Läuft bei mir – zu Gast bei KULT

„So, in 15 Minuten geht’s los. Alle, die noch müssen, gehen bitte JETZT nochmal aufs Klo!“. Ein Satz, von dem ich dachte, ihn das letzte Mal kurz vor der Abfahrt in den Sommerurlaub 2008 gehört zu haben. Aber nein, wir haben 2019 und er ist gerade in der Uni Augsburg gefallen.

© Bao Han Pham

Ein warmer Juliabend auf dem Campus: Die Uni ist um diese Uhrzeit (abgesehen von der Bibliothek) fast studentenleer. Mit einer Ausnahme: im D-Gebäude herrscht heute noch erstaunlicher Betrieb. Hier verbirgt sich hinter einer der vielen unscheinbaren Türen das Medienlabor– Heimat des Unifernsehens Kult. Und das bereitet sich gerade auf die heutige Live-Sendung des Sommersemesters 2019 vor. Um uns herum schwirren Studenten, manche mehr, manche weniger aufgeregt und auch die ersten Gäste warten schon hinter den Kulissen. Martin, Chef vom Dienst, bringt es auf den Punkt: „Alle sind ein bisschen angespannt, aber sonst ist die Stimmung gut. Wir haben Bock auf die Show und hoffen, dass es eine gute Sendung wird.“

Wir selbst kennen zwar den größten Raum des Medienlabors von unseren Redaktionssitzungen, sind aber ziemlich überrascht, was sich in den Gängen dahinter noch so alles verbirgt: ein Studio mit Green Screen, ein Regieraum und mehrere andere Zimmer, voll mit technischer Ausstattung. Im krassen Gegensatz zum 80er-Jahre-Charme der Innenarchitektur steht das moderne Equipment, mit dem die Studenten hantieren. Kameras, Kopfhörer, zahlreiche Bildschirme und Mischpulte mit unendlich vielen Reglern – zumindest auf den Fernsehlaien wirkt hier alles höchst professionell. Dass man mit der vorhandenen Ausstattung auch eine „richtige“ Fernsehsendung drehen könnte, bestätigt Ullrich Fahrner, der als Chef des Medienlabors den Überblick über das Geschehen behält. Das liegt aber auch daran, dass die Kameras und Co. zusätzlich für Forschungszwecke verwendet werden.

© Bao Han Pham

Die Livesendung findet zwar heute statt, die Vorbereitungen haben aber natürlich schon viel früher angefangen. Die Beiträge, die zwischen den Moderationen eingespielt werden, müssen schließlich schon vorher gedreht und produziert werden. Leonie, mitverantwortlich für den Social Media Auftritt von Kult, erklärt uns den Ablauf: „Am Anfang des Semesters werden Ideen gesammelt und wir überlegen, was uns und die Studenten am meisten interessiert.“ Anschließend stimmen alle ab, welche Themen sie umsetzten wollen und die einzelnen Beiträge werden an Teams von vier bis fünf Personen vergeben. In den Kleingruppen selbst gilt es anschließend, alle wichtigen Rollen zu verteilen: Es wird entschieden, wer vor und hinter der Kamera steht, wer für den Ton verantwortlich ist und wer für den Schnitt. In den wöchentlichen Redaktionssitzungen berichten die einzelnen Gruppen immer wieder, wie weit sie schon gekommen sind und was der aktuelle Stand ist.  Früher oder später werden schließlich alle Beiträge fertiggestellt und die Livesendung rückt immer näher. Apropos Sendung, zurück ins Studio!

Kurz bevor die Übertragung startet, schaltet Fahrner den zusätzlichen Live-Stream aus dem Regieraum ein, der ebenfalls übertragen wird: „So jetzt sind wir live – keinen Schmarrn mehr machen!“, worauf ein mehrstimmiges „Nein, niemals!“, zu hören ist.
Der Chef vom Dienst richtet finale Anweisungen an die Regie: „Das erste Mal Umschalten ist stressig. Danach wird’s besser“. Und dann wird jeder nochmal dazu angehalten, VOR der Sendung aufs Klo zu gehen. 20:15 Uhr rückt immer näher und als die Übertragung schließlich gestartet wird, brandet kurzer Jubel auf. Ein bisschen fühlt man sich an die Mondlandung erinnert.

© Bao Han Pham

Gleich nach der Begrüßung durch die Moderatoren folgt ein Einspieler mit den besten Momenten aus 20 Jahren Unifernsehen. Während die Zuschauer zu Hause vermutlich gerade über den Highlight-Clip lachen müssen, herrscht kurz Anspannung in der Regie. Die Kameraeinstellung für die nächste Studioszene wird überprüft: „Leute, da ist noch Boden zu sehen. Immer noch!“ Um die Dramatik vorwegzunehmen: alle Bodenprobleme werden rechtzeitig geklärt und nach dem Videoclip geht es ohne Pannen zurück ins Studio, wo schon der nächste Gast wartet. Tim Reischmann, der früher selbst beim Unifernsehen war und inzwischen seine eigene Produktionsfirma führt, erzählt aus den Anfangsjahren. Er wird nicht der einzige Besucher an diesem Abend bleiben. Unter anderem kommt noch Christopher Gogolin, der das Augsburger Eistee Startup „Ocha Ocha“ gegründet hat, im Studio vorbei und berichtet vom Gründungsprozess. Für musikalische Untermalung sorgen die Jungs und Mädels von 20 Something.

