen und Verkaufen von gebrauchter Kleidung in secondhand Shops wird immer beliebter. Denn das Wiederverwenden von gebrauchter Kleidung spart nicht nur Verpackungsmüll, sondern verbraucht auch keine neuen Ressourcen durch die Neuproduktion von Kleidung.

Um herauszufinden, welche Auswahl an secondhand Shops Augsburg zu bieten hat und vor allem, wie alltagstauglich und modern die dort angebotene Kleidung ist, mache ich mich an einem herbstlichen Mittwochnachmittag auf dem Weg in die Innenstadt.

Jeder Sweater ein Einzelstück

Erster Stopp ist der Vintage Store „ONIMOS“ in der Nähe des Domes. Das schrille Logo und die mit bunten Sweatern voll bepackten Kleiderstangen scheinen mir schon von der Straße aus entgegen. Wer auf 2000er Croptops, Mom-Jeans und bunte Schlaghosen steht, wird hier das Herz aufgehen. Vintage-Verkäuferin Beyza erzählt mir, dass es den Shop schon seit sechs Jahren in Augsburg gibt. Der zweite ONIMOS Store hat vor zwei Jahren in der Vintage Metropole London seine Türen geöffnet. Die gebrauchte, gut erhaltene und trendige Kleidung kommt aus den Niederlanden und England und ist nicht nur bei Teenagern und Studenten beliebt, es kaufen auch ältere Menschen bei ONIMOS ein. Das Besondere ist: Jeder Artikel ist ein Einzelstück und lässt sich daher nicht in gewöhnlichen Modeläden wiederfinden. Beyza gibt daher den Tipp sofort zuzuschlagen, wenn man etwas besonders schön findet. Sie denkt, dass der secondhand Boom vor allem daher kommt, dass die 2000er und 90er Stile langsam wieder in Mode kommen und Vintage Kleidung eine Alternative zur standard Kleidung vom Fließband der großen Modeketten sein kann.

Vintage-Verkäuferin Beyza in ihrem Lieblingsoutfit
Beyza in ihrem liebsten ONIMOS Outfit

„Mode ist, was zu einem passt“

Ein bisschen weniger dirty Vintage Vibes, aber dafür mehr Glitzer und Glam bietet Cornelia Ratzenbergers Designer Secondhand und Neuwaren Boutique „Kleidsam“ am Perlachberg. Hier wird jeder, der sich gerne Designer- und gute Marken Qualität gönnt, garantiert fündig. Von Prada, Gucci und Balenciaga bis zu Gerry Weber und Converse ist alles dabei, jedoch zu viel günstigeren Preisen als im Neuwarengeschäft. Ratzenbergers Prinzip ist es, unbezahlbare Kleidung bezahlbar zu machen. Dabei betont sie, dass es um hochwertige Kleidungsstücke geht, die bei gutem Umgang jahrelang angezogen werden können. Somit spart man Geld und ist keinem Modetrend unterlegen, wobei ihrer Meinung nach Mode ist, was zu einem passt. Die Vintage Ware wird von Privatkunden in Kommission genommen. Im Prinzip kann also jeder, der Markenklamotten in einem guten Zustand besitzt und verkaufen möchte bei Frau Ratzenberger anfragen. Für Student_innen ist „Kleidsam“ leider keine secondhand Alternative für den gesamten Kleiderschrank. Wer jedoch schon immer mal ein Designerstück besitzen wollte, tut durch einen Besuch bei „Kleidsam“ nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Geldbeutel etwas Gutes.

Stylishe secondhand Mode gibt´s bei Kleidsam
©Cornelia Ratzenberger

Secondhand meets soziales Engagement

Ein paar Meter weiter finde ich bereits den nächsten Secondhandladen, der sich vor allem an seinem Konzept von den anderen Vintage Shops unterscheidet. „Vintys“ hat keinen privaten Inhaber, sondern gehört zur kirchlichen Hilfsorganisation Aktion Hoffnung. Jeder der seine (gut erhaltene) aussortierte Kleidung loswerden will, kann diese persönlich im Vintys Laden oder in einem der in Augsburg aufgestellten Kleiderbehälter der Aktion Hoffnung abgeben. Die Kleiderspenden werden sortiert und je nach dem, im Vintys als Gebrauchtware verkauft, oder weniger brauchbare Textilien als Putz- und Spüllappen weiterverwendet. „Wir werfen nichts weg!“, beteuert Minu, die als Festangestellte bei Vintys arbeitet. In meiner Vorstellung werden die im Container gesammelten Kleidungsstücke direkt in andere Länder an hilfsbedürftige Personen geschickt. Minu erklärt mir jedoch, dass der günstige Verkauf von Secondhandware in wirtschaftlich schwächeren Ländern die dortige Textilindustrie zerstören würde. Deswegen wird die Kleidung an drei Vintys Standorten verkauft, mit dem Umsatz Personalkosten abgedeckt und Förderprogramme in verschiedenen Ländern unterstützt. Beispielsweise werden damit Krankenhäuser, Schulen und Kinder- und Jugendzentren in Ländern wie Syrien, Libanon, Südafrika und Südamerika finanziert. Der Kauf von secondhand Kleidung bei Vintys fördert daher nicht nur den nachhaltigen Umgang mit Textilien, sondern unterstützt auch die Umsetzung von sozialen Projekten.

Vintage-Fan Viviana in einem Blazer mit Hahnentrittmuster
Old-school Bluse mit Verzierung
Oversize Bomberjacke und grau-weiß kariertes Hemd

Wir müssen nicht alle perfekt sein

Neben H&M, Zara und Mango findet man in der Augsburger Innenstadt also auch andere Shopping Alternativen. Abgesehen von ONIMOS, Kleidsam und Vintys, bietet zum Beispiel auch das Contact Sozialkaufhaus eine sehr große Auswahl an Secondhandware. Ein bisschen auf Nachhaltigkeit und faire Fashion zu achten sollte somit auch in Augsburg kein Problem sein, auch wenn die Auswahl an neuen und günstigen Modekollektionen oft sehr verlockend sein kann. Ich denke, dass es gar nicht so schlimm ist auch mal bei den großen Fast-Fashion Riesen einzukaufen. Wie bei vielen Dingen im Leben, ist der bewusste Konsum von Kleidung doch viel wichtiger als blinder Verzicht. Sich vorher zu überlegen was man wirklich braucht, ob die Jeanshose tatsächlich zu einem passt oder man doch nur einem neuen Trend nachgehen möchte. Vielleicht einmal in eine teurere, aber dafür hochwertige und langlebige Jacke zu investieren. Es gibt einige Dinge, die wir machen können, um die Fast Fashion Industrie nicht weiter zu fördern. Ab und zu secondhand einzukaufen kann deswegen eine echte Alternative sein.

Das bedeutet nicht, dass jeder einzelne sofort seinen Konsum umstellen muss, um ein „perfekt-nachhaltiger“ Konsument zu sein und uns vor einem Kleider- und Klima-Kollaps retten zu können. Es kommt darauf an, dass jeder das Bewusstsein über sein Konsumverhalten stärkt und sich damit auseinandersetzt. So können schon viele „unperfekte“ Konsumenten mit kleinen Schritten und Taten einen großen Unterschied machen.

*Quelle: https://www.bmu.de/themen/wirtschaft-produkte-ressourcen-tourismus/produkte-und-konsum/produktbereiche/mode-und-textilien/