Senk ju vor träwelling wis deutsche Bahn

Überfüllte Züge, Verspätungen und Zwangsräumungen. So wurde in den Nachrichten vom Bahnverkehr am Pfingstwochenende berichtet. Das Neun-Euro-Ticket hat zahlreiche Reisende in die Züge gelockt, mich eingeschlossen. Bei meiner Reise durfte ich so einiges erleben.

Seit dem 1. Juni ermöglicht das Neun-Euro-Ticket, mit dem öffentlichen Nahverkehr durch ganz Deutschland zu fahren. Laut dem Verband deutscher Verkehrsunternehmen wurden seit Verkaufsstart rund 16 Millionen Tickets verkauft. Hinzu kommen die etwa 10 Millionen Abos, die für Juni, Juli und August als Neun-Euro-Ticket gelten. Damit hat fast ein Drittel der deutschen Bevölkerungen das Ticket erworben. Die nackten Zahlen lassen nur vermuten, wie es in den Zügen der deutschen Bahn zugeht. Deshalb kommen hier einige persönliche Einblicke zum Bahnfahren mit den Neun-Euro-Ticket. So viel sei vorweg genommen: Jede Zugfahrt ist ein kleines Abenteuer. Um die Stimmung richtig einzufangen, wurden Abschnitte des Artikel während dem Bahnfahren, sowie beim Warten auf einen verspäteten Zug geschrieben.

Zwangsräumung der Züge an Pfingsten?

Begeistert vom Neun-Euro-Ticket wollte ich gemeinsam mit meinem Freund auch bei der erstbesten Gelegenheit verreisen. Gesagt, getan: am Pfingstwochenende ging es los. Das Ziel war Jena, die Stadt in der Carl Zeiss seine Mikroskope baute. Die Reise setzte sich aus zwei Etappen zusammen. Zuerst sollte es nach Nürnberg gehen, dort wollten wir umsteigen und mit dem Zug Richtung Leipzig fahren, da der in Jena halten würde. 

Schon der Zug nach Nürnberg war voll und wir bekamen keinen Sitzplatz, was zu Beginn der Reise kein Problem war. In Nürnberg angekommen, hatten wir etwa 50 Minuten Umsteigezeit. Zunächst war das Gleis für den Zug nach Leipzig noch leer, doch je mehr Minuten verstrichen, umso voller wurde es.

Die Situation am Bahnhof in Nürnberg, wenige Minuten bevor der Zug einfährt © Franziska Riesinger

Offenbar waren wir nicht die einzigen Personen, die über Pfingsten verreisen wollten. Sobald der Zug am Bahnhof einfuhr, die erste Enttäuschung: Der Zug war deutlich kleiner als erhofft. Er bestand zwar aus drei Waggons, davon fuhr aber einer nach Würzburg.Außerdem war der Zug kein Doppeldecker. Dementsprechend voll war es auch: Alle Sitzplätze waren belegt und viele Personen standen. Wir hatten leider nur einen Sitzplatz ergattern können und ich entschied mich fürs erste zu stehen. “Alle Fahrgäste die nach Bamberg wollen, sollen bitte aussteigen und mit der S-Bahn fahren, ansonsten wird der Zug von der Bundespolizei zwangsgeräumt”, tönte auf einmal die Durchsage im Zug. Verwirrte Gesichter, auch von mir. Als tägliche Pendlerin von Mering nach Augsburg hatte ich so eine Durchsage noch nie gehört. War das ernst gemeint? Zögerlich verließen einige Fahrgäste den Zug. Die Durchsage wurde mehrmals wiederholt und draußen neben dem Zug rückten mehrere Polizisten der Bundespolizei an. Ob wir jemals in Jena ankommen würden? Mittlerweile hätten wir schon vor einer halben Stunde losfahren sollen. 

Der Zug nach Leipzig ist voll. Es wird mit einer Zwangsräumung gedroht © Franziska Riesinger

