In diesem Artikel erzähle ich euch, warum eine Pilgerreise eine unterschätzte Art des Urlaubs ist und teile mit euch meine einzigartigen Erfahrungen auf dem portugiesischem Jakobsweg.
Eine kleine Idee
Eines Sommerabends spazierte ich über die grünen Felder meiner Heimatkleinstadt Günzburg, die ich schon seit meiner Kindheit schätze und bewandere. Immer wenn ich mir Zeit für mich, zum Nachdenken oder zum Dankbarsein nehmen will, gehe ich auf eine kleine Wanderung in der Natur. Hier fühlt sich alles so… in Ordnung an. Ich atme den frische Wiesenluft ein und bewundere die Flora und Fauna, die es einfach immer schafft, ihre beruhigende Aura auf mich zu übertragen. Heute brachte ich ein Gefühl mit in meinen Lauf. Es zog mich in die Natur hinaus, denn ich hatte Fernweh. Als meine Blicke sowie meine Gedanken über diese bekannten Weiten schweifen, vibriert es in meiner Hosentasche. Mein Kumpel David ruft mich an und schlägt begeistert vor: „Lass uns Wandern gehen in Portugal!“. Wie es passender nicht sein könnte, willigte ich sofort ein. Nach einer kurzen Recherche stießen wir auf eine ideale Route: Den portugiesischen Jakobsweg.
Unser persönlicher Jakobsweg
Es gibt einen portugiesischen Jakobsweg? Ja, so ist es! Genau genommen existieren insgesamt 25 offizielle Jakobswege, allesamt mit verschiedenen Startpunkten und Längenmetern. Doch eines haben alle Wege gemeinsam: Sie enden an der Kathedrale der Pilgerstadt Santiago de Compostela, weshalb man den Jakobsweg auch als Camino de Santiago bezeichnet. Wir entschlossen uns für den portugiesischen „Camino Portugues de la Costa“, da in etwa die Hälfte der Strecke neben der Westküste verläuft – oftmals auch auf Holzwegen direkt über den Sandstrand. David wollte eben in Portugal wandern gehen. Und was für eine geniale Entscheidung er da getroffen hat.
Wir starteten in der portugiesischen Küstenstadt Porto und pilgerten für circa zwei Wochen Richtung Norden nach Santiago de Compostela. Diese Route umfasst 240 Kilometer und ist in 14-16 Tagen gut schaffbar. Wer für ein längeres Abenteuer Lust und Zeit hat, kann den Camino Portugues schon ab Lissabon starten und kann mit einer 30-45 Tage langen Reise rechnen. In den Jahreszeiten Frühling und Herbst, sprich in den Semesterferien, sind die Temperaturen übrigens ideal für das Pilgern auf dem Camino Portugues. Wir entschieden uns für einen billigen Gabelflug mit Ryanair (Memmingen nach Porto – Santiago nach Memmingen). So konnten wir aufgrund mehrerer Stopps bei der Hinreise eine ganze Nacht im schönen Pisa verbringen, das nimmt man gerne mit :D. Mit Flug inklusive zahlten wir circa 600 Euro pro Person für die ganze Reise, es geht aber auch deutlich billiger. Unser Gepäck verschickten wir übrigens drei Wochen früher mit der Post an eine Herberge, um noch mehr Transportkosten zu sparen.
Grund der Reise
Die Jakobswege haben ihre Wurzeln im Christentum. Jedoch muss man keineswegs religiös sein, um einen Camino zu absolvieren. Viel mehr pilgern Menschen heutzutage, um von der schnellen digitalen Welt Urlaub zu machen und einfach abzuschalten. Andere bringen große Lebensfragen oder Schicksalsschläge mit auf den Weg. Und andere wollen einfach nur wandern. Wir haben ehrlich gesagt keine/n einzige/n Pilger:in getroffen, der aus religiösen Gründen pilgerte.
Zu zweit oder alleine reisen?
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass gerade das Wandern mit meinem Kumpel David die Reise so besonders gemacht hat. Wir kannten uns zu dieser Zeit noch nicht in und auswendig und hatten uns deswegen tagelang Geschichten aus unserem Leben zu erzählen. Neben den interessantesten Gedankenspielen haben sich mit der Zeit immer mehr witzige Insider entwickelt und so hat sich eine total coole Dynamik entwickelt. Wir hatten auch nie das Gefühl aufeinanderzusitzen, beziehungsweise uns auf die Füße zu treten ;). Trotzdem empfehle ich dir auf jeden Fall, dass du nur mit einer Person zusammen pilgern solltest, mit der du dich auch in herausfordernden Situationen gut verstehen kannst. Allgemein gilt dann immer, positiv zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Es gibt fast keine Situation, die sich auf dem Camino nicht lösen lässt. Als Pilger:in hat man ein hohes Ansehen bei den überaus gütigen Einheimischen und kann in den meisten Fällen mit einer helfenden Hand rechnen. Mit anderen Menschen zu sozialisieren war für uns auch überhaupt kein Problem, alle Menschen sind sehr offen. Manchmal hat sich aus einem netten Gespräch mit anderen Pilger:innen eine Wandertruppe gebildet, mit welcher kuriose Lebensgeschichten ausgetauscht und einzigartige Erinnerungen geschaffen wurden. An einem Nachmittag wurden wir sogar von einer Ziege durch einen Waldabschnitt begleitet.