Kult feiert heute seine 10. Livesendung und bereits seit 1999 gibt es Studentenfernsehen an der Uni Augsburg – damals noch unter dem Namen Blickpunkt Campus. Ist denn eigentlich in den vielen Jahren auch schonmal so richtig was schief gegangen? Ulrich Fahrner erzählt, dass bei der allerersten Sendung ein Mikro nicht angeschaltet und deswegen am Anfang kein Ton zu hören war. Der verantwortliche Student soll laut „Scheiße, der Ton ist aus!“, gerufen haben – diesmal aber in das Mikro, das funktionierte und mit der Übertragung verbunden war…
Für die heutige Sendung ist er aber guter Dinge: „Wir senden jetzt schon seit ein paar Jahren live und es sah schon einige Male richtig knapp aus. Dagegen ist es heute ziemlich entspannt. Aber bis jetzt hat immer alles irgendwie funktioniert.“
Und, was sind die großen Pläne für die Zukunft von Kult? Nächstes Semester dann einmal die Woche live aus dem Augsburger Studio? Fahrner lacht: „An einer höheren Frequenz könnte man auf jeden Fall arbeiten. Aber ich würde mir vor allem wünschen, dass wieder mehr Studenten aus verschiedenen Studiengängen kommen. Das war früher ein bisschen durchmischter“.

© Bao Han Pham

Wie prophezeit läuft auch die 10. Kultausgabe ohne Zwischenfälle. Zum Abschluss wird nochmal das ganze Team vor die Kamera geholt, denn für eine gelungene Sendung braucht man schließlich weit mehr als nur zwei Moderatoren. Unabhängig davon, welche Aufgabe sie beim Erstellen der Kurzbeiträge eingenommen haben, können die Studenten sich für die Livesendung nochmal eine ganz andere Rolle aussuchen. Zu vergeben waren Plätze vor und hinter den Kameras, in der Regie, bei den Bauchbinden, als Bildmischer, beim Ton, in der Gästebetreuung und im Social-Media Team, das sich schon das ganze Semester um den Auftritt von Kult auf den Sozialen Medien gekümmert hat. Redaktionssitzungen, Beitragsdrehs oder das Aufhängen der Plakate – hier wurde alles in Boomerangs und auf IGTV festgehalten.

Was motiviert denn eigentlich die Studenten, sich bei Kult zu engagieren? Lea zu Beispiel studiert im zweiten Semester Medien und Kommunikation und ist heute Teil des Regieteams. Sie findet es gleichzeitig spannend und herausfordernd, dass man zu Beginn ins kalte Wasser geworfen wird und sich erstmal aneignen muss, wie Kamera und Co. funktionieren. Außerdem hat sie die Möglichkeit gereizt, einmal hinter die Kulissen einer Fernsehproduktion zu schauen und alle Dinge zu sehen, die man als Zuschauer normalerweise nicht mitbekommt.
Priscilla, die heute Springer ist und überall aushilft, wo sie gebraucht wird, hat für ihren Beitrag auch beim Gebärdensprachenunterricht an der Uni mitgemacht. Eine bereichernde Erfahrung, zu der sie ohne Kult vermutlich gar nicht gekommen wäre.

Viele der Mitwirkenden studieren Medien und Kommunikation und sind auch über die Möglichkeit, sich ihr Engagement für das Studium anrechnen zu lassen, auf Kult gestoßen. Wichtig ist ihnen aber genauso, neben dem theoretischen Studium Praxiserfahrung in einem möglichen späteren Berufsfeld zu sammeln. Und natürlich gefällt ihnen Kult, weil sie hier eine Möglichkeit haben, der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen, wie es Leonie zusammenfasst.
Einige Teammitglieder haben zwar vorher schon Praxiserfahrung beim Fernsehen, an der Kamera oder in der Regie gesammelt, aber auch ohne Vorwissen kann man bei Kult einsteigen. Monique, die sich um die Hintergründe für die heutige Livesendung gekümmert hat, ist in diesem Semester auch ohne Fernseherfahrung zu Kult gekommen. „Am Anfang hab‘ ich mir schon Gedanken gemacht, ob das alles so hinhaut, weil es natürlich schwer ist, wenn man noch keine Ahnung hat, wie so ein Beitrag geplant werden muss. Ich bin dann aber in eine Gruppe gekommen, die alle mindestens schon ein Semester da sind und dann war das alles gut machbar.“

© Bao Han Pham

Ihr habt die Sendung verpasst? Kein Problem, hier oder hier könnt ihr den Livestream jeder Zeit nochmal anschauen.