Wem gehört die Stadt?

Dass die Mieten in deutschen Großstädten steigen, ist lange nichts Neues mehr. Und nicht nur Metropolen wie Berlin und München sind davon betroffen, auch in Augsburg zahlen MieterInnen bereits stolze 30% mehr als noch 2011, wie die Augsburger Allgemeine vor einigen Monaten berichtete. Vorschläge, was man dagegen tun kann, gibt es viele, von „mehr bauen“ bis zur heiß diskutierten Mietpreisbremse. Aber solange die Politik noch über die richtigen Lösungen streitet, wird es für viele Menschen immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Was kann man also selber tun, um der Mietpreisspirale zu entkommen? Eine Gruppe junger AugsburgerInnen macht es vor.

Text: Miriam Scheibe – Bild: Unser Haus e.V.

Alles begann im Sommer 2015 mit einer losen Zusammenkunft einiger Leute. Sie hatten die Idee, sich ein eigenes Haus zu kaufen, um so selbstbestimmt wohnen zu können. „Wir wollten langfristig Räume schaffen, die nicht der kommerziellen Verwertung unterliegen“, sagt André, der zur Kerngruppe des Projekts gehört. Gesagt, getan. Die AktivistInnen gründeten den Verein „Unser Haus e.V.“ und trafen sich von da an ein- bis zweimal wöchentlich zum Plenum. Diese regelmäßigen Zusammenkünfte sind wichtig, denn Entscheidungen sollen bei „Unser Haus e.V.“ nach dem Konsensprinzip getroffen werden, damit das Projekt so hierarchiefrei wie möglich bleibt.

 Eine passende Immobilie war schnell gefunden

Mit der Suche nach einem Haus hatte die Gruppe Glück. Ein Bekannter wurde auf ihr Vorhaben aufmerksam und hatte, wie es der Zufall wollte, eine Immobilie zum Verkauf: Zentrale Lage und ein großes Grundstück mit Wohnraum für 12 bis 13 Personen – wie gemacht für „Unser Haus e.V.“. Beim Kauf des Hauses bekamen sie Unterstützung vom „Mietshäuser Syndikat“, einer Organisation, die als Bindeglied zwischen momentan 135 Hausprojekten und 16 Projektinitiativen bundesweit fungiert. Um Mitglied dieses Syndikats zu werden, mussten André und seine MitstreiterInnen zunächst eine GmbH gründen. Von den 25.000€, die zur Gründung dieser notwendig waren, zahlte das Syndikat 49%. Dafür bekommt es gleiches Mitspracherecht bei Angelegenheiten rund um den Hausverkauf und die Umwandlung in Eigentumswohnungen, was gewährleisten soll, dass das Hausprojekt nicht einfach so durch spätere Wohngenerationen reprivatisiert werden kann. Bei anderen Fragen rund um das Haus darf das Syndikat allerdings nicht mitentscheiden. „Welche Farbe das Haus hat, und ähnliche Themen, das machen wir unter uns aus“, so André.  

Rund eine Million Euro für das Haus

Die Gründung der GmbH und der Beitritt zum Mietshäuser Syndikat waren allerdings nur der erste Schritt. Anschließend mussten die Mitglieder von „Unser Haus e.V.“ das Haus natürlich auch noch kaufen. Das Grundstück selbst war günstig, das Haus allerdings in einem ziemlich heruntergekommenen Zustand. Das erklärt nicht nur, warum zwischen Kauf und Einzug der ersten Aktiven in diesem Herbst ganze zwei Jahre lagen, sondern auch den stolzen Betrag von einer Million Euro, die das Haus den Verein voraussichtlich kosten wird. Einen exakten Preis kann man noch nicht nennen, denn auf dem Grundstück befinden sich zwei Häuser. Während das Vorderhaus bereits fertig saniert ist und dementsprechend schon bezogen wurde, stehen am Hinterhaus noch einige Arbeiten aus.

Wichtig für die Finanzierung waren für „Unser Haus e.V.“ sogenannte Direktkredite, durch die immerhin ein Drittel der Kosten gedeckt werden konnte. Direktkredite bezeichnen, wie der Name schon sagt, Geldbeträge, die dem Projekt ohne Umweg über eine Bank, also direkt, geliehen werden. Neben einem relativ unbürokratischen Weg der Finanzierung stellten diese Kredite darüber hinaus eine Bedingung dafür dar, dass ein Kredit bei der Bank aufgenommen werden konnte, um die verbleibenden Investitionskosten zu decken. Dieser Bankkredit ist auf 30 Jahre angelegt und wird etappenweise über die Mieten abbezahlt. Wenn jener vollständig abbezahlt ist, fließen die Erlöse an das Syndikat, um so z.B. die Gründung von zukünftigen Hausprojekten mitzufinanzieren.

Die Mieten liegen bei „Unser Haus e.V.“ übrigens bei ca. 8,80€ pro Quadratmeter und damit deutlich unter dem durchschnittlichen Augsburger Quadratmeterpreis von 10,78€.

„Etablierung eines kulturellen und politischen Freiraums“

Zentrales Ziel des Vereins ist es laut deren Webseite, „den steigenden Mieten und Immobilienspekulationen in Augsburg entgegenzutreten“. Neben dem Schwerpunktthema Mieten ist es der Gruppe aber darüber hinaus wichtig, „dass wir einen Platz für persönliche Entfaltung bieten, sowie die grundsätzliche Wirkung auf die Gesellschaft“, sagt André.  Diese Wirkung auf die Gesellschaft erhofft sich „Unser Haus e.V.“ etwa durch Bündnisse mit anderen Projekten in und um Augsburg. Zusammenarbeiten gab es in der Vergangenheit beispielsweise mit dem Grandhotel Cosmopolis, wo das Projekt vorgestellt wurde, sowie mit der Ballonfabrik, in welcher diverse Soli-Parties stattfanden, die einen Teil zur Finanzierung und Bekanntheit des Vereins beitrugen. Für weitere Kooperationen mit solidarischen Projekten erklärt sich „Unser Haus e.V.“ ausdrücklich bereit. Gemeinsam soll so eine „bunte, offene und solidarische Antwort“ auf die Frage „Wem gehört die Stadt?“ gegeben werden.

 

Wer jetzt neugierig geworden ist, bei „Unser Haus e.V.“ mitmachen oder sogar ein eigenes Projekt gründen möchte, der kann sich auf den Internetseiten des Vereins sowie des „Mietshäuser Syndikats“ weitergehend informieren.

Zudem gibt es mit dem „Paradieschen“ bereits ein zweites Gemeinschaftswohnprojekt in Augsburg, dessen Türen für Interessierte offen stehen. 

Mietpreise und deren Entwicklungen für die einzelnen Augsburger Stadtteile kann man übrigens im Mietspiegel einsehen, der seit diesem Jahr von der Stadt Augsburg veröffentlicht wird.

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