Das Pilgern alleine soll jedoch auch eine vielseitige Erfahrung sein. Die Mentalität der Pilger:innen ist eine sehr aufgeschlossene. Ich kann mit gutem Gewissen versprechen: Auf den Pfaden des Camino Portugues liegen ganz viele Freundschaften, die nur darauf warten, geschlossen werden zu wollen. So kann es schnell passieren, dass man die ganze Strecke fast nie allein gelaufen ist.
Das Equipment
Dein Rucksack sollte nicht schwerer als 12 Kilogramm sein. Mit den Tagen kannst du beim Laufen jedes Gramm an Gewicht in den Beinen spüren, so sagt man.
Diese Dinge solltest du auf jeden Fall mitnehmen:
- 40-60L Rucksack, in den du alles reinpackst
- Gute Wanderschuhe oder Wandersandalen
- Schlafsack
- Wenig Kleidung (3x Tshirts, 1x Kurze & Lange Hose, 1x Hoodie, 1x dünne Regenjacke, Unterwäsche, Schlappen, Regencape etc.)
- Mikrofaserhandtuch
- Sonnenbrille
- Schildkappe
- Bargeld
- Hygieneprodukte
- Sonnenschutz
- Hirschtalgsalbe und Blasenpflaster (für alle Fälle)
- Ratgeber
- Pilgerausweis
Am besten bestellst du vor der Reise einen Pilgerausweis (Credencial del Peregrino) pro Person, in welchem du den Fortschritt deiner Reise mit Stempeln festhalten kannst. Durch den Ausweis hast du Zutritt zu den typischen und günstigen Pilgerherbergen (Albergues) und kannst dir des Öfteren verbilligte Essensangebote sichern. Der Ausweis ist ein absolutes Muss, denn nur durch die gesammelten Stempel kannst du belegen, dass du den Camino wirklich gelaufen bist. Am Ende der Reise kannst du den Ausweis im Pilgerbüro von Santiago vorzeigen, um dir deine offizielle Urkunde, die Compostela, abzuholen. Auch eine typische Jakobsmuschel am Rucksack darf für den Pilgerflare nicht fehlen. Diese kannst du ohne Probleme in Portugal vor Ort erwerben und eignet sich zudem super als Andenken.
Gleich am ersten Pilgertag erwischte uns der Regen. So lohnt es sich auf jeden Fall, ein Regencape oder auch eine dünne Regenhose miteinzupacken. Auch die Schuhe sollten definitiv wasserfest sein. Allgemein empfehlen wir euch, euer noch benötigtes Wanderequipment bei Decathlon zu kaufen – die Produkte haben Qualität und sind günstig, also perfekt für Student:innen.
Herbergen/Zelt
Um die besten Herbergen (Albergues) an den jeweiligen Orten zu finden, haben wir uns einen typischen Ratgeber als Printausgabe mitgenommen. Dieser hat uns wirklich super geholfen, da das Buch uns mit den wichtigsten Informationen plus Insidertipps versorgt hat.
Fast jede Herberge schließt die Türen um Punkt 22 Uhr. Es lohnt sich also, pünktlich zu sein. Wir haben die Unterkunft jeweils kurzfristig am selben Tag per Anruf gebucht, oft aber auch vor Ort.
Sprachen
Wer spanisch sprechen kann, wird auf dem Camino Portugues keine Schwierigkeiten haben, sich mit allen Menschen problemlos zu verständigen. Viele Portugiesen sprechen nämlich ebenfalls spanisch. Man kommt jedoch auch mit englisch gut zurecht, dann würde ich jedoch zusätzlich auf den klassischen Handy-Übersetzer bauen.
Das Ende der Reise in Santiago
Der Moment, vor der märchenhaften Kathedrale von Santiago zu stehen, welche das Ziel der Reise bildet, kann schwer in Worte gefasst werden. Unzählige Pilger:innen kommen hier von den verschiedensten Startpunkten und lassen ihren Emotionen freien Lauf. Der Weg ist geschafft! Ich schätze, die meisten Menschen fühlen hier ein Gefühl von Freude und Stolz mit einer Prise Trauer darüber, dass diese vielseitige Reise nun wirklich vorbei ist. Doch wo eine Reise aufhört, beginnt die nächste. So wurde unser viertägiger Restaufenthalt in Santiago auch noch zu einem ziemlich wilden Abenteuer. Die Stadt bietet beeindruckende Architektur, süße Cafés und total coole Vintageläden. Hier wird einem definitiv nicht langweilig. Als Aufenthaltsort empfehlen wir euch die Albergue „Fin del Camino“ am Rand der altertümlichen Stadt, jedoch soll es auch sehr schöner Herbergen innerhalb der Stadt geben. Hier verweisen wir wieder auf den Ratgeber.
Ich hoffe, ich konnte den einen oder die andere dazu inspirieren, sich beim nächsten Urlaub für eine Pilgerreise zu entscheiden! Meiner Meinung nach ist so eine Reise (bei der man sich zudem mal eine Auszeit vom Handy und unserer schnellen Welt nehmen kann) erholsamer und definitiv besonderer als ein klassischer Hotelurlaub. Bei Fragen könnt ihr gerne in die Kommentare schreiben oder euch über unseren Instagram Account (@presstige_aux) melden!