Einige unheilvolle Minuten verstrichen. Dann auf einmal setzte sich der Zug tatsächlich in Bewegung. Ich konnte es fast nicht glauben. Endlich ging es los! In Nürnberg waren nicht alle Personen ausgestiegen, die nach Bamberg wollten, denn ab Bamberg hatten wir endlich beide einen Sitzplatz. In dem Zug erfuhren wir auch, warum er so voll war. Viele nutzten den Regionalexpress von Nürnberg nach Leipzig, um von Leipzig aus weiter nach Berlin zu gelangen. Die Bahn tingelte gemütlich durch die Gegend und hielt an vielen kleinen Ortschaften (es war eben ein Regionalexpress und kein ICE). Nach über zwei Stunden Fahrzeit und mit vierzig Minuten Verspätung kamen wir endlich in Jena Paradies (Anmerk. d. Red..: So lautet tatsächlich der Name des Bahnhofs) an. Vierzig Minuten Verspätung bei der deutschen Bahn, an einem Tag mit wahnsinnigem Reiseaufkommen. Keine schlechte Bilanz. Wir hatten sogar einen Sitzplatz, die Klimaanlage im Zug funktionierte und wir waren einer Zwangsräumung gerade noch entgangen. Da kann man schon fast zu einer Lobeshymne anstimmen oder zumindest fröhlich in das “senk ju vor träwelling wis deutsche Bahn” mit einstimmen.

Die Rückfahrt von Jena nach Leipzig war zum Ende hin leider nicht sehr angenehm. Der Grund ein angetrunkener Mitreisender, der als eine Gruppe weiterer Besoffener einstieg, sich lautstark mit diesen unterhielt und rumgrölte. Die Minuten bis wir Nürnberg erreichten zogen sich gefühlt ewig hin und ich war mehr als erleichtert, als der Zug endlich in Nürnberg einfuhr. 

 

Dennoch fällt meine Bilanz für die Reise positiv aus. Vor Ort konnte ich die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und bin überall gut hingekommen, ein Auto habe ich dabei nicht vermisst. Es war sehr angenehm sich keine Gedanken um einen Parkplatz und Parkgebühren zu machen, sondern einfach in die Tram oder den Zug einsteigen zu können. Ohne das günstige Ticket, wäre ich nämlich überhaupt nicht erst verreist und so geht es sicher vielen, vor allem Personen, die über ein niedriges Budget verfügen. 

Das Neun-Euro-Ticket im Alltag

Da ich jeden Tag mit dem Zug von Mering nach Augsburg an die Uni pendle, konnte ich auch die Auswirkungen des Neun-Euro-Tickets im Alltag spüren. Zum einen hat sich das an meinem Geldbeutel gezeigt, da ich mir die 56€ für eine Monatskarte, die ich zusätzlich zum Semesterticket benötige, spare. Dafür sind die Züge stärker ausgelastet, insbesondere die Züge Richtung München sind meist sehr voll. Es wäre natürlich schön, wenn die Bahn mit mehr Waggons reagieren würde, aber vermutlich sind nicht genügend Kapazitäten vorhanden.

Neben meiner Reise nach Jena habe ich schon einige Ausflüge mit dem Neun-Euro-Ticket gemacht und dabei einige Tipps gesammelt, die du beim Bahnfahren beachten solltest.

  • Früh aufstehen lohnt sich. Besonders am Wochenende sind Züge in der Früh noch nicht so stark ausgelastet.
  • Lass das Fahrrad zuhause. Auch wenn es verlockend klingt, mit dem Fahrrad zu verreisen, sind die Züge meist zu voll und Personen mit Fahrrad werden im Extremfall nicht mitgenommen.
  • Den Türbereich freihalten. Wenn es keine freien Sitzplätze mehr gibt, dann stell dich am besten in die Gänge, damit noch weitere Personen an den nächsten Haltestellen zusteigen können.
  • Nutze die Gepäckablagen für dein Gepäck.

Die große Zahl an Menschen, die das Neun-Euro-Ticket gekauft haben, macht deutlich wie stark der öffentliche Nahverkehr genutzt werden würde, wenn ihn sich mehr Personen leisten könnten.  In der Vergangenheit war es meist günstiger mit dem Auto, als mit dem Zug zu fahren. Eine dauerhaft vergünstigte Fahrkarte für den öffentlichen Personennahverkehr würde sicherlich für kontinuierlichen Zulauf sorgen. In Anbetracht der steigenden Energiepreise wird jedoch das Gegenteil befürchtet und mit noch teureren Tickets gerechnet. 

Deshalb genieße jetzt die Möglichkeit, preiswert Bahn zu fahren. Vielleicht bewirkt der aktuelle Andrang in den Zügen ein Umdenken in der Politik und der deutschen Bahn, zu mehr Investitionen ins Schienennetz und günstigen Fahrkarten. Mit vollen Zügen und Verspätungen muss die nächsten Monate noch gerechnet werden, dafür bleibt aber jede Zugfahrt ein kleines Abenteuer. 

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