“Frei*raum bleibt oder Frei*raum geht?” – Was es mit der Besetzung des studentischen Freiraums auf sich hat

Am Montag den 15. November herrschte gegenüber der alten Cafete reger Betrieb. Gegen elf Uhr wurde der sogenannte Frei*raum von Studierenden der Universität Augsburg besetzt, zusätzlich machten in der letzten Woche Banner am Uniteich und im C-Gebäude auf den Protest aufmerksam. Wir von Presstige haben mit Aktivist:innen vor Ort gesprochen. Im Interview mit uns war Susana, eine Referentin des Referats für studentische Freiräume. Sie selbst war nicht an der Besetzung des Raumes beteiligt, aber sie steht hinter den Aktivist:innen.

Frei*raum der Universität Augsburg
Frei*raum der Universität Augsburg am Tag der Besetzung am 15.11.2021 © Aktionsbündnis "Frei*raum bleibt"

Was ist der Frei*raum?

“Der Frei*raum ist ein Raum zur freien studentischen Verfügung. Er hat mehrere Funktionen, zum einen ist er ein Rückzugsort für Studierende, die sich kurz dem stressigen Alltag entziehen wollen, zum anderen ist es ein Ort zum Austausch zwischen Kommiliton:innen”, erklärt uns Susana. Besonders für neurodiverse Personen bietet ein solcher Raum eine Rückzugsmöglichkeit. Stillende können ungestört ihre Kinder stillen oder Diabetiker:innen ihr Insulin spritzen. Neben Einzelpersonen können hier die verschiedensten Initiativen der Universität plenieren. Die Verantwortung für den Frei*raum liegt bei dem Referat für studentische Freiräume.

Vor der Corona Pandemie stand im Frei*raum der sogenannten Fairteiler, eine Aktion vom Foodsharing. In einem Kühlschrank gab es gespendete Lebensmittel, die sich Studierende kostenfrei mitnehmen durften. Die Nahrungsmittel wären ansonsten im Abfall gelandet. Des Weiteren befand sich in dem Zimmer eine Tausch- und Verschenkecke für weitere Lebensmittel, wie beispielsweise Brot.

Wie kam es zur Besetzung des Frei*raums?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Seit fast 30 Jahren wird dieser Raum der Universität von Studierenden verwaltet, zunächst als ein Rückzugsort für Frauen und Lesben. 2015 startet das Projekt Frei*raum.

Im Laufe der Zeit kam es schon öfters zu Konflikten zwischen den Studierenden und der Universitätsleitung. “2017 wurde der Raum schon einmal geschlossen, weil ein obdachloser Student darin geschlafen hat”, berichtet Susana. Als Konsequenz ließ die Universitätsleitung den Raum seitdem über Nacht absperren. Zur finalen Schließung des Frei*raums kam es im Februar 2020: Während der Klausurenphase des damaligen Semesters sammelte sich in der Räumlichkeit viel Müll. Ohne mit den Studierenden oder dem Referat für studentische Freiräume in Kontakt zu treten, beschloss die Universitätsleitung den Raum zu sperren. Susana betont, dass auch sie die Verhältnisse im Frei*raum für unzumutbar hielt, weist aber darauf hin, dass sich zum damaligen Zeitpunkt nur wenige Studierende um den Frei*raum kümmerten. Gleichzeitig entsorgten die Benutzer:innen ihre Abfälle nicht. “Wir haben dann versucht Kontakt zu der Universitätsleitung aufzunehmen. Leider wurden wir ignoriert, hingehalten und vertröstet”, erzählt Susana von ihren Bemühungen. Während des Lockdowns versuchten dies auch mehrere AStA-Mitglieder, allerdings ohne Erfolg.

Am 15. November wurde der Raum erstmals wieder geöffnet. Jedoch nicht, um den Studierenden zur Verfügung zu stehen, sondern aufgrund von Renovierungsarbeiten, denn die Universitätsleitung plant hier eine Anlaufstelle für den Familienservice einzurichten. Die Studierenden unterstützen den Familienservice, sie setzen sich aber auch für den Frei*raum ein.

“Die Universitätsleitung spielt zwei Dienstleistungen gegeneinander aus. Wir wünschen uns, dass der Familienservice ein Treffpunkt in Campusnähe bekommt, jedoch nicht auf Kosten des Freiraums. Es ist die Aufgabe der Universität, für genügend Raum zu sorgen.”
Philosphie-Studentin Natalie
Eine der Gründer:innen des Aktionsbündnisses "Frei*raum bleibt"

Im Zuge der Renovierungspläne wurde ohne vorherige Ankündigung der Inhalt des Raumes entfernt. Unter anderem wurden Möbel, sowie persönliche Gegenstände der Studierenden, Materialien der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und feministische Literaturwerke des ehemaligen Frauen- und Lesbenreferats entsorgt. Gegen elf Uhr besetzte das Aktionsbündnis “Frei*raum bleibt” besagte Räumlichkeit. Ihre Forderungen: ein Gespräch über die Wiedereröffnung des Frei*raums sowie eine schriftliche Bestätigung der Raumnutzung.

Was passierte nach der Besetzung?

Die Studierenden verwalten den Raum seitdem selbst. Sie halten unter anderem Plena zur weiteren Gestaltung des Protests, bieten verschiedene Workshops an und reaktivieren das Foodsharing-Angebot. Unterstützt werden die Aktivist:innen vom studentischen Konvent, das von Studierenden gewählte Gremium der Universität Augsburg, dem Bundesausschuss der GEW und der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (DIE LINKE). Das Aktionsbündnis „Frei*raum bleibt“ startete eine Petition für den Erhalt des Raumes. Zum Zeitpunkt des Interviews wurden bereits über 350 Unterschriften gesammelt. Der Protest zeigt erste Erfolge, denn die Universitätsleitung suchte in Folge der Besetzung Kontakt zu den Aktivist:innen. Ein Gespräch fand eine Woche später, am 22. November, statt.

Wie lief das Gespräch mit der Universitätsleitung?

Es wurde lange und intensiv über den Frei*raum gesprochen. Mit dem Ergebnis, dass sich die Leitung noch einmal intern bespricht. Die Entscheidung wird sie am ersten Dezember bekannt geben und diese bereits am Folgetag umsetzen. Die Aktivist:innen befürchten, dass ihnen der Raum im Zuge dessen endgültig entzogen wird.

Noch ist die Zukunft des Frei*raumes nicht entschieden und es besteht Hoffnung für die Aktivist:innen.

Protest des Aktionsbündnisses "Frei*raum bleibt"
Protest-Banner des Aktionsbündnisses "Frei*raum" bleibt © Franziska Riesinger

1 thought on ““Frei*raum bleibt oder Frei*raum geht?” – Was es mit der Besetzung des studentischen Freiraums auf sich hat”

Schreibe einen Kommentar