Eine Diskussion zwischen Für und Wider
Ja, findet Felix Veil
Ich bin gerade auf eine interessante Stelle aufmerksam geworden und klicke mich durch die Homepage. Die Beschreibung klingt für mich super. Alles passt also bis auf… ach ja, die Vergütung. Es steht mal wieder geschrieben, dass es keine Entlohnung gibt. Ich komme ins Grübeln: Hat sich die Sache für mich damit erledigt? Der Geldaspekt wird oft mit der Wertschätzung von Arbeit gleichgesetzt oder zumindest in Verbindung gebracht und das gilt nicht nur für Praktika. Ein Blick auf die Mindestlohn-Debatte der Vergangenheit gibt uns Aufschluss darüber. Eine Bezahlung bzw. Entlohnung des Praktikums kann durchaus mit einer Wertschätzung des Praktikanten in Verbindung stehen, aber sie muss es nicht und garantiert es vor allem nicht. Wir stehen mal wieder vor einer Entscheidung. Bezahlte Praktika sind sicher wünschenswert(er), denn wer hat schon etwas gegen eine Bezahlung einzuwenden?
Dennoch sollten wir den Geldaspekt bei Praktika nicht zu hoch gewichten, sondern einem anderen, für mich wichtigeren Aspekt, mehr Raum geben: dem Erfahrungswert. Der Praktikant bekommt einen Einblick in das Tätigkeitsfeld, das ihn interessiert und das er bislang oft nur aus der Theorie kannte. Entscheiden wir uns gegen unbezahlte Praktika, schließen wir von vornherein gewisse Praktikumsangebote aus, die sich als sehr interessant erweisen könnten. Wenn der Vergütungsaspekt also eine oder die entscheidende Rolle spielt, wird unser Handlungsspielraum automatisch kleiner.
Natürlich können wir nach einem unbezahlten Praktikum auch zu der Entscheidung kommen, dass dieses Tätigkeitsfeld nichts für uns ist. Dennoch handelt es sich dann nicht um vergeudete Zeit, in der wir nicht einmal etwas verdient haben, sondern um eine weitere wertvolle Erfahrung in unserem Repertoire. Keine Bezahlung kann diesen Erfahrungswert ersetzen und niemand kann uns das erworbene Wissen wieder nehmen.
Ein bezahltes Praktikum ist außerdem kein Garantieschein für eine intensivere Betreuung des Praktikanten. Genauso wenig können wir ein unbezahltes Praktikum automatisch mit dem bloßen Absitzen von Stunden gleichsetzen. Bezüglich Letzterem kann ich aus eigener Erfahrung sprechen. Dieses Jahr im März absolvierte ich ein vierwöchiges Praktikum bei der Augsburger Allgemeinen in der Landredaktion. Eine Vergütung gab es nicht. Trotzdem wurde ich in den Arbeitsprozess der Redaktion eingebunden und die Redakteure teilten mir Aufgaben zu, die über das Klischee des Kaffeekochens und Kopierens hinausgingen.
Felix studiert Sozialwissenschaften in Augsburg und arbeitet als Redakteur bei presstige. Er hört gerne Musik und quält seine E-Gitarre mit teils harten und schweren Riffs. Er mag die Ironie und ist ein Künstler im Tiefstapeln.
Nein, findet Natalia Sander
Mir kommt es so vor, als hätten nur Studenten, die finanziell von ihren Eltern unterstützt werden, die Chance, unbezahlte Praktika zu machen. Die andere Möglichkeit ist es, zuerst Geld anzusparen, um sich das unbezahlte Praktikum überhaupt leisten zu können. Also muss man erst ganz viel arbeiten, um dann kostenlos arbeiten zu können. Hört sich komisch an? Das finde ich allerdings auch.
Es ist nicht wegzureden, dass Studenten Zeit brauchen, um Erfahrung zu sammeln und sich über ihre beruflichen Ziele klar zu werden. Auf der anderen Seite stehen aber Unternehmen, die von der kostenlosen Arbeitskraft profitieren. Häufig handelt es sich dabei um große Konzerne mit einem ordentlichen Umsatz und einem guten Ruf. Dass sie ihre Praktikanten nicht vergüten, erscheint mir mehr als kurios.
Selbstverständlich kann ich als Studentin mit wenig Erfahrung nicht mit einem Spitzengehalt und eigenem Firmenwagen rechnen. Ich kann aber durchaus genügend finanzielle Mittel für Wohnung und Lebensunterhalt erwarten. Ich finde, dafür muss es einen ungeschriebenen Generationenvertrag geben: Man muss den Jüngeren den Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Ohne, dass sie sich davor erst einmal verschulden müssen. Vor allem bei längeren Praktika oder wenn man dafür in eine neue Stadt ziehen muss, ist es unverschämt, die Studenten ohne finanzielle Unterstützung arbeiten zu lassen. Jeder der heute Erwerbstätigen hat einmal klein und ohne viel Erfahrung angefangen. Dann ist es doch nur gerechtfertigt, als jüngere Generation von Seiten der Unternehmen unterstützt zu werden. Wir sind die Arbeitskräfte von morgen und viel verlangen wir wirklich nicht. Eine minimale finanzielle Unterstützung ist aus meiner Sicht absolut gerechtfertigt.
Es sind auch schon alternative Unterstützungsformen eingeführt worden, wie etwa Praktikanten-WGs zu einem günstigeren Preis und kostenloses Mittagessen in der Kantine. Egal, auf welche Art und Weise: Wer seinen Praktikanten ein bisschen Respekt und Lohn entgegenbringt, bekommt dafür einen Mitarbeiter mit frischem Blick und unverbrauchten Ideen. Ganz abgesehen davon, dass man der „Investition Praktikant“ eher auch wichtigere Aufgaben überlassen kann: Einen bezahlten Praktikanten lässt man viel weniger Kaffee kochen und Post holen. Also ist das schon eine gute Sache mit dem Praktikantenlohn, egal für welche Seite. Jetzt müssen wir das nur noch den Unternehmen nahebringen.
Natalia Sander ist ehemalige Art-Direktorin bei presstige. Heute ist sie fortgeschrittene Medienstudentin im Wiener Exil, Katzen-Guru und optischer Fetischist. Sie drückt sich am liebsten mit Fotografie aus und teilt es auf Instagram oder ihrem Blog.
Ausgabe 27: Wohnen Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 27 unseres gedruckten Magazins.
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