Müller will über „Humor“ reden

Text: Michael Müller - Illustration: Isabell Beck
Text: Michael Müller – Illustration: Isabell Beck

Die meisten dürften schon einmal vor dem berühmten Ernst des Lebens gewarnt worden sein und doch sorgen solche gut gemeinten Ratschläge oft für eine gewisse Verwirrung. Ist es etwa fahrlässig, Ausbildung und Beruf eine amüsante Seite abzugewinnen? Wie so oft lautet die Antwort am ehesten: Es kommt darauf. Warum sich Humor trotzdem lohnt und was er mit Kampfgeist und einem Film über Hitler zu tun hat? Reden wir darüber.

In einer Woche startet in den deutschen Kinos die Verfilmung zu Timur Vermes Erfolgsroman „Er ist wieder da“. Sowohl im Film als auch in der Buchvorlage erlebt ein im heutigen Berlin wiederkehrender Adolf Hitler einen kometenhaften Aufstieg, der ihn zwar nicht zum Weltherrscher, wohl aber zum Medienstar macht. Auch wenn der Plot vor allem die Sensationsmaschinerie der Medien und die morbide Faszination der Gesellschaft für Hitler aufs Korn nimmt, stellt sich wieder einmal eine altbekannte Frage: Dürfen wir über einen Massenmörder, Kriegsverbrecher und Diktator aus der eigenen Geschichte lachen?

Kolumne: Müller will reden

Meinung ist tot? Nicht mit uns, denn unser Chefredakteur Michael Müller ist überzeugt, dass es Dinge gibt, die man nicht wissen kann, aber über die es sich zu reden lohnt. In Zeiten harter Fakten glaubt er an das lose Mundwerk, denn wohin sonst mit all den gesammelten Informationen? Mal geht es um Wichtiges, mal um den Rest, aber immer gilt: Keine Angst, Müller will nur reden. Die Kolumne erscheint immer donnerstags und wird von Isabell Beck illustriert. Alle Folgen von “Müller will reden” zum Nachlesen.

Hinter diesem extremen Fall steht letztlich ein allgemeineres Problem, das mit der Rolle und Funktion des Humors in unserem Alltag zusammenhängt. Deshalb muss die Suche nach einer Antwort auf obige Frage gar nicht im dunkelsten Kapitel unserer Vergangenheit beginnen, sondern liegt vielleicht schon in einem einfacheren, viel alltäglicheren Fall. Im Grunde geht es schlicht darum, ob etwas zu ernst sein kann, um darüber zu lachen. Gerade im Studium ist mir aufgefallen, wie schnell es auf Befremden stößt, den alltäglichen „Problemchen“ mit Ironie oder einer anderen Art des Humors zu begegnen. Egal ob es um bürokratische Hürden, den kleinen Tücken der Gruppenarbeit oder organisatorische Irrtümer geht – offensichtlich scheint Schmunzeln nicht zum Ernst des Lebens zu passen. Häufig steht zwischen den Zeilen die Warnung, das Studium vielleicht nicht ernst genug zu nehmen. Oder davor, dass sich auch kleine Widrigkeiten zu einer echten Gefahr für die Abschlussnote und die berufliche Zukunft auswachsen können. Das ist sicher richtig, doch bedeutet, einer Sache mit Humor zu begegnen gleich, sie auch nicht ernst zu nehmen?

