Proteste im Iran: Mutige Menschen werden mit dem Tod bestraft

Brennende Kopftücher, tanzende Frauen, abgeschnittene Haare und Demonstrierende, die in Massen auf die Straße gehen – all das sind Bilder, die seit September täglich im Iran zu sehen sind. Viele Iraner:innen sind das menschenverachtende System in ihrem Land leid und wollen die Regierung stürzen.

Begonnen haben die Proteste mit dem Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini, welche am 13. September von der Sittenpolizei in Irans Hauptstadt Teheran aufgrund eines Verstoßes der strengen Kleiderordnung für Frauen festgenommen wurde. Ihr Hijab sei zu locker gewesen, weshalb man ihre Haare habe sehen können. Aus diesem Grund wurde Jina Amini verhaftet und mit einem Van aufs Polizeirevier gebracht. Dort folterte man sie laut ihrer Familie eine halbe Stunde lang und schlug ihr wiederholt auf den Kopf, weshalb sie schlussendlich zusammenbrach. Die Behörden streiten diese Anschuldigungen selbstverständlich ab und behaupten, die junge Kurdin wäre an einem Herzinfarkt gestorben – laut ihrer Familie die Unwahrheit. Das Schicksal Aminis sei zudem kein Einzelfall. Schon seit Jahren sorgt die Sittenpolizei im Iran für Angst und Schrecken auf den Straßen und zieht Frauen bei Verstößen der islamischen Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Minibusse, um sie anschließend zu verhören sowie gewalttätig zu erniedrigen (mehr dazu gibt es in dem Podcast Jung & Naiv mit Natalie Amiri). Die Trauer und die Wut über den Tod von Jina Amini hat nun zu revolutionsartigen Protesten im ganzen Land geführt.

Demonstrant:innen in Augsburg zeigen Solidarität mit den Menschen im Iran © Anne-Sophie Liehr

Mit vereinten Kräften gegen die Unterdrückung des Regimes

„Jin, Jiyan, Azadi“ – übersetzt „Frau, Leben, Freiheit“ – hört man täglich auf den Straßen im Iran. Die kurdischen Worte sind zum Sinnbild der Protestbewegung geworden, denn Jina Mahsa Amini war selbst Kurdin und gehörte damit zu einer ethnischen Minderheit. Denn Kurd:innen werden im Iran systematisch benachteiligt und sind häufiger von Verhaftungen, Gewalt oder Armut betroffen. Außerdem sind kurdische Namen von den stattlichen Behörden nicht anerkannt, weshalb Jina Amini offiziell nur als Mahsa Amini bekannt war. So ist es auch nicht verwunderlich, dass viele unter den Protestierenden Kurd:innen sind. Doch egal, ob jung oder alt, Frau oder Mann, Kurd:in oder Perser:in, die angestaute Wut über das System der Islamische Republik vereint die iranische Bevölkerung und tausende Menschen riskieren nun jeden Tag aufs Neue ihr Leben – für eine bessere Zukunft. Obwohl die Regierung dabei konsequent versucht, die Proteste mit Gewalt zu unterdrücken, werden die Iraner:innen nicht müde, für ihre Rechte zu kämpfen. Denn im Moment haben sie nicht viel, für das es sich zu leben lohnt.

Die iranische Bevölkerung hat die Ungerechtigkeiten satt

Iranische Frauen haben nahezu keine Rechte, die Entscheidungsgewalt liegt allein bei ihren Ehemännern. Ohne dessen Erlaubnis dürfen sie weder ausreisen noch arbeiten. Sie verlieren außerdem das Sorgerecht ihrer Kinder, sobald diese 7 Jahre alt sind. Sie dürfen weder singen noch tanzen und müssen ihrem Mann jederzeit sexuell zur Verfügung stehen, was dieser auch mit Gewalt einfordern darf. Zudem ist ein großer Teil der Bevölkerung in den vergangenen Jahren extrem verarmt und es gibt bereits seit ungefähr fünf Jahren regelmäßig Proteste aufgrund von Wassermangel, Stromausfällen, Lohnausfällen, Umweltkatastrophen, gestiegen Energiepreisen und Wirtschaftsmiseren. Doch nun geht es bei den Protesten um eine totale Ablehnung des Systems, um eine Niederschlagung des Regimes, das seit der islamischen Revolution 1979 herrscht (Hintergrund) und verschiedene Ethnien, Schichten sowie Klassen bilden eine geeinte Front. Außerdem finden die Demonstrationen überall im Land statt, weshalb die Regierung trotz regelmäßiger Abschaltung des Internets erhebliche Schwierigkeiten hat, die großen Menschenmassen einzudämmen und strategisch zu schwächen. Stattdessen schießen die Sicherheitskräfte brutal in die Menschenmengen und versuchen die Protestierenden mit bloßer Gewalt in die Knie zu zwingen. Laut Menschenrechtsgruppen gab es in den vergangenen Monaten bereits ungefähr 470 Tote, darunter auch Kinder, sowie mehr als 18.000 Festnahmen – und die Zahlen steigen täglich weiter an.

Droht 18.000 unschuldigen Menschen nun die Todesstrafe?

Protestierende, egal welchen Alters, werden verprügelt, beschossen und in Gefängnisse abtransportiert, wo sie anschließend auf ihren Gerichtsprozess warten. Ihnen wird ein „Krieg gegen Gott“ vorgeworfen, was im Iran mit Verbannung, Amputation einer Hand und eines Fußes oder sogar mit Hinrichtung bestraft wird. Vor allem die Todesstrafe soll zukünftig leichter angewendet werden können, denn erst kürzlich haben 227 von 290 Abgeordneten im Parlament dafür gestimmt, die Protestierenden als “Mohareb” (Krieger gegen Gott) zu verurteilen. Ausschnitte erster Prozesse wurden bereits zur Abschreckung im Fernsehen gezeigt, bei denen die Angeklagten zum Tode verurteilt wurden. Dies seien jedoch Schauprozesse mit vorskizziertem Ausgang, bei denen die Betroffenen zudem keine unabhängige Verteidigung gestellt bekommen. Sie sind der Macht des Regimes schutzlos ausgeliefert.

Jina Amini (22, w) wurde von Sicherheitskräften zu Tode geprügelt.

Mona Darmani (18, w) wurde nach einer Demonstration von Sicherheitskräften gekidnappt und ist nie wieder aufgetaucht.

Yalda Aghafazli (19, w) hat sich nach ihrer Verhaftung, stundenlanger Folter und anschließender Freilassung selbst umgebracht.

Khodanur Lajajei (26, m) wurde während der Proteste angeschossen und anschließend an eine Metallstange gekettet, wo er bei immenser Hitze festgehalten wurde. Ihm wurde als zusätzliche Folter beim Betteln um Wasser, ein Glas vor seine Augen gestellt, was er jedoch nicht erreichen konnte.

Mehdi Karami (22, m) wurde aufgrund seiner Teilnahme an den Protesten verhaftet, gefoltert und zu Tode verurteilt.

Sicherheitskräfte schossen Hadis Najafi (20, w) während der Proteste sechs Mal ins Herz sowie in den Kopf, bis sie schließlich starb.

All diese Menschen und noch etliche mehr haben für den Kampf um grundsätzliche Menschenrechte ihr Leben gelassen. Sie haben nun keine Möglichkeiten mehr ihre Geschichte zu erzählen, weshalb es an uns liegt, den Iraner:innen eine Stimme zu geben und so ein Massaker zu verhindern. Jeder Post auf Social Media hilft und gibt den Menschen Kraft, weiter für sich und ihre Rechte einzustehen.

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