Forschst du noch oder slammst du schon?

Wissenschaftler leben in ihrer Welt und sind mit ihrem abgehobenen Fachjargon für den Normalmenschen schlichtweg unverständlich? Dass es auch anders geht, zeigen die Science Slammer…jetzt auch in Augsburg

Noch ist Shahin Amiriparian ganz entspannt. Nein, er sei wirklich nicht nervös, versichert er. Vorbereitet hat der 28-Jährige auch noch nichts, denn es soll ja „vom Herzen kommen und spontan sein“. Shahin Amiriparian ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Informatik der Uni Augsburg und forscht auf dem Gebiet maschinelles Lernen und künstliche neuronale Netze. Klingt mal wieder sehr abstrakt und ganz weit weg vom Alltag. Dabei ist es das eigentlich gar nicht. Und genau deshalb ist er auch Science Slammer.

Beim Science Slam präsentieren Forscher ihre Ergebnisse in einem knapp zehnminütigen Vortrag. Dabei verzichten sie auf Fachbegriffe und versuchen mit viel Witz das Publikum zu unterhalten. Von der Powerpoint-Präsentation bis zum Live-Experiment sind alle Hilfsmittel erlaubt. Geslammt wird natürlich nicht in den Hörsälen, sondern auf Bühnen in Clubs, Theatern oder Kneipen. Der Sieger wird vom Publikum bestimmt, entweder per Punktevergabe oder einfach über die Lautstärke des Applauses. Den ersten deutschen Science Slam gab es 2006 in Darmstadt, den Durchbruch gab es dann drei Jahre später in Hamburg. Seit 2010 gibt es sogar Deutsche Meisterschaften und seit 2014 finden auch Europameisterschaften statt.

In Augsburg gab es bisher keinen Science Slam. Das soll sich nun ändern. Für die Premiere haben sich die Veranstalter – Stadt, Hochschule und Uni Augsburg – auch gleich einen besonders symbolträchtigen Ort ausgesucht: das Augsburger Rathaus. Am 5. Mai ist es dann soweit. Der Science Slam ist eingebettet in die Veranstaltung der „Langen Nacht der Wissenschaft“, auf der Wissenschaftler der Augsburger Hochschulen aus ihrem Alltag erzählen. Kommen kann jedermann, der Eintritt ist frei. Der Slam beginnt um 19 Uhr. Bis dahin war und ist es jedoch für alle Beteiligten noch ein ganzes Stück Arbeit.

Für den Science Slam hat eine Jury aus Vertretern der Stadt und der Pressestellen der beiden Hochschulen bereits eine Vorauswahl getroffen. Von den gut 31.000 Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren der Hochschulen haben sich letztlich allerdings nur acht beworben. Vier Plätze waren zu vergeben. In die „Wissenschaftsschlacht“ stürzen sich nun: ein Professor und eine Studentin der Hochschule, sowie zwei wissenschaftliche Mitarbeiter von der Uni aus den Forschungsbereichen Maschinenbau/Verfahrenstechnik, Wirtschaft/BWL, Informatik und Umwelt. Der Sieger erhält einen Büchergutschein im Wert von 200 € sowie einen City-Gutschein im Wert von 50€. Wer gewinnt, entscheidet das Publikum per Applaus. Eigentlich könnte da ja getrickst werden, denn je mehr Fans ein Slammer mitbringt, desto höher seine Chancen auf den Sieg. Shahin Amiriparian lacht: „Ja, es werden wahrscheinlich ein paar Kollegen kommen, meine Freundin ist auch auf jeden Fall dabei. Zusätzliche Fans hab‘ ich noch nicht rekrutiert.“ Ganz anders geht da Stefan Murza, Professor für Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der Hochschule Augsburg, die Sache an. Er überlässt nichts dem Zufall. Die Fans werden im Voraus organisiert, der Vortrag akribisch einstudiert: „Man merkt schon, der richtige Witz – also dass das ankommt – das muss man richtig eintrainieren. Das ist wie in einer Vorlesung: einige Sachen kommen spontan sehr gut rüber, aber manche Witze kann man auch so richtig eintrainieren“, gesteht Stefan Murza während des Skype-Interviews. Slammen wird er über die Elektromobilität und die Diskussion zu Diesel Fahrverboten. In Anlehnung an Shakespeares „Hamlet“ und die Frage „Sein oder Nichtsein“ lautet der Slamtitel des Professors „Sauber oder nicht sauber, das ist hier die Frage“. Dem Jahrhundert seiner literarischen Anspielung entsprechend wird er natürlich nicht mit Jeans und Jackett auf der Bühne stehen, sondern in einem mittelalterlichen Kostüm slammen. Mitten im Gespräch scheint der mit viel Engagement über seine Idee erzählende Stefan Murza plötzlich abgelenkt und ruft sichtlich erfreut: „Ah, jetzt kommt meine Frau rein!“ Eine herzliche Umarmung, ein fröhliches „Hallo“ an mich, dann geht‘s wieder weiter. Später schaut dann noch sein kleiner Sohn vorbei und winkt in die Kamera. Sie werden die ersten sein, die den Slam hören, denn – lacht Stefan Murza: „Mein größter Kritiker wird natürlich meine Frau sein.“

Shahin Amiriparian wird mit „Zeno“ zusammen auf der Bühne stehen. Natürlich nur, wenn auch die Technik mitmacht. Zeno ist nämlich ein menschenähnlicher Roboter. Vor allem von Kindern wird er heiß geliebt. Zeno kann aufgrund der Stimme den Gemütszustand eines Menschen erkennen und darauf reagieren, indem er zum Beispiel lächelt und mit seinem Gegenüber spricht. Der kleine menschenähnliche Roboter wurde als Freund und Helfer eigens für autistische Kinder und Menschen mit einer bipolaren Störung oder Depressionen entwickelt. Mit seinem Slam will der Jungforscher seinem Publikum die Angst vor künstlicher Intelligenz nehmen. Ob er denn jetzt nicht doch langsam nervös werde, frage ich den Elektroingenieur. Naja, so ein Science Slam sei natürlich schon eine Herausforderung: „Denn die Menschen in Deutschland sind ein bisschen reserviert. Also da ist es nicht so leicht durch Science Slam und mit einem lustigen Thema mit ihnen zu sprechen. Da braucht man ein bisschen Zeit bis das Eis gebrochen ist“, meint der 28-Jährige augenzwinkernd und grinst breit. Kurz darauf sind seine Bedenken anscheinend aber schon wieder verflogen, mit einem Lächeln auf den Lippen sagt er: „Ich glaub, das wird chillig und lustig.“ Stefan Murza freut sich auch schon riesig. Ob er nervös ist? Der Professor schmunzelt: „Aber natürlich!“

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