Augsburg ist bunt: Afrikanische Wochen im Herzen Augsburgs

Mit unserer neuen Artikelreihe „Augsburg ist bunt“ möchten wir von Presstige Vereine, Orte und Initiativen in Augsburg vorstellen, die sich für Vielfalt und Diversität einsetzen.

Wenn ihr schonmal aufmerksam durch die Augsburger Innenstadt spaziert seid, ist euch bestimmt in der Weißen Gasse der Weltladen aufgefallen. Der Laden gehört zum Verein „Werkstatt Solidarische Welt e.V.“. In unserem ersten Artikel der neuen Themenreihe stellen wir euch diesen Verein genauer vor. Die Solidarische Werkstatt betreibt nicht nur den Weltladen, sondern organisiert seit 30 Jahren jährlich die Afrikanischen Wochen im November. Im Gespräch mit Presstige waren Sylvia Hank, Maureen Lermer und Yvonne Kay Odhiambo.

Weltladen Augsburg
© Franziska Riesinger

Sylvia arbeitet seit 2003 hauptamtlich als Bildungsreferentin für die Solidarische Welt. Maureen stammt aus Kamerun und lebt seit 24 Jahren in Deutschland. Sie ist seit drei Jahren im Organisationsteam für die Afrikanischen Wochen. Yvonne ist seit 18 Jahren in Deutschland und war dieses Jahr zum ersten Mal bei den Afrikanischen Wochen dabei. Sie übernahm die Moderation bei der diesjährigen Eröffnungsveranstaltung.

Presstige: Wie kam es zur Gründung des Vereins Werkstatt Solidarische Welt?

Sylvia: Oh, das liegt weit zurück. Der Verein wurde 1980 gemeinsam mit dem Weltladen gegründet, mit dem Ziel eine Möglichkeit zu bieten, solidarisch zu handeln und durch fairen Handel und Bildungsarbeit etwas zu verändern. Der Gründungsgedanke durch Bildung und Information etwas verändern zu können ist über die Jahre gleich geblieben. Letztes Jahr hätten wir unser 40-jähriges Jubiläum gehabt, was leider durch die Corona-Pandemie ausfallen musste.

Presstige: Das ist wirklich schade. Wie genau hängen denn die Werkstatt und der Weltladen zusammen?

Sylvia: Wir sind ein Doppelpack. Die Werkstatt ist der Trägerverein, also eine e.V. und der Weltladen ist eine GmbH. Eine GmbH hat Gesellschafter und der Hauptanteil der Gesellschafter gehört dem Verein. Der Laden betreibt Handel mit Waren, die fair gekauft werden, und der Verein macht Bildungs- und Kampagnenarbeit. Wenn wir ein Handy besitzen, dann müssen wir wissen, dass es im Kongo Minen gibt, wo Kinder ausgebeutet werden. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, weil es auch immer um politische Dinge geht. Überhaupt ist die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit von europäischen Ländern sehr wichtig.

Presstige: Sylvia, du hast schon häufiger Afrika angesprochen. Afrika hat auch etwas mit eurem Verein zu tun. Ihr organisiert jedes Jahr die Afrikanischen Wochen. Wie kam es dazu?

Sylvia: Die Afrikanischen Wochen entstanden dadurch, dass sowohl Deutsche als auch Menschen mit afrikanischem Hintergrund sich engagieren wollten. Sie wollten informieren, aber auch ein Fest organisieren, um Begegnungen zu ermöglichen. Das war immer unser Ziel – Afrika sichtbar zu machen. Die Veranstaltungsreihe speziell zu Afrika begann schon zehn Jahre nach der Gründung des Vereins. Jedes Jahr mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Mal waren es Menschenrechte, mal Solidarität oder verschiedene Länder in Afrika. Der Grund für die Veranstaltungsreihe war, dass Afrika von unserer deutschen Perspektive weit weg ist. Ich persönlich glaube, dass Afrika heutzutage noch weiter von uns entfernt, ist als früher. Würden wir jetzt zum Beispiel rausgehen und zu den Leuten sagt: Nennen Sie drei Länder in Afrika, dann würden wir tolle Überraschungen erleben.

Jetzt bist du gefragt: Kannst du spontan drei afrikanische Länder nennen?

Maureen: Das ist sogar im Reisebüro so. Eine Freundin von mir hat ein Reisebüro. Ich habe sie gefragt: „Warst du schonmal in Afrika?“ Sie verneinte das, obwohl sie schon in Marokko war.

Silvia: Obwohl es die afrikanischen Wochen schon seit 30 Jahren gibt, ist unsere Mission noch nicht erfüllt. Deswegen gibt es die Veranstaltungsreihe immer noch.

Maureen: Aber trotzdem ist viel passiert. Als ich das erste Mal da war, war ich so glücklich. Ich habe gelernt, dass hier nicht zeigen muss, wer ich bin und woher ich komme.  Es ging nicht um mich als Person, sondern es wurden spannende Gespräche geführt.   

Silvia: Ja genau. Es ist so schade, dass das Eröffnungsfest wegen Corona nur eingeschränkt stattfinden konnte. Es gibt immer so viel zu erleben. – Infostände und Vorführungen, Mode und Musik, Gespräche und Essen. Viele Besucher:innen kommen schon seit Jahren und freuen sich immer, dass sie tanzen können und dass interessante Gespräche möglich sind.

Presstige: Das klingt alles sehr spannend, aber auch nach viel Aufwand. Wie kann man Mitglied werden oder sich bei den Afrikanischen Wochen beteiligen?

