Sex mit dem Prof?

Die Geschichte einer wilden Nacht

Und zack! Ich habe eure Aufmerksamkeit. Eine Aufmerksamkeit, für die Unternehmen Milliarden hinblättern würden. Warum diese so viel wert ist und mit welchen Mitteln diese angeregt wird – außer dem Dauerbrenner „Sex sells“, erfahrt ihr hier.

Macht_der_Werbung_Vorschau+Illu
Text: Milan Ziwich – Illustration: Natalia Sander

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„So Glorious. Victorious. We take what we want we born warriors.“ Dass ich mir zum 15. Geburtstag Nike-Schuhe gewünscht habe, war wahrscheinlich kein Zufall. Natürlich gehört ein Paar Nike Airs in jeden gut geführten Hip-Hop-Kleiderschrank, doch im Nachhinein betrachtet, war ich wahrscheinlich einfach nur beeindruckt. Beeindruckt von einem Werbespot, den ich kurz zuvor gesehen hatte. Coole Basketballer, die in Zeitlupe coole Moves auf coole Juelz Santana-Musik machen. Cool! Die nächsten Sneakers sind von Nike.

Ich habe schon viele sagen hören, sie würden sich niemals von Werbung beeinflussen lassen und wie bescheuert es doch wäre, ein Produkt im Fernsehen zu sehen und deswegen gleich in den Laden zu rennen, um das angepriesene Objekt zu kaufen. Doch das ist letztendlich auch nicht das Ziel von Werbung. Werbung versucht nicht ein Produkt zu verkaufen, sie verkauft einen Lebensstil. Die Schuhe, die ich mir wünschte, kamen nicht einmal im Werbespot vor, aber die Aufmachung reizte mich. Ich wollte auch urban sein, und für nur 100 Euro war das selbst in meinem Kaff möglich.

Voll auf Coke

Wenn man sich im Internet über die Macht der Werbung schlau machen will, stößt man bei allen Artikeln irgendwann auf Coca-Cola. Kein Unternehmen setzt so auf Werbemittel wie der Softdrinkhersteller aus Atlanta. Und das mit Erfolg. Coca-Cola gilt heute als das beliebteste Erfrischungsgetränk der Welt. Und das, obwohl in Tests keine großen Geschmacksunterschiede zwischen dem Original und Cola anderer Marken festgestellt wurden.

Ausgabe 26: MachtDieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 26 unseres gedruckten Magazins.

Wie kommt es also, dass Coca-Cola so beliebt ist? Dass dieses Unternehmen im Jahre 2011 einen Gewinn von 8,6 Milliarden Euro verbuchen konnte? Um diese Fragen zu beantworten, muss man dem nur die Werbeausgaben entgegenstellen: 4,2 Milliarden Euro. Es werden also 4,2 Milliarden Euro nur dafür ausgegeben, die Leute zu überzeugen, dass dieses Produkt das beste auf dem Markt ist. Doch geht es in der Werbung wirklich nur um das Produkt? Wenn man sich die Coke-Werbespots ansieht, fällt etwas gleich ins Auge: Es geht ums Glücklich sein. Ein Hundertjähriger besucht ein Neugeborenes, Chöre singen von der guten Welt, ein rotbäckiger, freundlicher Weihnachtsmann bringt die Menschen zusammen. Und wieder: Die Werbung verkauft nicht das Produkt, sondern das Lebensgefühl. Das geht so weit, dass alleine durch den Schriftzug ein anderer, besserer Geschmack suggeriert wird, was in einem Experiment des WDR-Markenchecks bewiesen wurde.

Durch Werbung alleine konnte Coca-Cola sogar den Kundenkreis für zuckerfreie Cola erweitern. Die schon existente Coke-Light-Reihe ist ein Produkt, das auf einen weiblichen Kundenkreis abzielt. Die Einführung der Coke-Zero, mit entsprechender Werbekampagne, öffnet die zuckerfreie Cola dem männlichen Kundenkreis. Man muss sich nur die jeweiligen Werbespots anschauen: Während Coke-Light von einer Frauenstimme beworben wird, und verrückte Mädels zeigt, wirbt eine Männerstimme für Coke-Zero und der Spot zeigt, nun ja, „Schlagsahne oder Schokosoße“. Jeder hat ihn schon einmal gesehen.

Der Duft des Geldes

Werbung hat dadurch eine gewisse Machtstellung. Durch Bilder und Musik, die Gefühle in uns wecken, wird versucht, etwas zu verkaufen, was an sich keinerlei Einfluss auf unsere Gefühle hat. Die Wenigsten könnten wahrscheinlich von sich behaupten, dass sie nach dem Trinken einer Cola bedeutend glücklicher sind als zuvor.

Doch bei den audiovisuellen Reizen bleibt es nicht. Im Klamottenladen Abercrombie & Fitch wird alle zwanzig Minuten ein Duft ausgesprüht, der die Käufer dazu anregt, länger im Laden zu bleiben. Durch Gerüche wird versucht, eine Assoziation hervorzurufen, die den Kunden in eine bekannte und somit angenehme Atmosphäre bringt. Und das mit Erfolg. Der Umsatz von Läden mit Beduftung steigt bis zu 15 Prozent. Es ist wieder ein Spiel mit den Gefühlen. So wird unsere Kaufentscheidung peu à peu von den Herstellern abgenommen. Und das bedeutet Macht. Wie groß diese Macht schon ist, zeigt sich beim Versuch eben dieser zu entkommen. Jeder erwachsene Mensch ist heutzutage circa 3000 Werbeangeboten pro Tag ausgesetzt. Diese Zahl ist durchaus realistisch, wenn man einmal aktiv wahrnimmt, wo alles beworben wird.

Fast schon angsteinflößend wird es, wenn man die Werbeindustrie dahinter beobachtet: 2012 wurden auf der Welt 449 Milliarden Euro für Werbung ausgegeben. Würde pro Jahr ein Zehntel davon in die Hungerhilfe fließen, könnte der Welthunger fast vollständig besiegt werden. Es steckt also jede Menge Geld dahinter. Geld, das dafür fließt, dass mit den Gefühlen von Menschen gespielt wird und diese das Produkt kaufen.

Doch ist es schlimm, positive Gefühle in uns zu wecken? Für einen guten Lacher ist jeder zu haben, und Werbung ist auch zu einer Art Unterhaltung geworden, wenn man sich die Klickzahlen entsprechender Videos auf YouTube ansieht. Es ist also schwierig, von Manipulation zu reden, wenn es tatsächlich knapp 60 Millionen Menschen gibt, die sich freiwillig Werbung anschauen. Und wenn man schon länger auf den neuen Fernseher gespart hat, ist man doch froh über jede Werbeanzeige, die Fernseher preist.

Werbung verspricht also nicht nur das Blaue vom Himmel. Die Nike-Schuhe, die ich mir einst wünschte, trage ich immer noch. Weder an Qualität, noch an Status (sie SIND einfach cool) haben sie verloren. Man sollte nur etwas vorsichtiger sein und genauer hinschauen, ob sich vielleicht nicht doch ein Werbegag dahinter befindet. Seitdem Ende letzten Jahres in den Schlagzeilen stand, dass Deutschlands Bierkonsum sinkt, kursiert der seltsame Brauch der „Nominierung“ in sozialen Netzwerken, bei welchem Bier getrunken wird. Ein Zufall? Kann sein.

Schreibe einen Kommentar