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Hinter den Kulissen der Augsburger Elite-Studiengänge

Von der Heiligen Schrift, über Klassiker der Weltliteratur, wie Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften”, bis hin zu experimentellen Gedichten oder der Kommunikation in Internet und Chat – mit einem breiten Spektrum des geschriebenen Wortes und dessen ethischer Dimension beschäftigen sich die Studierenden des Augsburger Studiengangs Ethik der Textkulturen. 17 Studiengänge in Bayern, sieben an der Universität Augsburg sind mit dem Elite-Label versehen. Ethik der Textkulturen gehört dazu und bildet eine privilegierte, geisteswissenschaftliche Ausnahme: Natur- und Ingenieurwissenschaften werden im Rahmen des Elitenetzwerks deutlich häufiger gefördert.

Von Stefanie Probst

Der Blick über den Tellerrand

Augsburg trotzt dem Wettbewerb um Profilierung in der Hochschullandschaft mit Elitestudiengängen wie Top Math, Finance and Information Management, Advanced Materials Science, Softwaretechnik, Global Change Ecology und Historische Kunst- und Bilddiskurse. Die Thematik des Elite-Begriffs ist allen dieser Fachbereiche gemein. Im interdisziplinären Studiengang Ethik der Textkulturen beschäftigte man sich schon im ersten Blockseminar mit der Problematik dieses Wortes. Joachim Jacob, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Augsburg, zeigt sich besorgt, dass durch den Elite-Begriff „kritische Studierende abgeschreckt werden” könnten. Er will lieber die Studenten als Elite sehen, „die Neugierde mitbringen und bereit sind über den Tellerrand ihres Faches hinauszublicken”. Auf der anderen Seite sieht Jacob das neue System als Chance. „Die gewonnenen Finanzmittel werden das Angebot verbessern” – nicht nur für die Elite.

Humboldt in Augsburg

Die Seminare der „Textkulturler” – 27 Studierende sind es in Augsburg und 37 an der Kooperationsuniversität Erlangen-Nürnberg – sind keinesfalls geschlossene Veranstaltungen. So „profitieren alle Studierenden der Universität Augsburg von der Realisierung des Humboldtschen Ideals – der Einheit von Forschung und Lehre”, wie Jacob schwärmt. Michael Preis, der Sprecher der Studierenden, fasst es kurz: „Die Betreuungssituation ist super.” Außerdem könne man davon ausgehen, dass in einem „einigermaßen streng zulassungsbeschränkten Studiengang motivierte Studenten anzutreffen sind”. Man arbeite einfach effektiver, „wenn man nicht nur alleine vor sich hindenkt.”

Jacob hofft weiterhin auf eine „größere Ausstrahlkraft” des interdisziplinären Studiengangs. „Bisher stammen die meisten Studierenden aus der Philologie, der Volkskunde, einige aus der Philosophie”, erklärt Sauter, Koordinator von Ethik der Textkulturen. Jacob wünscht sich, „dass in Zukunft auch bei Rechts-, Lehramts- und Medizinstudenten das Interesse für ethische Fragen wächst”. Diese könnten Ethik der Textkulturen auch im Rahmen eines Doppelstudiums studieren.

Für die Universitäten sind Elitestudiengänge ein Aushängeschild. In Zeiten von Profilierung und Konkurrenz liefern sie ein besonderes Angebot, das keine Hochschule gerne aufgeben möchte. Die Finanzierung der meisten Elitestudiengänge sei zunächst nur für einen Zeitraum von fünf Jahren vorgesehen, dies gelte auch für Ethik der Textkulturen, wie Sauter erklärt. „Danach prüft eine externe Kommission, ob die Förderung fortgesetzt wird”.

Mit Vitamin B in die Wirtschaft

In Sachen Finanzierung tut sich der wirtschaftswissenschaftliche Elitestudiengang Finance and Information Management (FIM) leichter, denn zehn Praxispartner wie IBM, die Allianz Global Investors und die Deutsche Bank unterstützen den halbstaatlich finanzierten Studiengang. Gute Kontakte zur Wirtschaft sind den Absolventen sicher und diese werden bereits während des Studiums gepflegt: FIM-Studentin Julia Heidemann war fünf Monate im Ausland, wo sie Praktika bei Siemens in Singapur und IBM in Zürich absolvierte. Julia weiß, sie ist privilegiert. „Jeder Student hat einen Mentor aus der Wissenschaft und einen aus der Praxis”, so die 24-Jährige. Neben den vielen Vorteilen des Studiums, dürfe man „die Herausforderung, der man sich stellt, nicht vergessen”, erklärt Julia, die im neunten Semester an der Universität Augsburg studiert. „Es wird sehr viel erwartet.” Auch das Auswahlverfahren ist hart. „Maximal 30 Studierende werden pro Jahr in den exklusiven Studiengang aufgenommen”, wie Koordinator Martin Gneiser erklärt. „Von 120 Bewerbern werden 60 zum Gespräch eingeladen. Zwei Professoren und ein Vorstand entscheiden, ob der Student oder die Studentin geeignet ist.”

Top Math: Studenten

mit „a beautiful mind”

Wer in Mathematik ohnehin seinen Doktor machen will, ist im Studiengang Top Math genau richtig. Der naturwissenschaftliche Elitestudiengang führt nach dem Vordiplom in vier Jahren zur Promotion und ist für eine kleine Auswahl Nachwuchsmathematiker konzipiert. Tobias Wichtrey ist einer davon. Der 23-Jährige hat gerade das siebte Semester absolviert und plant im Bereich „Kontrolltheorie” zu promovieren. Er lobt „das zügige Studium und die individuelle Betreuung durch die Professoren”. Genaue berufliche Vorstellungen habe der Student zwar noch nicht, aber er sehe seine Zukunft „im Bereich der Forschung”. Tobias sieht den Elite-Begriff nicht negativ, eher „im Sinne von Begabtenförderung”. Übertrieben finde er allerdings das „öffentlichkeitswirksame Geldverpulvern bei Großveranstaltungen, wenn es um das zur Schau stellen der Elite geht”.

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