Humor gibt noch nichts verloren

Natürlich schafft Humor erst einmal eine gewisse Distanz. Wer etwas belächelt oder sogar darüber spöttelt, weißt es zunächst ein gutes Stück von sich. Das allein geht aber keineswegs damit einher, ein Problem nicht ernst zu nehmen. Humor ist in erster Linie ein ganz bestimmter, eher positiver Blickwinkel aus dem wir eine Sache betrachten können, ganz gleich welche Bedeutung wir ihr beimessen. Oftmals handeln Witze sogar von Gegenstände, die uns zu schaffen machen, gerade weil sie uns wichtig sind. So können wir eine Situation, deren Ausgang ungewiss ist oder uns zu schaffen macht, auf eine Art und Weise verarbeiten, die uns oft erträglicher scheint als eine erste Analyse. Ironie oder ein spontaner Scherz sind dann eine Abwehrstrategie, die wir nutzen um uns zu beruhigen und ein Problem als weniger überwältigend wahrzunehmen. Dabei handelt es sich nicht um fahrlässige Ignoranz oder Resignation, sondern bereits um den wichtigen ersten Schritt zu einer späteren Lösung.

Generell kann Humor nicht damit gleichgesetzt werden, sich mit den gegebenen Umständen abzufinden. Hinter den meisten Witzen steckt keine gut gelaunte Zufriedenheit, sondern ein ausgeprägtes Problembewusstsein. Humor konfrontiert mit Klischees und rüttelt an scheinbaren Wahrheiten. Auf diesem Weg stellt er eine sehr charmante Art dar, Missständen den Kampf anzusagen, wie es zum Beispiel im Falle des politischen Kabaretts. Ein gelungener Scherz stellt eine Art die Kritik dar, die gerade erfolgreich sein kann, weil ihr der aggressive Ernst fehlt. Humor sucht stets nach Gleichgesinnten und nimmt so dem Kritisierten schnell den Wind aus den Segeln. Denn wer will sich schon nachsagen lassen, keinen Spaß zu verstehen. Ein geteilter Humor deutet nicht nur auf kulturelle Gemeinsamkeiten, sondern auch auf einen ähnlichen Meinungshorizont hin. Dass die Meinung hinter einem Scherz oft subtil und nur indirekt konfrontativ vorgetragen wird, macht es anderen dabei nochmals leichter, sich ihr anzuschließen. Eine humorvolle Haltung macht es also nicht nur leichter, Dinge zu ertragen, sondern kann sogar dabei helfen, sie zu verändern – zumindest grundsätzlich, denn leider ist Humor noch nicht gleich Humor.

Wie so oft: Übung macht den Meister

Nicht jedes Lachen kommt mit offenen Armen daher. Es gibt auch Witze, die ausschließen und verletzen, denn es kann nicht jeder über alles lachen. Scherze sind eine Form der Kommunikation, die wie jeder soziale Austausch viel Feingefühl verlangt. Nur weil mein Humor nicht greift, ist mein Gegenüber nicht humorlos. Jeder von uns kennt die eigenen Schwachpunkte, bei denen er keinen Spaß versteht. Oft haben wir dafür gute Gründe, in jedem Fall jedoch ein Recht darauf. Niemand muss die lästigen Tücken des Studiums lustig finden. Ganz im Gegenteil, darf Humor niemals großspurig über die Ängste, Sorgen oder Gefühle des Gegenübers hinweggehen. Deshalb darf sich erst Recht ein jeder vorbehalten, Witze über das Dritte Reich nicht komisch zu finden. Gelungener Humor geht immer auch auf die jeweilige Situation oder das Gegenüber ein und ist damit oft vor allem eines: Übungssache.

Diese Übung ist er aber auf jeden Fall wert, allein schon aus Sicht des Einzelnen. Selbst wenn wir ihn für uns behalten, macht uns ein stiller Humor den Alltag deutlich leichter. Er hilft uns, die kleinen Lästigkeiten des Alltags nicht zu schwer zu nehmen und die echten Herausforderungen ein wenig freimütiger anzugehen. Wir merken sehr schnell, wenn etwas unseren vollen Ernst erfordert. In allen anderen Fällen machen wir es uns und unserer Umgebung mit einem Lächeln fast immer ein wenig einfacher. Wenn alle Stricke reißen, kann uns „Er ist wieder da“ zumindest eines zeigen – dass auch Witzeerzählen eine steile Karriere auslösen kann.

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