„Lützerath lebt!“ -oder?

Tag X – was ist da eigentlich los in „Lützi“?

„Tag X“, „RWE“, „Räumung“ oder „Polizeigewalt“. Diese Begriffe laufen in den Medien gerade rauf und runter. Unter diesem einen großen Wort kann man sie alle zusammenfassen: Lützerath. Und Lützerath ist seit „Tag X“ Schauplatz einer riesigen Auseinandersetzung zwischen Aktivist*innen und Polizist*innen.

Diesen „Tag X“, den haben die Beschützer*innen von „Lützi“ am dritten Januar ausgerufen. Kurz nach ihm, genauer am 11. Januar, sollte der Ort, wenn es denn nach den Plänen des Energiekonzerns RWE geht, einer Geisterstadt (bzw. einem Geisterweiler, denn Lützerath ist nicht mehr als ein kleiner Weiler mitten in Nordrhein-Westfalen) gleichen. Zwar gibt es dort schon lange keine Bewohner*innen im konventionellen Sinne mehr, aber gut belebt ist „Lützi“ die letzten zwei Jahre dennoch gewesen. Da RWE den Weiler aufgekauft hat, um die unter dem Ort riesigen Mengen an Braunkohle ans Tageslicht zu befördern, besetzten Klimaaktivist*innen die dortigen Häuser und Höfe, um den Abriss Lützeraths und den damit klimaschädlichen Kohleabbau zu verhindern. Weil seit besagtem „Tag X“ die Polizei Räumungsaktionen umsetzt und Aktivist*innen sich in den Häusern, auf Bäumen und sogar in selbst gegrabenen Tunneln verschanzen, wird sich weiterhin Stunde für Stunde zeigen müssen, ob „Lützerath (auch weiterhin) lebt“. Die Klimaaktivist*innen schätzen, dass der Räumungsversuch eine bis sechs Wochen dauern wird. Ob er verhindert werden kann, hängt laut ihnen davon ab, wie viele Personen noch nach „Lützi“ kommen, um die Besetzung zu unterstützen. Generell kann jede*r beim Beschützen Lützeraths mithelfen, sei es durch Sach- und Geldspenden, oder durch aktives Demonstrieren, Blockieren oder Besetzen.

Warum will Wirtschaftsminister Habeck den Klimawandel vorantreiben?

 Die Unterstützung Lützeraths ist groß, Prominente wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg sind bereits vor Ort, Zweitere am 14. Januar, an dem eine große, angemeldete Demo gegen die Räumung stattfindet. Teilnehmende aus ganz Deutschland werden dort sein, das Augsburger Klimacamp hat ebenfalls mehrere Busse organisiert, die zu dem klimapolitisch entscheidungsträchtigen Ort fahren. Regierungstechnisch sieht das mit der Unterstützung der Aktivist*innen aktuell schon etwas anders aus. Sowohl die nordrheinwestfälische Landesregierung als auch der Grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geben dem Projekt des RWE ihr Go. Solidarität mit den Aktivist*innen? Kaum zu hören. Habeck hat zwar „großen Respekt“ vor den Verteidiger*innen Lützeraths, aber sieht den Ort als „das falsche Symbol“ im Kampf gegen den Klimawandel. Nur wieso? Der Kohleausstieg 2030 in NRW ist ja eigentlich beschlossene Sache.

Um diese Frage zu klären, hier ein Kurzabriss der Argumente der Politik und des Energiekonzerns RWE in Gegenüberstellung mit den Argumenten vonseiten der Aktivist*innen.

Habeck, RWE und Co sagen:

-Aufgrund der aktuellen Energiekrise könne auf die Kohle unter Lützerath nicht verzichtet werden.  

-Lützerath sei dann das letzte Braunkohleprojekt in der Gegend, Habeck erklärt: „es ist der Schlussstrich darunter“ und „das Ende der Braunkohleverstromung in NRW“. Der Kohleabbau unter dem Weiler sei also ein Projekt im Kampf gegen den Klimawandel.  

-Die Kohle unter „Lützi“ gilt als Kompromiss zwischen dem RWE und der Landesregierung. RWE darf dort noch Braunkohle fördern, bevor dann 2030 komplett Schluss damit ist. Zuvor strebte der Konzern den Kohleausstieg nicht vor 2038 an.

Die Klimaaktivist*innen sagen:

-Lützeraths Braunkohlevorkommen seien nicht nötig, um die Energiekrise zu stemmen. Dies haben auch aktuelle Studien bestätigt.

-würde die Kohle gefördert, breche Deutschland das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5 Grad-Ziel. Hierbei berufen sie sich beispielsweise auf folgende Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt_2021-169.pdf

Wie sich der Kampf um Lützerath entwickeln wird, ist noch immer ungewiss

Zudem sollen die Grundstücksverhältnisse um Lützerath herum noch gar nicht final geklärt sein. Demnach sei nicht sicher, wie weit RWE im Falle einer Räumung anschließend baggern dürfte. So könnten dem Kohleabbau neben der Besetzung auch noch rechtliche Einschränkungen im Weg stehen.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Entscheidungstragende Politiker*innen scheinen nicht kompromissbereit zu sein. Sollte sich die Räumung allerdings bis zum 28. Februar hinauszögern, wäre dies ein Erfolg für die Aktivist*innen: an diesem Tag endet die Rodungssaison in NRW, der kleine Wald bei „Lützi“ könnte erstmal nicht gefällt werden, und somit wäre das Projekt des RWE in dieser Zeit nicht weiter fortzuführen. Im zweiten Teil dieses Artikels wird Presstige mit einem Studierenden der Uni Augsburg sprechen, der gerade in Lützerath ist und dort mit hundert anderen für einen Erhalt des Weilers und gegen den Abbau der dortigen Kohle demonstriert. Noch lebt Lützerath, doch keiner weiß, wie lange.

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