Silvia: Bei der Afrikanischen Woche darf jede:r, der/die sich interessiert und offen ist eigene Sichtweisen zu hinterfragen, mitmachen. Jede:r der/die Interesse hat , die Afrikanischen Wochen mitzugestalten oder eine Idee für ein Thema hat, schickt eine Mail an kabatas@werkstatt-solidarische-welt.de und wird dann zum nächsten Treffen eingeladen. Dafür muss man kein Mitglied im Verein sein. Wer das aber sein möchte, füllt einen Zettel aus und zack, ist man schon dabei. Für einen kleinen jährlichen Betrag kann man so Mitglied werden.

Maureen: Ein wichtiger Punkt ist, dass jede:r helfen kann, unabhängig von seiner/ihrer Herkunft. Ich finde es toll, wenn auch Europäer mitmachen wollen. Nur weil ich aus Afrika komme, kenne ich mich nicht mit allem aus. Jede:r ist gefragt.

Yvonne: Vor allem wenn es um das Thema Integration geht. Da sind wirklich alle gefragt, weil da muss man die Sichtweise von jedem und jeder sehen, damit man die goldene Mitte finden kann.

Werkstatt Solidarische Welt, Interview, Presstige
Unsere Gesprächspartnerinnen Yvonne (links), Maureen (mitte) und Sylvia (rechts) © Franziska Riesinger

Presstige: Findet ihr, dass wir uns derzeit in einem gesellschaftlichen Umbruch befinden? (Hinblick BLM etc.)

Yvonne: Ja, total. Ich habe das Gefühl wir befinden uns mitten in einem Umbruch. Es ist Wahnsinn! So viele Thematiken um uns herum, die diskutiert werden, die man neu lernt. Das ist wie eine Flasche Cola, die bisher verschlossen war. Früher waren bestimmte Themen ein Tabu und jetzt kommt ein Thema auf, du öffnest die Flasche und alles fließt heraus – man kann es nicht mehr aufhalten. Jetzt musst du dich mit der überquellenden Flasche Cola beschäftigen.

Maureen: Zum Beispiel das N-Wort. Damals war es kein Tabu. Und jetzt sollte man es nicht mehr sagen. Andere Menschen wissen überhaupt nicht, wieso und warum wir die Verwendung des Wortes stoppen möchten.

Yvonne: Genau, ich bekomme auch heute manchmal die Frage: „Yvonne, darf ich dich überhaupt schwarz nennen?“

Neulich hat ein toller Kollege von mir erklärt: „ Als wir Kinder waren, haben wir das N-Wort zu den Schwarzen gesagt. Das war ganz normal. Da waren die afroamerikanischen Soldaten da und haben uns Süßigkeiten geschenkt.“ Und ich habe gesagt: „Ich verstehe dich, aber stell dir Mal heute vor, wenn du mit meiner zehnjährigen Tochter sprechen würdest und sie würde den Mittelfinger zeigen, was würdest du dazu sagen?“
-Yvonne

Yvonne: Als wir aufgewachsen sind, da war der Mittelfinger keine Beleidigung, aber ich muss mich trotzdem anpassen, denn heutzutage ist es eine Beleidigung. Damals habt ihr diese Wörter gesagt, weil ihr das nicht gewusst habt. Ich gehe davon aus, dass ein 50-Jähriger wissen muss, dass es (das N-Wort) eine Beleidigung ist. Ich finde es wichtig, die Sichtweisen von jedem/jeder zu sehen. Ebenso wichtig ist es, dass sich jede:r engagiert, zum Beispiel wie wir bei den Afrikanischen Wochen. Denn bei einem Event wie diesem kommt alles zusammen und verschmilzt. Dabei entsteht diese lockere Atmosphäre, wo man ungezwungen diskutieren und miteinander sprechen kann.

Sylvia: Ich halte die Begegnung für total wichtig. Denn wenn es diese Begegnungsmöglichkeit nicht gibt, dann sind die Menschen, die Kulturen fremd.

Presstige: Das was ihr gerade erzählt habt, passt zu unserer letzten Frage: Ist Augsburg für euch bunt?

Yvonne: Ja, ich finde Augsburg ist bunt, was Nationalitäten und Diversität angeht. Ich habe Freunde von überall, aus den verschiedensten Ländern.

Maureen: Mit der Zeit ist Augsburg, sehr, sehr bunt geworden. Ich treffe mich jeden Tag mit ungefähr sechs verschiedenen Nationen hier.

Sylvia: Ist Augsburg bunt? Auf jeden Fall! In Augsburg hat etwa die Hälfte der Bürger:innen einen Migrationshintergrund. Schade ist, dass Augsburg, das manchmal nicht wahrnehmen will. Aber von den Menschen, die hier sind und die Kultur, Interessen, Talente, Stimmung, Familie mitbringen, ist Augsburg auf jeden Fall bunt. Es bleibt wichtig, den Austausch zu fördern. Damit nicht jede Farbe eine Insel ist, sondern dass es gemeinsame Aktivitäten gibt und sich diese Vielfalt, und dieses bunt sein, gegenseitig bereichert.

Presstige: Vielen Dank für das spannende Interview!

1 thought on “Augsburg ist bunt: Afrikanische Wochen im Herzen Augsburgs”

  1. Tolle info, ich wusste davon nichts und würde gerne mehr erfahren, allerdings bin ich inzwischen viel zu selten in Augsburg. Das wird sicher auch wieder anders. Danke für euer interessantes Interview!!! Maria Zinkler

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