Einige Fächer drohen zwischen Mittelknappheit und Diktat der Natur- und Technikwissenschaften zerrieben zu werden
Im gesamten Bildungssektor kommt es derzeit zu massiven Umbauten. Bei den Hochschulen weht schon seit längerem ein rauer Wind. Die zunehmenden Verteilungskonflikte und die gegenseitige Konkurrenz um Forschungsschwerpunkte sorgen für reichlich Konfliktpotential zwischen den Fakultäten. Augsburg bildet da keine Ausnahme.
Von Philipp Zanklmaier
Auch hier wird fieberhaft nach der optimalen Position im Wettbewerb gesucht. Wie bei allen Universitäten Bayerns liegt auch in Augsburg der Schwerpunkt bei den Natur- und Technikwissenschaften. Die Geisteswissenschaften geraten dabei ins Hintertreffen. Mathias Mayer, Professor für Neuere Literaturwissenschaft an der Uni Augsburg, bedauert, dass besonders die “für die Begutachtung eines Faches und für seine künftige Ausstattung zur Nagelprobe erklärte Einwerbung von Drittmitteln” in vielen naturwissenschaftlichen Bereichen zwar nicht einfacher, im Erfolgsfall aber unvergleichlich einträglicher sei. Gerade hier leisteten die Geisteswissenschaften jedoch Erhebliches und stünden innerhalb der Universität auf einem sehr guten Platz. Dennoch schreite “die Überlastung einzelner Fächer aber mit zunehmenden Studierendenzahlen und gleichzeitiger Aushöhlung der Ausstattung ebenso absehbar wie bedrohlich voran. Wie sehr sich die Betreuungsverhältnisse verschlechtern, wird beim Starren auf Drittmittel oder Zitierhäufigkeit gerne übersehen.” Es gelte, auch in Zukunft die Orientierungsfunktion der Geisteswissenschaften bewusst zu halten. “Als Schnittfläche gesellschaftlicher Grundaufgaben liegt hier eine Verantwortung, die nicht ersetzt werden kann.” Prorektor Loidl, Mitglied der Hochschulplanungskommission, gibt zu, dass die vorgenommenen Kürzungen asymmetrisch zu Ungunsten der Geisteswissenschaften ausgefallen sind. Ein erster Blick auf die zukünftigen acht Augsburger Kompetenzzentren in ihrer Relation zu den Studentenzahlen, bestätigt das. Zwei der Zentren werden von der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen und der Philosophisch-Historischen Fakultät gebildet. An ihnen waren im Sommersemester 2004 6369 Studenten eingeschrieben. Die Mathematisch-Naturwissenschaftlich Fakultät und die Fakultät für Angewandte Informatik stellen ebenfalls zwei Zentren, obwohl es dort lediglich 2049 Studierende gibt. Für Prof. Loidl stellt sich in erster Linie die Frage: “Wofür bekomme ich realistischerweise auch wirklich Mittel.” Die noch junge Fakultät der Angewandten Informatik hat auf dem akademischen Fördermittelmarkt erheblich bessere Chancen als die Philosophischen Fakultäten. Doch selbst bei den Kompetenzzentren, so Loidl, können nicht alle Begehrlichkeiten erfüllt werden: “Die Kompetenzzentren wollen insgesamt 80 Stellen, wir rechnen aber damit nur 30 zu bekommen.” Jeder müsse seine Ansprüche zurückschrauben. Nichtsdestotrotz ist für den Prorektor eine starke Geisteswissenschaft an der Uni Augsburg unverzichtbar: “Vor allem muss alles erhalten bleiben, was für die Lehrerbildung und die Lernforschung benötigt wird.” Doch muss diese Aussage mit Vorsicht genossen werden. Es steht nämlich zu befürchten, dass einige geisteswissenschaftliche Studiengänge auf ein Maß reduziert werden, das zwar für die Lehrerbildung, nicht jedoch für ein fachwissenschaftliches Studium ausreicht. “Auch Lehrerbildung ist Teil einer Investition in die Zukunft, denn nur ein guter Lehrer ist ein guter Multiplikator von Verantwortung und Kompetenz; aber darüber hinaus bedarf es natürlich der Sicherung von Forschungsmöglichkeiten, auch um im nationalen und internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben,” erläutert Mayer. Ein weiteres Indiz für die asymmetrischen Kürzungen lässt sich im Etatentwurf der Unibibliothek für das Jahr 2005 finden, der von Presstige eingesehen wurde. Während bei den Allgemeinen Naturwissenschaften ein Zuwachs von über 30.000€ zu verzeichnen ist, wird bei den Sprach- und Literaturwissenschaften um 9.000€ gekürzt, bei der Geschichte sogar um über 16.000€. Die Universität Augsburg folgt in ihrer Entwicklung einem bundesweiten Trend. Dieser geht weg vom universitären Bildungsideal Humboldts mit seinem breiten Fächerangebot hin zu einem unternehmensähnlichen Gebilde, das Wissen schnell vermittelbar und verwertbar machen soll. Die Stärkung der Naturwissenschaften geht zu Lasten der Geisteswissenschaften. Staatsminister Goppel betont zwar beim Philosophischen Fakultätentag in Regensburg, dass jede neue Tür, die von den Naturwissenschaften geöffnet wird, zu Fragen führe, ob und wie weit man diese Tür öffnen dürfe. Diese Reduktion der Geisteswissenschaften auf eine bloße Kontrolle der Naturwissenschaften könne allerdings nur als ungenügend empfunden werden. Dieser Meinung schließt sich auch Loidl an. Eigentlich sei es unlogisch, in Zeiten angeblich knapper Kassen in so kostenintensive Bereiche wie Natur- und Technikwissenschaften zu investieren. Glaubt man den Zahlen des 33. Rahmenplans für den Hochschulbau, so liegt die benötigte Fläche je Studienplatz bei den Geisteswissenschaften bei 4-4,5m², wobei ein Quadratmeter mit 2.475€ veranschlagt ist. Im Vergleich dazu benötigen die natur- und ingenieurswissenschaftlichen Fächer etwa 15-18m², bei einem Quadratmeterpreis von beispielsweise 3.273€ in der Physik, also fast das Sechsfache. Trotz dieses Verhältnisses investiert der Freistaat Bayern kräftig in die Natur- und technisch orientierten Wissenschaften. In diesem Bereich sprießen die Neubauten wie Pilze aus dem Boden: Technische Chemie an der FH Nürnberg, Informatik und Mathematik an der Uni Nürnberg, ein Biomedizinisches Zentrum an der Uni München. Der Freistaat Bayern gibt durchaus Geld für seine Hochschulen aus. Von einer allgemeinen Mittelknappheit kann angesichts dieser Tatsachen nicht gesprochen werden. Ziel ist die schnelle ökonomische Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse. Die Geisteswissenschaften fallen durch dieses Raster. Das Erforschen historischer Zusammenhänge zieht offenbar gegen videobasierte Interaktion in virtuellen Welten den Kürzeren. Ein Lichtblick stellt die kürzlich erfolgte Bewilligung des interdisziplinären Studiengangs “Ethik der Textkulturen” an der Universität Augsburg dar. Der einzige geisteswissenschaftliche Elitestudiengang Bayerns stimmt Mayer verhalten optimistisch: “Gerade weil es so etwas wie dieses Angebot sonst in Deutschland nicht gibt, bieten sich für die Geisteswissenschaften hier noch ganz neue Aufgaben und Chancen. Insofern ist diese erfreuliche Bewilligung nicht der Abschluss eines anstrengenden Prozesses, sondern hoffentlich ein neuer Anfang.”